Dominic Multerer

Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein


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der Aufstieg aus? Welches sind die besten Monate zum Gipfelsturm? Wie sieht das Wetter dann aus? Wie ist die Umgebung beschaffen? Ist der Fels brüchig oder ist er fest? Wie sieht es mit Eis und Schnee aus? Dazu kommen Fragen zum Material: Seile, Schuhe, Verpflegung, Haken, Rucksack usw. Weiter war entscheidend: Wer geht mit, passt das, ist das Team fit und motiviert? Bevor Steve zu einer Bergexpedition startet, geht er immer wieder im Kopf die Route durch. Er überlegt sich, wie er im optimalen Fall den Gipfel erreicht und wie viele Tage er dazu benötigt. Als Profi denkt er außerdem über einen Plan B nach. Ein Berg ist trotz aller Planung unberechenbar und der Verlauf einer Bergexpedition nicht immer vorhersehbar. Zum Beispiel kann das Wetter umschlagen. Wenn dann keine Biwakmöglichkeit vorhanden ist, bleibt nur der Abstieg mit der Option, es ein anderes Mal wieder zu probieren. Genau das machen Leute wie Reinhold Messner und Steve Kroeger. Sie machen, sie halten durch, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Wenn »Rückschläge« dazwischenkommen, starten sie erneut.

      Langfristige Strategie entwickeln und loslegen

      Ein Steve Kroeger hätte nie sein auf sieben Jahre angelegtes 7-SUMMlTS-Projekt realisieren können, hätte er nur gesagt: »Das müsste man mal machen!« Dann wäre es bei der Idee geblieben. Der erste Schritt zur Umsetzung war das Bewusstwerden der Idee, das zu seinem Entschluss »Ich mache das« führte. In der bewussten Auseinandersetzung mit der Idee wurden Steve auch die Gefahren bewusst. Um optimal, ohne Verletzung und am besten gleich beim ersten Versuch auf dem ersten der sieben Gipfel zu stehen, musste Steve seinen Weg planen. Er legte sich eine Strategie zurecht, um sein Ziel erfolgreich zu erreichen. Indem er plante, wurde ihm auch die Dimension seiner Entscheidung noch deutlicher. Erst als alle Vorbereitungen erledigt und die Sachen gepackt waren, machte Steve mit seiner Crew den ersten »physischen« Schritt zur Besteigung des ersten Gipfels. Auch beim Aufstieg war er sich bewusst, dass Unvorhergesehenes passieren kann. In welcher Form etwas hätte passieren können, wusste Steve natürlich auch nicht. Er war aber auf das »Eventuelle« gefasst. Und das hätte ihn im Fall der Fälle nicht so arg getroffen wie jemanden, der einfach kopflos losgerannt wäre. Ohne Strategie ist ein Gipfelsturm purer Leichtsinn.

      Rückschläge einkalkulieren und für Verbesserungen nutzen

      Mit diesem Beispiel werden zwei Dinge deutlich: Zum einen muss man zur Realisierung einer Idee den ersten Schritt einfach mal machen. Zum anderen braucht man eine langfristige Strategie. Beim Thema Marke ist das nicht anders. Was also ist Ihr Ziel in zwei Jahren, was ist Ihr Ziel für 2017 und wo möchten Sie 2020 stehen? Wenn ich mich entschließe, mit meinem Fensterputzergeschäft in meinem Ort die Nummer eins zu werden, dann ist das genauso ein Ziel, wie auf dem Gipfel eines Berges zu stehen. Wenn ich also das Ziel habe, der Topfensterputzer in meiner Stadt zu werden, wäre es ebenso unüberlegt, einfach loszulegen, wie unvorbereitet und planlos einen Berg zu besteigen. Vielleicht werde ich nicht durch einen möglichen Steinschlag überrascht, aber auch der Markt kann überraschen. Die Preise können purzeln oder steigen. Die Erwartungen der Kunden können sich ändern. Oder es gibt mehr Fensterputzer auf dem Markt als vermutet. Dies alles sind Stolpersteine, deren ich mir bewusst werden muss, bevor ich einfach loslege.

      Ich werde mir also eine Strategie ausdenken, um mein Ziel zu erreichen. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass es zu Rückschlägen kommen kann. Ein Rückschlag soll jedoch nicht als Einladung zum Aufgeben gesehen werden. Es ist die Ermutigung, weiterzumachen und sich bewusst zu fragen: Wie konnte es zu diesem Rückschlag kommen? Gibt es etwas, was ich übersehen habe? Gibt es etwas, was ich besser machen kann? Das sind schließlich Überlegungen, die zur Marke gehören.

      Eine Geschichte erzählen

      Zur Marke gehört auch die Positionierung: Wie lade ich meine Marke auf? Eine mögliche Antwort: Ich bin der Fensterputzer mit den witzigsten Ideen rund ums Fensterputzen. Wenn ich dahin will, wenn das mein Ziel im Markt ist, dann muss ich mich von allen anderen Fensterputzern abgrenzen. Ich muss anders sein. Ich muss mich klar differenzieren. Das bedeutet, ich wähle bewusst Merkmale, die mich von allen Fensterputzern unterscheiden und klar im Markt kennzeichnen als der witzigste Fensterputzer der Stadt. Damit werde ich bewusst zur Marke.

      Aufmerksamkeit gibt es nur, wenn man Relevanz herstellt

      Das kann schon mit einfachen Mitteln geschehen. Ein punktuelles Beispiel: Ein Fensterputzer hat seine Geschäftskorrespondenz und seine Rechnungen auf sympathische, auffallende Weise verschickt. Er hat sich Gedanken darüber gemacht und sich zunächst die alltägliche Geschäftspost angeschaut. Die ist normalerweise langweilig. Im Regelfall ist es ein DlN-lang-C5/6-Umschlag mit Fenster oder ein A4-Format. Auffällig sind schon farbige Umschläge. Wenn man aber mal ehrlich ist, kann kaum jemand einen Umschlag speziell einem Unternehmen zuordnen. Dieser Fensterputzer hat den Einheitsbrei der Geschäftspost für sich genutzt. Er ließ eine Illustration anfertigen, die einen Fensterputzer bei der Arbeit zeigt, und auf seine Briefumschläge drucken. Der Fensterputzer steht auf einer Leiter, die vom unteren Umschlagrand zum Adressfenster verläuft. Das ist ebenso simpel wie genial und fällt auf. Er hat sich von der üblichen Post differenziert, weil seine Briefe anders sind. Es ist auch ein Stück weit Positionierung. Vorausgesetzt, es ist Teil der Marke, die Basis stimmt und es ist keine Einzelaktion. Es muss zum gesamten Auftritt passen.

      Aufmerksamkeit bekommen ungewöhnliche Aktionen eigentlich fast immer. Es ist dabei egal, ob ich einen Berg besteige oder meine Geschäftspost witzig gestalte. Ich habe bewusst eine Einschränkung gemacht, denn es ist die Frage der »Relevanz«, die ich hier schon mal erwähnen möchte und später im Buch vertiefe. Ich kann eine auffällige Sache machen, werde aber vom Kunden nicht beachtet. Das kann geschehen, wenn sich der Kunde mit anderen Dingen beschäftigt und ich in dem Moment für ihn völlig nebensächlich bin. Dann sind andere Umstände für ihn relevant und ich bin es eben nicht. Auch das muss ich mir bei einer Arbeit bewusst machen und in meiner Planung berücksichtigen.

      Ein Beispiel dazu, was ich meine. Es ist eigentlich schon ein Klassiker. Um Weihnachten kommt alles Mögliche mit der Post. Weihnachtskarten, Kataloge und Wurfsendungen mit der Last-Minute-Empfehlung für Unentschlossene. Ab und an tauchen tatsächlich Werbekarten auf: »Jetzt Osterbestellung aufgeben und fette Rabatte sichern«. Mal ehrlich, man steckt im Weihnachtstrubel, hat Termine und noch abzuwickelnde Aufträge, muss Geschenke für Kunden und Familie besorgen und dann fragt Sie einer nach Ostern?! Sind Sie als potenzieller Kunde überrascht? Vielleicht. Ist der Anbieter in dem Moment für Sie als Kunden relevant, also von Bedeutung? Nein! Werden Sie sich an die Botschaft erinnern? Bestimmt nicht!

      Relevanz kann in vielen Formen auftreten. Das können Komponenten sein wie Entertainment, Informationen oder ein Dialog. Eigenschaften wie Farbe, Material oder Duft können auch zur Relevanz beitragen. Ort, Uhrzeit oder Jahreszeit – auch solche Dinge können von Relevanz sein. Stehen diese Komponenten im »falschen« Zusammenhang zum Inhalt (Content), sind sie unklar oder einfach nur langweilig, beeinflusst das auch die Beachtung.

      Contentziele: unterhalten, informieren oder einen Dialog führen

      Natürlich kommt es auch auf den Inhalt meiner Geschichte an. Wenn jemand auf den höchsten Berg der Welt steigt, dann ist das schon eine Geschichte an sich. Wenn dazu erzählt wird, dass derjenige den jeweils höchsten Berg aller sieben Kontinente bestiegen hat, ist das erst recht Content und erzeugt Aufmerksamkeit. Nicht ganz so spektakulär wären die Reaktionen auf die Briefumschläge des Fensterputzers. Hier spielt eher die Relevanz eine Rolle. Vielleicht finden Sie den Umschlag so interessant, dass Sie ihn Ihrer Sekretärin mit der Bemerkung »Witzige Idee, oder?« zeigen. Beide Beispiele haben eine unterschiedliche, aber gute Geschichte, eine Story.

      Drei Ziele kann ich mit Content verfolgen. Im ersten Fall soll der Inhalt die Leute unterhalten. Im zweiten Fall soll er informieren. Die dritte Möglichkeit ist, einfach einen Dialog zu führen. Ich unterhalte mich mit Menschen. Die angesprochenen Faktoren haben dann zusätzlich noch eine bestimmte Ausprägung. Die Frage ist, wie diese Ausprägung »herausgeschliffen« wird. Das ergibt sich aus der Betrachtung der Zielgruppen: Mit wem führe ich einen Dialog? Mit einem Autofahrer oder einem Radfahrer? Beide Gruppen sind Verkehrsteilnehmer. Der Inhalt meiner Geschichte kann gleich sein. Die Darstellung ist jedoch eine völlig andere. Aber immer geht es um die Wertschätzung! Das wird oft vergessen. Was ich damit meine, kennen Sie aus dem Alltag. Sie treffen jemanden. Der