George Sand

Gesammelte Werke


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der sei­ne ei­ge­ne Ein­heit bei al­lem Kampf in sei­nem In­nern fühlt, kann sich un­mög­lich bei dem Ge­dan­ken ei­nes ur­an­fäng­li­chen und nim­mer en­den­den Zwie­spalts be­ru­hi­gen. Weil er die­se bei­den Zu­stän­de, den der Ein­heit und den des Zwie­spal­tes, nicht in sei­nem Den­ken zu­sam­men­brin­gen kann, so stellt er sich ihre Herr­schaft der Zeit nach ge­trennt vor, und meint, es müss­te ur­an­fäng­lich wohl Ein­heit ge­we­sen sein, dann wäre der Zwie­spalt ge­kom­men, aber in die Ein­heit wer­de end­lich al­les zu­rück­keh­ren, und zwar, weil doch der Kampf nun ein­mal ist, durch den Sieg der mäch­ti­ge­ren, der ed­le­ren Par­tei.

      Das ur­an­fäng­lich eine ist das un­be­stimm­te, un­be­greif­li­che We­sen, das was ist, das dunkle Schick­sal, die ewi­ge, lee­re Zeit (Zer­wa­ne Ake­re­ne nann­te dies der Par­se), und aus ihm ent­stammt sind bei­de, Ahri­man und Or­muzd, die bei­de dann wie­der Geis­ter schu­fen, der eine die gu­ten, der an­de­re die bö­sen, um al­les was ist, zu bil­den und zu re­gie­ren.

      Auch über das Wie dach­te man nach, näm­lich wie Or­muzd und Ahri­man wur­den, und man nahm Vor­stel­lun­gen zu Hil­fe, wie sie schon im al­ten In­di­en aus­ge­bil­det wa­ren. Man dach­te sich das Ur­an­fäng­li­che schon als le­ben­di­gen Wil­len, aber noch als Sehn­sucht, und nann­te es Zru­na. Die­ser Gott sehnt sich nach ge­schaf­fe­nen We­sen, nach ei­ner Welt, und harrt tau­send Jah­re, bald in Zwei­feln, ob sich sein Seh­nen er­fül­len wer­de, bald in Ge­bet und Op­fer, in Wunsch und Hoff­nung. Zu wem er be­te­te, wem er op­fer­te, das mach­te sich ver­mut­lich die kind­li­che Art die­ses Fan­ta­sie­rens nicht klar. Ge­nug, aus sei­nen Zwei­feln wur­de Ahri­man, aus sei­nen Wün­schen Or­muzd, die dann im­mer ab­wech­selnd al­les Rei­ne und Un­rei­ne, Gute und Böse schu­fen, Or­muzd die Am­scha­s­pands, die gu­ten Geis­ter, Ahri­man die bö­sen, sei­ne Dews.

      Die­se Geis­ter kämp­fen nun um des Men­schen See­le, und wenn der Mensch rein und des Or­muzd Die­ner bleibt, so ge­langt sei­ne See­le einst an den Ort des rei­nen Lichts und Frie­dens, Groot­man ge­nannt; die Die­ner Ahri­mans je­doch wer­den an den Ort der Schre­cken und der Fins­ter­nis, Duz­akh, ver­sto­ßen. Über jede See­le rich­ten drei To­ten­rich­ter und be­stim­men, ob sie in den Him­mel ein­ge­hen oder in die Höl­le ver­sin­ken sol­le. Doch gel­ten die Höl­len­stra­fen nicht für end­los, weil zu­letzt das Reich des Or­muzd tri­um­phie­ren soll.

      Ob Ahri­man in die­ser se­li­gen Zeit mit Or­muzd Frie­den schlie­ßen und sel­ber an der Freu­de des Lich­tes Teil neh­men, oder ob er gänz­lich mit sei­nem Reich ver­schwin­den wür­de, dar­über konn­te man zwei­fel­haft sein, wenn al­les Üb­ri­ge schon sich für die Vor­stel­lung be­fes­tigt hat­te, und man war wirk­lich zwei­fel­haft. So­siosch, das sag­ten alle, wer­de am Ende der Tage er­schei­nen, der Er­ret­ter, der Be­frei­er; aber er wird den Ahri­man, sag­ten die einen, ver­nich­ten, be­keh­ren, sag­ten die an­de­ren.

      Hier ist also schon Him­mel und Höl­le, hier der Ur­quell des Gu­ten mit dem Ur­quell des Bö­sen im Kamp­fe, der Ur­quell des Bö­sen schon als der Ver­füh­rer der Men­schen vor­ge­stellt: aber man sieht leicht, dass die Fra­gen nach dem Ur­sprung des Gu­ten und Bö­sen, nach dem Zu­sam­men­hang des­sen, was au­ßer­halb des Men­schen, und des­sen, was in sei­nem In­nern gut und böse, und nach der Lö­sung des Rät­sels, wie der arge Zwie­spalt aus der Ein­heit al­les Le­bens sich ent­wi­ckeln konn­te, nicht bis auf ih­ren Grund er­schöpft und zur Lö­sung ge­bracht sind. Dies konn­te nicht ge­sche­hen, wo die Men­schen sich ein­mal dar­an ge­wöhnt hat­ten, das Dop­pel­reich des Lich­tes und der Fins­ter­nis als vor­han­den zu den­ken und an fei­nem Da­sein kei­nen An­stoß zu neh­men.

      An­ders muss­te es wer­den, wenn die­sel­be An­sicht Ein­gang fand in ein Ge­biet mensch­li­cher An­schau­ung, auf wel­chem der Geist den Ge­dan­ken er­fasst und sich zum si­che­ren Ei­gen­tu­me ge­macht hat­te, dass in al­lem was ist, eine ei­ni­ge, ein­zi­ge Macht wirk­sam, dass der al­lei­ni­ge Gott Schöp­fer und Herr des Alls sei. Nun erst tritt die Fra­ge nach der Mög­lich­keit des Bö­sen in ih­rem gan­zen Erns­te her­vor. An­fangs, be­vor das Nach­den­ken tiefer ein­drang, konn­te man sich da­bei be­ru­hi­gen, dass man an­nahm, das Böse sei nur des Men­schen Trotz ge­gen Gott und Ab­fall von Gott, zu sol­chem Trotz und Ab­fall sei der Mensch ver­führt wor­den.

      Von wem? Wer ist die Schlan­ge, wel­che Eva über­lis­tet? Man wuss­te es nicht, man be­dach­te dies noch nicht; es war fürs Ers­te schon be­frie­di­gend für den Geist, dass er den Fund ge­tan hat­te, das Böse als Ab­trün­nig­keit in Fol­ge der Ver­lo­ckung zu be­grei­fen. Aber wei­ter dach­te man: nicht al­les Böse kommt aus dem Her­zen des Men­schen, viel Un­heil tritt von au­ßen her an die­sen, und Stra­fe Got­tes kann nicht al­les Un­heil sein, denn lei­den muss auch der Ge­rech­te. Wohl, was nicht Stra­fe ist, das ist Ver­su­chung, Prü­fung, wel­che Gott über den Men­schen ver­hängt, des­sen freie An­häng­lich­keit und Ver­eh­rung er be­gehrt.

      So ist der Ver­su­cher im Bu­che Hiob Got­tes Die­ner, der Sa­tan ist mit­ten un­ter den Kin­dern Got­tes; der Herr fragt ihn aus­drück­lich: hast du nicht Acht ge­habt auf Hiob, mei­nen Knecht? und er spricht nach­her zu ihm: sie­he, al­les was Hiob hat, sei in dei­ner Hand, nur an ihn selbst lege nicht Hand. Aber bei der letz­ten Ent­schei­dung, wel­che Gott im Bu­che Hiob über sein Ver­häng­nis gibt, näm­lich dass al­les nach der Will­kür des Herrn er­ge­he, mit dem kein Mensch zu rech­ten sich un­ter­fan­gen dür­fe, weil al­les was un­ter den Him­meln, Got­tes Werk und Ei­gen­tum (Hiob 41,2), mit die­ser Ent­schei­dung konn­ten sich die Men­schen auf die Län­ge nicht be­ru­hi­gen: sie er­war­te­ten von ih­rem Gott Ge­rech­tig­keit, kei­ne Will­kür, und Lie­be, kein Be­dräu­en und schreck­li­ches Of­fen­ba­ren sei­ner Macht.

      Sie frag­ten, wie Al­bert in un­se­rem Tex­te fragt: wie konn­te die höchs­te Voll­kom­men­heit das Übel, wie das höchs­te Wis­sen die Lüge, wie die Lie­be den Hass er­zeu­gen? Nur durch Ab­fall war es mög­lich. Aber konn­te man sich den­ken, dass der Mensch ur­sprüng­lich gut ge­schaf­fen und in der Hand des gu­ten Got­tes ste­hend von Gott ab­fie­le? Nim­mer­mehr. Ein an­de­rer Geist muss­te dazu in ihm mäch­tig ge­wor­den sein, als Got­tes Geist.

      Die­ser an­de­re Geist, der Wi­der­sa­cher Got­tes, der Ver­füh­rer des arg­lo­sen Men­schen, den man sich nicht mehr über­re­den konn­te als ein Werk­zeug Got­tes zu den­ken, muss ein ge­fal­le­ner En­gel sein; denn ur­an­fäng­lich, ein dem Gu­ten ent­ge­gen­ge­setz­tes Prin­zip konn­te er nicht sein, weil von An­fang an nur Gott ist, der al­les aus dem Nichts her­vor­ge­ru­fen. Was man dem Men­schen nicht zu­trau­te, trau­te man ei­nem En­gel zu; der Mensch hät­te nicht fal­len kön­nen, wie konn­te ein En­gel fal­len? Man er­wog die Schwie­rig­keit nicht, man war zu­frie­den, sich durch Sa­t­ans Ab­fall den Ab­fall des Men­schen er­klärt zu ha­ben.

      Die­ser ge­fal­le­ne En­gel ist Sa­tan im Neu­en Te­sta­ment, wo sich nur die Vor­stel­lung der da­ma­li­gen Ju­den wie­der­holt, nichts durch das Chris­ten­tum neu be­grün­de­tes. Die Of­fen­bar. Joh. be­lehrt uns (12, 7ff.): »Es er­hob sich ein Streit im Him­mel. Mi­cha­el und sei­ne En­gel strit­ten mit dem Dra­chen, und der Dra­che stritt, und sei­ne En­gel, und sieg­ten nicht. Es ward aus­ge­wor­fen die alte Schlan­ge, der Teu­fel und Sa­ta­nas, der die gan­ze Welt ver­führt, und ward ge­wor­fen auf die Erde, und sei­ne En­gel wur­den auch da­hin ge­wor­fen … Da­rum freu­et euch, ihr Him­mel, weil der Ver­klä­ger un­se­rer Brü­der ver­wor­fen ist, der sie ver­kla­get Tag und Nacht vor Gott … Aber wehe de­nen, die auf Er­den