Christian Morgenstern

Alle Galgenlieder


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target="_blank" rel="nofollow" href="#u4a98006f-b8b6-5685-b7f7-216119c9ee06">Die zwei Turmuhren

       Der Glockenwurm

       Aus dem Anzeigenteil einer Tageszeitung des Jahres 2407

       Über die Galgenlieder

      Galgenlieder

       Palmström

       Palma Kunkel

       Gingganz

      Dem Kinde im Manne

      Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.

      Nietzsche

       zur 15. Auflage (1913)

      Dem Kinde im Menschen

      In jedem Menschen ist ein Kind verborgen, das heißt Bildnertrieb und will als liebstes Spiel- und Ernst-Zeug nicht das bis auf den letzten Rest nachgearbeitete Miniatur-Schiff, sondern die Walnußschale mit der Vogelfeder als Segelmast und dem Kieselstein als Kapitän. Das will auch in der Kunst mit-spielen, mit- schaffen dürfen und nicht so sehr bloß bewundernder Zuschauer sein. Denn dieses ›Kind im Menschen‹ ist der unsterbliche Schöpfer in ihm...

      Christian Morgenstern

      Wie die Galgenlieder entstanden

       Inhaltsverzeichnis

      Es waren einmal acht lustige Könige; die lebten. Sie hießen aber so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen die lustigen Könige zueinander, wie Könige zueinander sprechen. »Die Welt ist ohne Salz; laßt uns nach Salz gehen!« sagte der zweite. »Und wenn es Pfeffer wäre«, meinte der sechste. »Wer weiß das Neue?« fragte der fünfte. »Ich!« rief der siebente. »Wie nennst du's?« fragte der erste. »Das Unterirdische,« erwiderte der siebente, »das Links, das Rechts, das Dazwischen, das Nächtliche, die Quadrate des Unsinnlichen über den drei Seiten des Sinnlichen.« »Und der Weg dazu?« fragte der achte. »Das einarmige Kreuz ohne Kopf mit der Basis über dem Winkel«, sagte der siebente. »Also der Galgen!« sagte der vierte. »Esto«, sprach der dritte. Und alle wiederholten: »Esto«, das heißt »Jawohl«. Und die acht lustigen Könige rafften ihre Gewänder und ließen sich von ihrem Narren hängen. Den Narren aber verschlang alsogleich der Geist der Vergessenheit. –

      Betrachten wir den ›Galgenberg‹ als ein Lugaus der Phantasie ins Rings. Im Rings befindet sich noch viel Stummes.

      Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Es ist die skrupellose Freiheit des Ausgeschalteten, Entmaterialisierten, die sich in ihr ausspricht. Man weiß, was ein mulus ist: die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Schulbank und Universität. Nun wohl: ein Galgenbruder ist die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Mensch und Universum. Nichts weiter. Man sieht vom Galgenberg die Welt anders an, und man sieht andre Dinge als Andre.

       Laß die Moleküle rasen, was sie auch zusammenknobeln! Laß das Tüfteln, laß das Hobeln, heilig halte die Ekstasen!

      Galgenberg

       Inhaltsverzeichnis

      Blödem Volke unverständlich

       treiben wir des Lebens Spiel.

       Gerade das, was unabwendlich,

       fruchtet unserm Spott als Ziel.

      Magst es Kinder-Rache nennen

       an des Daseins tiefem Ernst;

       wirst das Leben besser kennen,

       wenn du uns verstehen lernst.

      Bundeslied der Galgenbrüder

       Inhaltsverzeichnis

      O schauerliche Lebenswirrn,

       wir hängen hier am roten Zwirn!

       Die Unke unkt, die Spinne spinnt,

       und schiefe Scheitel kämmt der Wind.

      O Greule, Greule, wüste Greule!

       »Du bist verflucht!« so sagt die Eule.

       Der Sterne Licht am Mond zerbricht.

       Doch dich zerbrachs noch immer nicht.

      O Greule, Greule, wüste Greule!

       Hört ihr den Huf der Silbergäule?

       Es schreit der Kauz: pardauz! pardauz!

       da tauts, da grauts, da brauts, da blauts!

      Galgenbruders Lied an Sophie, die Henkersmaid

       Inhaltsverzeichnis

      Sophie, mein Henkersmädel,

       komm, küsse mir den Schädel!

       Zwar ist mein Mund

       ein schwarzer Schlund –

       doch du bist gut und edel!

      Sophie, mein Henkersmädel,

       komm, streichle mir den Schädel!

       Zwar ist mein Haupt

       des Haars beraubt –

       doch du bist gut und edel!

      Sophie, mein Henkersmädel,

       komm, schau mir in den Schädel!

       Die Augen zwar,

       sie fraß der Aar –

       doch du bist gut und edel!

      Nein!

       Inhaltsverzeichnis

      Pfeift der Sturm?

       Keift ein Wurm?

       Heulen

       Eulen

       hoch vom Turm?

      Nein!

      Es ist des Galgenstrickes

       dickes

       Ende, welches ächzte,

       gleich als ob

       im Galopp

       eine müdgehetzte Mähre

       nach dem nächsten Brunnen lechzte

       (der vielleicht noch ferne wäre).

      Das Gebet

       Inhaltsverzeichnis

      Die Rehlein beten zur Nacht,

       hab acht!

      Halb neun!

      Halb zehn!

      Halb elf!

      Halb zwölf!

      Zwölf!

      Die Rehlein beten zur Nacht,