wieder aufgedrängt hat.
Es wäre immer sonderbar, dass eine Vorstellung, die, vermöge ihrer kindischen Natur, nur der Kindheit des Menschengeschlechts eignen sollte, sich durch die Reife der Zeiten und der Geister so unwiderstehlich hat hindurchkämpfen können. Aber ich will doch gleich von vorn herein sagen, warum ich es dessenungeachtet richtig finde, sie eine kindliche Vorstellung zu nennen. Weil das Kind nicht fähig ist, die allgemeinen Mächte des Lebens in ihrem gesetzmäßigen, ewig unveränderlichen Wirken zu begreifen, sondern, wo es etwas gewirkt sieht, stets vermutet, dass die Wirkung von dem willkürlich wirkenden Willen irgend einer Persönlichkeit ausgegangen sei.
Der Mensch empfindet zuerst das, was ihm wohl oder übel tut. Er weiß aus Erfahrung, dass er selbst jedem anderen und jeder andere ihm wohl und übel tun kann. Widerfährt ihm nun Gutes oder Schlimmes, dessen Urheber er nicht kennt, so schreibt er dasselbe einem ihm unbekannten Wesen zu oder auch einem anderen Menschen, der aber auf eine ihm verborgene Weise, durch außerordentliche Mittel das Geschehene bewirkt hat. Das eine ist der Glaube an Götter, das andere der Glaube an Zauberkunst.
Der Mensch findet in seinem Geiste den notwendigen Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Ist ihm der Gedanke der Notwendigkeit aufgegangen, so kann er das Gegenteil davon, den Gedanken der Zufälligkeit nicht ertragen. Der Blitz schlägt ein. Notwendig ist, dass der Blitz irgend wohin treffe. Der Mensch begreift aber nicht, warum der Blitz gerade in sein Zelt, in seine Hürde schlägt; zufällig kann dies nicht sein: es muss ihn irgend ein Wesen, dahin geleitet haben.
Die Sonne bewegt sich, geht auf, geht unter, verfolgt regelmäßig ihren Weg. Wohl, so muss in ihr ein Wille sein, welcher sie regiert. Der Mensch findet in sich die Macht des Willens. Er überträgt sein Wesen auf die ganze Natur, sieht in allem und jedem einen frei wirkenden Willen. Alles aber, was wirkt, teilt er in die beiden großen Klassen dessen, was ihm nutzt, und dessen, was ihm schadet, ein. Der gute und der böse Wille, welcher ihm in der Natur erscheint, muss dann, wie des Menschen Wille, sich doch wohl auch menschlicherweise bestimmen, lenken, ändern lassen. Durch Geschenke, durch Bitten gewinnt man der Menschen Herz, erweckt der Menschen Wohltat, wendet ihre Übeltat ab: durch Bitten und Geschenke, durch Gebet und Opfer muss man auf die guten und bösen Geister wirken, welche dem Menschen in der Natur nützen und schaden können.
Der Mensch hat aber auch erfahren, dass sein eigener Wille nicht allmächtig, sondern durch unabänderliche Naturgesetze auf ein gewisses Maß beschränkt ist. Er überträgt auch diese Erfahrung auf den Willen, welchen er in der Natur mächtig glaubt. Der Wille der Geister muss ebenfalls an Gesetze gebunden und in Schranken gebannt sein. Könnte sich der Mensch dieser Schranken bemächtigen, so würde er dadurch auf die Willkür der Geister beschränkend einwirken, sich wohl gar diesen Willen dienstbar machen können. Dazu dienen Sprüche, Zauberformeln, Amulete. Man muss diese kennen, um sie anwenden zu können; ihre Anwendung ist eine Kunst, ihr Besitz ein Vorrecht einzelner Menschen, Zauberer, Schamanen.
Hat der Mensch einmal sein eigenes, geistiges Wesen, den freien Willen den Mächten der Natur, die doch in Wahrheit ohne Wissen und Willen, nur nach dem ihnen einwohnenden Gesetze wirken, beigelegt, so dehnt er auch die Wirksamkeit dieser von ihm mit Willen ausgestatteten Mächte über das ihnen natürliche Gebiet aus, und bezieht ihren Einfluss auf das Gebiet seines eigenen, geistigen Wesens, auf das Gebiet des wirklichen freien Willens. Die Gestirne sind nun nicht mehr bloß lebendige Mächte, Gottheiten und in ihrer Natursphäre wirksam, in welcher sie, z. B. durch ihren Einfluss auf den Ackerbau, sich tätig zeigen, sondern sie reichen auch in das eigentliche Menschenleben hinein und beherrschen alle menschlichen Geschicke. Die Lichtkörper sind nicht bloß da heilsam oder verderblich, wo Licht oder Wärme naturgemäß entscheidet, sie sind nun gut und böse überhaupt; es gibt nun gute und böse, hilfreiche und unheilbringende Sterne; in ihnen kann nun jedes gute und böse, jedes freundliche und feindliche Geschick gelesen werden, und wie ihr ewiges, unwandelbares Wandeln, ist jede Wandlung menschlichen Geschicks unwandelbar. So denkt der Nomade, der wandernde Araber, der seine weiten baum- und wasserlosen Steppen durchzieht, wie der Stern die weite Himmelswüste.
Aber denken Sie sich nun den Menschen, holde Leserin! unter einem ewig heiteren Himmel, in einer üppigen Natur, auf lachenden Gefilden, in einem irdischen Paradiese lebend, wo nur die Nacht mit ihrer Finsternis und ihrem Grauen das Glück des Tages und den Genuss des sonnigen Glanzes und der seligen Fülle unterbricht. Da däucht ihm alles Lebensvolle, Labende und Gute wie die entzückende Helle, und alles Tödliche, Schmerzhafte, Schlimme wie das bange Dunkel. Sanft und gleichmäßig fließt sein Leben dahin; er findet in allem, was es ihm bringt, keine andere Unterschiede, als dass das Süße und Befriedigende mit dem Herben und Glückbeschränkenden, wie Tag und Nacht, wie Licht und Finsternis wechselt. Es sind zwei Reiche, zwei Welten: das Reich des Tages und das Reich der Nacht, die helle und die dunkele Welt. Beide lösen in der Natur wie in dem Menschenleben stets einander ab, beide sind da, gleich mächtig, gleich berechtigt, müssen beide von dem Menschen anerkannt und geehrt werden.
Aber das Menschenherz sehnt sich nach einer beständigen Helle, nach dem Siege des Lichtes über die Finsternis. Nun trägt der Mensch, wie er in der Unschuld seines Denkens nicht anders kann, sein Wesen über auf die beiden unablässig miteinander hadernden Reiche, sieht in dem Licht wie in der Finsternis lebendigen Willen.
Ormuzd, der Geist des Lichtes, ist der Bringer alles Guten, und Ahriman, der Geist der Finsternis, der Bringer alles Bösen. Das ist der einfache Glaube des Feueranbeters (eigentlich des Lichtanbeters) im alten Iran. Wo Ormuzd ein Gutes schafft, ist Ahriman sogleich bei der Hand und schafft ein Arges. Als Ormuzd die erste Wohnstadt des Segens und des Überflusses geschaffen hatte, lehrt das Zendavesta, kam der totschwangere Ahriman und bereitete im Flusse, welcher die Segensstadt tränkte, die große Schlange des Winters; als Ormuzd Herden geschaffen hatte, schuf Ahriman Fliegen, die den Herden Tod brachten; als Ormuzd Dörfer geschaffen hatte, schuf Ahriman böse Reden, verdammliche Zweifel, nagende Armut und vergiftete die Herzen; als Ormuzd verständige und leidenschaftlose Wesen, geschaffen hatte, schuf Ahriman die böse Kunst Magie und streute den verderblichen Samen des stolzen Übermuts aus.
Draußen in der Natur, das erkennt der Mensch wohl, fechten die beiden Reiche ihren Streit nur äußerlich aus, treten nur wechselweise auf die Bühne; aber im Innern des Menschen ist der Schauplatz, wo das Gute mit dem Bösen gleichsam Brust gegen Brust ringt und wo das Gute siegen kann: daher ist der Mensch dazu geschaffen, dass er das Reich