Greg F. Gifune

JUDAS GOAT


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kleinere Arbeiten auf dem Grundstück erledigt und Holz für sie hackt. Als Gus eines Morgens zu ihrem Haus kam, sah er durch ein Fenster die Leiche. Tragischerweise war sie da schon ein paar Tage tot.«

      »Hatte sie denn hier keine Freunde?«

      »Sie hat sich ganz gut mit Meredith Kemp verstanden. Ihr Grundstück liegt dem Haus am nächsten, aber soviel ich weiß, war sie die einzige Person, mit der sie regelmäßig Kontakt hatte. Sie blieb offenbar gern für sich und verließ das Haus nur selten.«

      »Sie sagten, dass ihr Leichnam nach Massachusetts überführt worden ist.”

      »Es war ihr letzter Wille, dass sie dorthin zurückgebracht wurde, wo sie in einer vor einigen Jahren gekauften Familiengruft beerdigt wurde. Die Einzelheiten zum Friedhof, zur Gruft usw. finden Sie ebenfalls in Ihren Unterlagen.« Er ordnete die Papiere und schob dann einige Formulare über den Schreibtisch. »Später habe ich noch einen Termin in der Stadt, aber wenn Sie möchten, würde ich Sie gern zum Haus fahren. Sie können dann einfach hinter mir herfahren. Das ist leichter, als wenn ich Ihnen den Weg dorthin beschreibe, denn das Haus liegt in einer recht abgelegenen Gegend.«

      »Danke.«

      »Bevor wir gehen, muss ich mich allerdings noch um die Erledigung von ein paar Sachen kümmern.« Kinney nahm daraufhin einen teuren Goldstift aus einem Halter auf dem Schreibtisch und reichte ihm diesen. »Wenn Sie den Scheck einlösen oder das Geld irgendwo hin überweisen wollen … die Bank, auf die der Scheck ausgestellt ist, ist nur wenige Meter von hier entfernt. Und vergessen Sie nicht, bei Harrys wegen der Kerzen und Lampen anzuhalten.«

      »Harrys«, murmelte Lenny, »ja, richtig.« Er nahm den Stift entgegen.

      Vor nicht allzu langer Zeit war Sheena genau in diesem Büro gewesen und hatte wahrscheinlich genau auf diesem Stuhl gesessen, während sie mit Kinney ihr Testament besprochen hatte, und während dieser ganzen Zeit hatte sie an Lenny gedacht und tatsächlich geplant, alles, was sie hatte, ihm zu vermachen, sollte ihr etwas zustoßen. Und dann war ihr etwas zugestoßen – und zwar nicht Jahre, sondern nur Monate später.

      Es war einfach zu sonderbar, um ein bloßer Zufall zu sein.

      Lenny schaute auf die Papiere und damit auf alles, was noch von ihr übrig geblieben war und jetzt ordentlich gestapelt vor ihm lag. »Hat Sheena denn irgendetwas über mich gesagt?«, fragte er leise.

      »Sie sagte, Sie wären ein alter Freund.«

      »Sonst noch etwas?«

      »Nein, Mr. Cates, sonst nichts.« Im Büro wurde es jetzt still. Lenny saß da und starrte auf die Zeile, wo er unterschreiben sollte; der Stift schien über ihr festgefroren zu sein. »Ich weiß, dass es schwierig ist«, meinte Kinney schließlich. »Wahrscheinlich haben Sie ein schlechtes Gewissen wegen des Erbes. Aber denken Sie einfach daran, dass Mrs. McElroy gewollt hat, dass Sie diese Dinge bekommen. Sonst hätte Sie sich nicht so entschieden.«

      Das stimmt, dachte Lenny und unterschrieb schließlich.

      Die Frage war nur warum.

      ***

      Mit einem kleinen Papierpacken und einem Scheck über knapp fünfzehntausend Dollar verließ Lenny das Büro des Anwalts und ging direkt zur Bank. Nachdem er sich von der Kassiererin zweitausend Dollar in kleinen Scheinen hatte auszahlen lassen, bat er sie, das restliche Guthaben auf sein Girokonto in New York zu überweisen. Bei seinem Halt am Eisenwarenladen kaufte er einige Kerzen, ein Päckchen Streichhölzer, zwei Sturmlaternen, eine Kühlbox und ein batteriebetriebenes AM/FM-Radio. Von hier aus setzte er seinen Einkauf im Gemischtwarenladen fort: ein bisschen Aufschnitt, ein Laib Brot, eine große Tüte Kartoffelchips, Senf, ein Kasten Wasser und ein paar Beutel Eis zum Kühlen.

      Lenny lud alles in den Kofferraum des Impala und fuhr anschließend zum Spirituosenhändler, wo er eine Flasche Jack Daniels, einen Sechserpack Bud Bier, eine 2-Liter-Flasche Pepsi, eine Stange Camel Lights, eine Handvoll Schokoladenriegel, Kaugummi und einen Slim Jim, der fast so lang wie ein Zollstock war, kaufte.

      Als er auf dem Bürgersteig zu seinem Auto zurückging, wurde er von einem Mann, der an der Seite des Versicherungsgebäudes lehnte, angesprochen: »Können Sie mir vielleicht Feuer geben?«

      Lenny blickte ihn an und nickte, während er im Mantel nach seinem Feuerzeug suchte. Er reichte es ihm und bemerkte dann, während er in die dunklen Sonnenbrillengläser des Mannes schaute, dass er diese Person schon vorher irgendwo einmal gesehen hatte.

       Anfang zwanzig … groß und schlank … dunkle Haare … Spitzbärtchen … ganz in schwarz gekleidet …

      Der Mann zündete seine Zigarette an und gab ihm das Feuerzeug zurück. »Danke.«

      Und dann dämmerte es ihm plötzlich. Lenny war sich sicher, dass dieser Mann am Abend zuvor in dem Imbiss am Flipperautomaten gespielt hatte.

      Sobald er wieder an seinem Auto angekommen war, packte er die Tasche des Spirituosenhändlers zu den anderen Einkäufen in den Kofferraum und schaute dann erneut zu dem Mann in Schwarz hinüber. Er lehnte noch immer an dem Gebäude, rauchte seine Zigarette und starrte die Straße hinunter, als fasziniere ihn irgendetwas in der Ferne. Lenny folgte seinem Blick, aber er konnte, abgesehen von dem ganz Alltäglichen, nichts besonders Interessantes erkennen. Ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn; etwas, das mit diesem Knaben zu tun hatte …

      »Alles erledigt?«

      Lenny drehte sich um und sah Kinney am Bürgersteigrand neben einem riesigen Geländewagen stehen; sein Atem stieg in Wolken nach oben.

      »Alles in Ordnung, Mr. Cates?«

      »Jaaa, ich …« Lenny schaute zum Gebäude zurück, aber der Mann war verschwunden.

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