ihr habt euere Freude daran gehabt?
– Sie hat mir an’s Herz gegriffen, sie hat mir Tränen entlockt; und mit so einfachen Mitteln, mit so ungesuchten Effekten, dass ich bis heute keine Ahnung von der Möglichkeit hatte. Übrigens habe ich mich der Worte erinnert, die ihr mir beim Unterrichte in euerer göttlichen Kunst so oft wiederholt habt, teurer Meister! und zum ersten male habe ich deren Wahrheit begriffen.
– Was habe ich euch denn gesagt? versetzte der Maestro, indem sein Gesicht glänzte.
– Ihr habt gesagt, erwiderte der Graf, das Große, Wahre und Schöne in den Künsten ist das Einfache.
– Ich sagte euch aber auch, dass wir das Brillante, das Gewählte, das Kunstreiche haben, Eigenschaften denen man unter Umständen ebenfalls die Achtung und den Beifall nicht versagen kann?
– Ohne Zweifel. Jedoch zwischen diesen untergeordneten Eigenschaften und den wahrhaften Offenbarungen des Genius ist ein Abgrund, sagtet ihr. Wohlan, teurer Meister! euere Sängerin steht auf der einen Seite, sie ganz allein, und alle die anderen stehen drüben.
– Wahr, bemerkte der Professor sich die Hände reibend, wahr und gut gesagt!
– Sie heißt? nahm wieder der Graf das Wort.
– Wer? fragte boshaft der Professor.
– O, per Dio Santo, jene Sirene, oder vielmehr der Erzengel dessen Gesang ich hörte.
– Und was liegt denn an ihrem Namen, Herr Graf? sagte Porpora mit strengem Tone.
– Und warum wollt ihr aus diesem Namen ein Geheimnis machen, Herr Professor?
– Ich werde euch sagen: warum, sobald ihr mir gesagt haben werdet, weswegen ihr so hitzig seid, ihn zu erfahren.
– Ist es nicht ein sehr natürliches und in der Tat unwiderstehliches Gefühl, welches uns antreibt das zu kennen, zu nennen, zu erblicken, was unsere Bewunderung erregt?
– Sehr wohl, das ist aber nicht euer einziger Beweggrund; erlaubt mir, teuerer Graf, euch hierin Lügen zu strafen. Ich weiß wohl, ihr seid ein großer Musikfreund und ein Kenner, aber ihr seid daneben auch der Eigentümer des Theaters San Samuel. Es ist euer Interesse und noch mehr der Ruhm, den ihr darein setzet, die besten Talente und die schönsten Stimmen Italiens heranzuziehen. Ihr wisset wohl, dass bei uns die gute Schule ist, dass nur bei uns die strengen Studien gemacht und die großen Sängerinnen gebildet werden. Die Corilla habt ihr uns schon weggefischt, und da sie euch vielleicht nächstens durch ein anderweitiges Engagement wieder weggenommen wird, so streicht ihr um unsere Schule herum und spüret, ob wir nicht wieder so eine Corilla haben, die ihr dann auf dem Sprunge steht, uns wegzuschnappen. Dieses ist die Wahrheit, mein Herr Graf! bekennen Sie, dass ich die Wahrheit gesagt habe.
– Und wenn auch, teurer Maestro, entgegnete der Graf lächelnd, was tut das und was für Übles findet ihr darin?
– Was für Übeles? Ei, ein sehr großes, Herr Graf! Ihr verführt, ihr verderbt diese armen Geschöpfe.
– Holla, wie meint ihr das, toller Professor? Seit wann habt ihr euch denn zum Pater Guardian dieser brechlichen Tugenden gemacht?
– Ich meine das, wie es recht ist, Herr Graf, und ich kümmere mich nicht um ihre Tugend und nicht um ihre Brechlichkeit: aber ich kümmere mich um ihr Talent, das ihr auf eueren Theatern verbildet und zu Grunde richtet, indem ihr sie gemeines und geschmackloses Zeug singen lasset. Ist es nicht ein Jammer und eine Schande, diese Corilla, die auf dem besten Wege war, die ernste Kunst großartig zu erfassen, diese Corilla von dem Heiligen zum Profanen, vom Gebet zu den Possen, vom Altare zu den Brettern, vom Erhabenen zum Lächerlichen, von Allegri und Palestrina zu einem Albinoni und dem Bartscherer Apollini herabsteigen zu sehen?
– Somit schlagt ihr es mir aus Rigorismus ab, dieses Mädchen zu nennen, auf welches ich gar nicht einmal Absichten haben kann, da ich ja nicht weiß ob sie die übrigen für das Theater notwendigen Eigenschaften besitzt?
– Ich schlage es euch rund ab.
– Und ihr meint wirklich, dass ich sie nicht entdecken werde?
– Leider! entdecken werdet ihr sie, wenn ihr es euch vorsetztet: aber ich werde mein Möglichstes tun, um zu verhüten, dass ihr sie uns entreißet.
– Wohlan, Meister, halb seid ihr schon besiegt: denn euere geheimnisvolle Göttin habe ich gesehen, habe ich erraten, habe ich erkannt.
– So? sagte der Maestro mit einer zweifelnden und zurückhaltenden Miene, seid ihr euerer Sache auch gewiss?
– Meine Augen und mein Herz haben sie mir verraten, und um euch zu überzeugen, will ich euch ihr Bild entwerfen. Sie ist groß gewachsen: sie ist, glaub’ ich, die größte von allen euern Schülerinnen; sie ist weiß wie der Schnee von Friaul und rosenwangig wie der Morgenhimmel eines heiteren Tages. Sie hat Haare von Gold, Augen von Azur, eine liebliche Körperfülle und am Finger trägt sie einen kleinen Rubin, der meine Hand streifend mich in Flammen gesetzt hat wie ein magischer Funke.
– Bravo, rief Porpora, spöttisch lächelnd. In diesem Falle habe ich euch nichts zu verheimlichen. Euere Schönheit ist – die Clorinde. Geht doch hin und macht ihr euere verlockenden Anträge. Bietet ihr Gold, Diamanten, Putz. Ihr werdet sie ohne Mühe für euere Truppe gewinnen, und sie wird euch auch wohl die Corilla ersetzen können. Denn euer heutiges Theaterpublikum zieht ja ein paar schöne Schultern einer schönen Stimme, und ein paar herausfordernde Augen einem gebildeten Geiste vor.
– Sollte ich mich getäuscht haben, lieber Meister? fragte der Graf ein wenig irre geworden: wäre die Clorinde nichts weiter als eine gemeine Schönheit?
– Und wenn nun meine Sirene, meine Göttin, mein Erzengel, wie ihr sie zu nennen beliebt, nichts weniger als schön wäre? versetzte der Maestro boshaft.
– Wenn sie missgestaltet wäre, so will ich euch bitten, sie mir niemals zu zeigen; denn mein schöner Traum wäre zu grausam zerstört. Wäre sie aber bloß hässlich, so wäre ich imstande, sie immer noch anzubeten; nur für das Theater würde ich sie dann nicht engagieren, denn Talent ohne Schönheit ist nicht selten für ein Weib ein Unglück, ein Kampf, eine Marter. Wonach seht ihr, Maestro, und weshalb bleibt ihr stehen?
– Hier ist der Platz, wo die Gondeln halten, und es ist keine da. Aber ihr, Graf, worauf heftet ihr euere Blicke?
– Ich sehe nur, ob nicht der Bengel da, der auf den Stufen der Anlände neben einem kleinen, ziemlich hässlichen Mädchen sitzt, mein Schützling Anzoleto