Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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nieder. „Vielleicht wär’s das Beste! Ein Ende muß doch einmal gemacht werden, es muß! das habe ich heut erst wieder gesehen, also – je eher, je lieber!“

      „Was hast Du denn? Womit soll ein Ende gemacht werden?“

      „Nichts, Vater, nichts. Aber Du hast ganz Recht, wenn ich erst eine Frau habe, dann weiß ich auch, wo ich mit meinen Gedanken hingehöre – Du glaubst also, daß die Martha mich gern hat?“

      „Geh hin und frage sie selbst!“ rief der Schichtmeister lachend. „Meinst Du denn, daß ich das Mädchen noch im Hause hätte, wenn sie einen Anderen wollte? Der fehlt es wahrhaftig nicht an Freiern! Ich weiß genug, die sie möchten, und der Lorenz giebt sich nun schon seit Jahr und Tag vergebene Mühe. Er hat noch immer kein Ja bekommen; Du bekommst es noch heute, wenn Du willst, verlaß Dich darauf!“

      Ulrich hörte gespannt zu, aber trotz dieser für ihn doch so schmeichelhaften Erklärung war nicht viel von Glück oder Befriedigung auf seinem Gesichte zu lesen. Er sah aus, als zwinge er mit Gewalt irgend ein rebellisches Etwas nieder, das ihn nicht zum Entschluß kommen lassen wollte, und es war auch etwas Wildes, Krampfhaftes in dem jäh aufflammenden Entschluß, mit dem er sich jetzt zum Vater wandte.

      „Nun gut, wenn Du meinst, daß ich keinen Abschlag bekomme, so – so will ich mit der Martha sprechen.“

      „Jetzt gleich?“ fragte der Schichtmeister betroffen. „Aber, Ulrich, man freit doch nicht so über Hals und Kopf, wenn man eine Viertelstunde vorher noch keine Idee davon gehabt hat! Ueberlege Dir die Sache doch erst.“

      Ulrich machte eine ungeduldige Bewegung. „Wozu das lange Abwarten! Ich muß wissen, woran ich bin. Laß mich hinein, Vater!“

      Der Vater schüttelte den Kopf, aber er hatte viel zu große Furcht, der so plötzlich gefaßte Entschluß könne seinem Sohne wieder leid werden, um ihn ernstlich zurückzuhalten. In seiner Herzensfreude kümmerte es ihn wenig, wenn die so sehnlichst gewünschte Verbindung in etwas ungewöhnlicher Art zu Stande kam; er beschloß im Gegentheil, ganz ruhig hier draußen zu bleiben, damit die jungen Leute drinnen ungestört mit einander fertig werden könnten, denn er kannte Ulrich genug, um zu wissen, daß eine unzeitige Einmischung seinerseits jetzt alles verderben würde.

      Der junge Mann war inzwischen rasch, als wolle und dürfe er sich auch nicht eine Minute Zeit zum Besinnen gönnen, durch den Hausflur geschritten und hatte die Thüre der Wohnstube geöffnet. Martha saß am Tisch, die sonst so fleißigen Hände müßig im Schooße; sie schaute nicht auf, als er eintrat, und schien sich auch nicht darum zu kümmern, daß er dicht neben ihrem Stuhle stehen blieb; desto besser sah er, daß sie geweint hatte.

      „Trägst Du es mir nach, Martha, daß ich vorhin wieder einmal aufgefahren bin? Es thut mir leid – was siehst Du mich so an?“

      „Weil es das erste Mal ist, daß Dir das leid thut! Du hast sonst wenig darnach gefragt, wie ich’s nehme – so laß es auch heut.“

      Der Ton klang kalt und abweisend genug, aber Ulrich ließ sich dadurch nicht zurückscheuchen. Die Enthüllungen des Vaters mußten trotz alledem doch mächtig auf seine störrische Natur gewirkt haben, denn seine Stimme klang ungewöhnlich milde, als er entgegnete:

      „Ich weiß, daß ich ein ganzes Theil schlimmer bin, als die Anderen, aber ich kann’s nun einmal nicht ändern. Du mußt mich schon nehmen, wie ich gerade bin, und vielleicht machst Du auch noch etwas Besseres aus mir.“

      Das Mädchen hatte schon beim ersten Ton befremdet aufgeblickt, und in seinem Gesicht mußte wohl etwas Ungewöhnliches liegen, denn sie machte eine heftige Bewegung, um aufzustehen. Ulrich hielt sie fest.

      „Bleib’ hier, Martha! Ich habe mit Dir zu reden; ich wollte Dich fragen – nun, viel Worte kann ich nicht machen, und das braucht’s ja auch nicht zwischen uns. Wir sind Geschwisterkinder, sind seit Jahren zusammen in einem Hause; Du wirst am besten wissen, was Du von mir zu halten hast, und Du weißt auch, daß ich Dich immer gern gehabt habe, trotz alles Streitens. – willst Du meine Frau werden, Martha?“

      Die Werbung kam so gewaltsam, so stürmisch und heftig heraus, wie es in dem Wesen des Freiers lag. Er athmete tief auf, als sei mit dem entscheidenden Worte auch eine Last von seiner Brust herunter. Martha saß noch immer unbeweglich vor ihm; ihre sonst so blühende Gesichtsfarbe war einer tiefen Blässe gewichen, aber sie schwankte und zögerte auch nicht einen Moment lang, als sie ein leises, freilich halb ersticktes Nein hervorstieß.

      Ulrich glaubte nicht recht gehört zu haben. „Nicht?“

      „Nein, Ulrich, ich will nicht!“ wiederholte das Mädchen tonlos, aber fest.

      Der junge Mann richtete sich beleidigt auf. „Nun, dann freilich hätte ich die ganze Rede sparen können! Der Vater hat sich also geirrt und ich dazu. Nichts für ungut, Martha!“

      Durch die kurze Abweisung in seinem Mannesstolze arg verletzt, war er im Begriff, die Stube zu verlassen, als ein Blick auf Martha ihn zwang zu bleiben. Sie hatte sich erhoben und mit beiden Händen die Lehne des Stuhles gefaßt, als müsse sie sich daran halten. Kein Wort der Erwiderung oder der Erklärung kam über ihre Lippen, aber diese Lippen bebten so heftig und in dem bleichen Gesichte zuckte ein so unnennbares Weh, daß Ulrich eine Ahnung überkam, sein Vater könne trotz alledem Recht haben.

      „Ich glaubte, Du hättest mich gern, Martha!“ sagte er mit leisem Vorwurf.

      Sie wandte sich mit einer heftigen Bewegung weg von ihm und verbarg das Gesicht in den Händen, aber er hörte einen Laut, der wie mühsam unterdrücktes Schluchzen klang.

      „Ich hätte es mir denken können, daß ich Dir zu rauh, zu wild bin. Du fürchtest Dich davor und meinst, es könnte nach der Heirath nach schlimmer damit werden – an dem Lorenz wirst Du freilich einen besseren Mann haben, der Dir in allen Stücken den Willen thut.“

      Das Mädchen schüttelte den Kopf und sie kehrte ihm jetzt auch langsam das Gesicht wieder zu. „Ich fürchte mich nicht vor Dir, wenn Du auch oft rauh und wild bist. Ich weiß, Du kannst nicht anders, und ich hätte Dich genommen, wie Du warst, und vielleicht gern genommen. Aber so will ich Dich nicht, Ulrich, wie Du jetzt bist, wie Du bist seit dem Tage, wo – die gnädige Frau herkam.“

      Ulrich zuckte zusammen; eine flammende Röthe schlug auf einmal in seinem Gesichte auf. Er wollte auffahren, wollte ihr heftig Schweigen gebieten und brachte doch keine Sylbe über die Lippen.

      „Der Oheim meint, Du kümmertest Dich um Niemanden, weil Du ganz andere Gedanken im Kopfe hättest,“ fuhr Martha immer erregter fort, „ja wohl, ganz andere Gedanken! Um mich hast Du Dich auch nie gekümmert, und jetzt kommst Du auf einmal und willst mich zur Frau haben! Du brauchst wohl Jemand, der Dir die ‚Gedanken‘ forttreibt, nicht wahr, Ulrich? Und dazu ist Dir die nächste Beste recht, dazu bin ich Dir gut genug? Aber so weit ist’s denn doch noch nicht, daß ich dazu tauge. Und wenn ich Dich lieb gehabt hätte mehr als Alles in der Welt, und wenn es mir an’s Leben ginge, daß ich von Dir lassen muß – lieber den Lorenz, lieber jeden Anderen jetzt, nur Dich nicht!“

      Es war ein Ausbruch furchtbarer Leidenschaftlichkeit bei dem sonst so ruhigen Mädchen. An dem Sturme, den er in ihr entfesselt, hätte Ulrich empfinden können, wie tief er ihr im Herzen saß, vielleicht empfand er es auch wirklich, aber das nahm die Wolke nicht von seiner Stirn und nicht den flammenden Schein, der dunkler wurde bei jedem ihrer Worte. Er hatte keine Erwiderung darauf, und als sie jetzt in ein lautes Weinen ausbrach, da stand er stumm neben ihr, ohne ein Wort des Trostes oder der Beruhigung. So vergingen einige Minuten in qualvollem Schweigen. Martha lag mit Kopf und Armen über den Tisch hingeworfen. Man hörte nur ihr krampfhaftes Schluchzen und dazwischen das einförmige Ticken der alten Wanduhr. Endlich beugte sich Ulrich zu ihr hinab; seine Stimme war nicht mehr rauh und heftig, aber auch nicht milde; es lag in ihr nur ein dumpfes Schmerzgefühl.

      „Laß gut sein, Martha! Ich dachte, es sollte besser werden, wenn Du mir hülfest; vielleicht wäre es auch nur schlimmer geworden, und Du hast ganz Recht, wenn Du es darauf hin nicht mit mir wagen willst. So bleibt es denn beim Alten mit uns Beiden.“

      Er ging ohne weiteren Abschied;