denn sie drückten in mystischen, tiefsinnigen Formeln die Gedanken seiner Erhöhung und zukünftigen Herrschaft über das Menschengeschlecht aus, das nur zu lange schon gleich ihm entherrlicht, erniedriget und verleumdet worden war …
Ich ermüde Sie aber ohne Zweifel mit dieser Auseinandersetzung. Liebe Consuelo, verzeihen Sie es mir! Man hat mich Ihnen als den Antichrist und als einen Anbeter des bösen Geistes geschildert, ich wollte mich rechtfertigen und Ihnen zeigen, dass ich ein gut Teil weniger abergläubisch bin als Jene, die mich verklagen.
– Sie ermüden mich nicht, antwortete Consuelo mit einem sanften Lächeln und ich freue mich sehr, dass ich mich nicht dem bösen Feind verschworen habe, indem ich mich der Formel der Lollarden bediente.
– Ich finde Sie ja ganz unterrichtet über diesen Punkt, versetzte Albert. Und er fuhr nun fort, ihr den tieferen Sinn der großen Wahrheiten aufzuschließen, welche die Sophisten des Katholicismus ketzerisch nannten und unter harten, treulosen Beschuldigungen und Verdammungsurteilen begruben. Er geriet immer mehr in Feuer, indem er ihr die Studien, den Gedankengang und die hochfliegenden Träume schilderte, welche ihn selbst in einer früheren Zeit, die er für entfernter hielt als sie es wirklich war, zum Ascetismus und Aberglauben geführt hätten.
Durch die Bemühung, dieses Bekenntnis deutlich und einfach abzulegen, gelangte er zu einer außerordentlichen Klarheit seines Geistes, sprach über sich mit einer Aufrichtigkeit und Urteilsfähigkeit, als ob es sich um einen Dritten gehandelt hätte und strafte die Verirrung und die Hinfälligkeit seines eigenen Verstandes, als ob er seit langer Zeit von dergleichen Anfällen hergestellt gewesen wäre. Er sprach mit einer solchen Schärfe des Bewusstseins, dass, abgesehen von der Schätzung des Zeitmaßes, die ihm für sein gegenwärtiges Leben zu fehlen schien (denn er tadelte sich, dass er ehemals für Ziska, Wratislaw, Podiebrad und andere Verstorbene sich angesehen habe, ohne zu ahnen, dass er noch eine halbe Stunde zuvor in denselben Wahn verfallen war) Consuelo nicht umhin konnte, in ihm einen überlegenen, aufgeklärten und den kenntnisreichsten und denkendsten Menschen von allen, denen sie noch begegnet war, zu erkennen.
Die Aufmerksamkeit und Spannung, womit sie ihm zuhörte, der helle Verstand, der in den großen Augen dieses lernbegierigen, mit Fassungskraft und Sinn für jeden hohen Gedanken begabten Mädchens blitzte, trieben Rudolstadt zu einer allmählich immer lebendigeren Anschauung und Überzeugung von dem was er sagte, fort, und seine Beredsamkeit wurde immer ergreifender.
Nach einigen Einwürfen, welche er glücklich zu beantworten wusste, dachte Consuelo an nichts mehr, als die ihr natürliche Wißbegierde zu befriedigen, und dieser Trunkenheit der Bewunderung zu genießen, die ihr Albert abgewann. Sie vergaß alles, was sie den Tag über aufgeregt hatte, alles, Anzoleto, Zdenko, die Gebeine vor ihren Augen. Sie war wie bezaubert, und der fantastische Ort, an welchem sie sich befand, mit seinen Cypressen, seinen düsteren Felsen, und dem schauerlichen Altar, erschien ihr im zitternden Lichte der Fackeln wie ein magisches Paradies, in welchem hohe, feierliche Gestalten auf und nieder wogten. Sie versank, obgleich wach, in eine Art Erstarrung aller Kräfte des Bewusstseins, welche sie ein wenig zu sehr für ihre erregbare Fantasie in Anspannung erhalten hatte.
Sie hörte nicht mehr was Albert sprach, sondern in Wonnen der Verzückung schweigend, hing sie dem Bilde dieses Satans nach, den er ihr als einen großen verkannten Gedanken vorgestellt hatte und den ihre künstlerische Seele sogleich als eine schöne, bleiche, leidende Gestalt anschaute, der Christi ähnlich und sanft zu ihr, einem Kinde des Volkes, einem verstoßenen Kinde der allgemeinen Familie niedergebeugt.
Plötzlich bemerkte sie, dass Albert nicht mehr mit ihr sprach und ihre Hand nicht mehr in der seinigen hielt, dass er nicht mehr neben ihr saß, sondern zwei Schritte von ihr, vor dem Schädelaltare stand und auf seiner Geige die seltsamen Weisen spielte, welche sie schon früher ergriffen und entzückt hatten.
Ende des vierten Teils.
Anmerkung des Übersetzers
über die Entwicklung der Vorstellungen vom Teufel.
George Sand schreibt nur für Leserinnen; wenigstens redet George Sand immer, wenn er sich an seinen Leser wendet, die Leserin an. Ich erschrecke; denn ich habe schon wieder die Feder angesetzt zu einem – gelehrten Exkurse. Gütige Leserin, Verzeihung! Es ist so leicht, diese Anmerkung zu überschlagen: sie ist ja nicht umsonst in Petit gesetzt. Aber ich kanns nun einmal nicht lassen, wenn solche Sachen vorkommen, die gleichsam in mein Fach einschlagen, ein wenig mit drein zu reden. Und zum Dank für sonstige Bemühung und guten Willen mögen Sie mir immerhin das unschuldige Vergnügen gönnen, freundliche Leserin, etwas zu schreiben, was Sie nicht zu lesen brauchen, weil Sie ja schon aus der Überschrift ersehen, was Sie zu erwarten haben.
Sie merken übrigens – es hülfe ja nichts, nicht ehrlich sein zu wollen – dass ich mir vorstelle, wie Sie, trotz der Überschrift, doch ein wenig in die ersten Zeilen hineingucken und dass ich im Stillen mir schmeichle, Sie sacht noch ein Stückchen vorwärts zu locken. Glückt das, so entschuldige ich mich weiter so:
Eingelassen hat sich unser Verfasser nun einmal auf die höchsten und tiefsten Fragen und hat versucht, die im Verlaufe der Zeiten entstandenen Lösungen derselben geschichtlich zu entwickeln und aus den Eigenheiten der Menschennatur zu erklären. Wessen Geist sich dadurch angereizt fand, sollte der nicht Lust haben, auch noch etwas tiefer einzudringen?
Albert fuhr fort, hieß es oben im Texte, seiner aufmerksamen Zuhörerin den tiefen Sinn der Wahrheiten, die man Ketzerlehren genannt hat, aufzuschließen. Sollte nicht manche wissbegierige Consuelo unter unsern Leserinnen sein, welche bedauert, dass es dem Verfasser nicht gefiel, auch das, was Albert weiter sagte, wirklich mitzuteilen?
Doch, wie dem sei, George Sand hat den Teufel an die Wand gemalt: es wundere sich daher niemand, dass er den Hals jetzt auch user den Rahmen hinausreckt.
Es ist wahr, dass der Teufel eine monströse Schöpfung Gottes wäre, wenn Gott ein Wesen geschaffen hätte, um die göttliche Arbeit, über die sich Gott, laut der Genesis, freute, weil sie so gut war, zu verderben. Aber woher kommt denn doch das Übel und das Böse, wenn Gott alles gemacht hat, und Gott über alles Macht hat, und, weil er vollkommen gut ist, nur Gutes machen und dulden kann? So gar leicht ist nicht da herauszukommen; denn hat das Gute seine Ursache,