Оноре де Бальзак

Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band


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ihn zum Kaiser des Orients zu machen. So sind wir denn alle traurig, als wir ohne ihn sind, weil er unsere Freude war. Er überläßt seinen Oberbefehl Kleber, einem großen Frechdachs, der aus der Garde hochgekommen ist und der von einem Aegypter ermordet wurde; den hat man sterben lassen, indem man ihm ein Bajonett in den Hintern stieß, auf welche Weise man dortzulande die Leute guillotiniert. Doch dabei hat man so viel auszuhalten, daß ein Soldat Mitleid mit dem Verurteilten gehabt und ihm seine Kürbisflasche hingehalten hat; und sobald der Aegypter das Wasser getrunken, hat er die Augen mit unsäglichem Vergnügen verdreht. Doch wir wollen uns nicht mit dieser Bagatelle unterhalten. Napoleon setzt den Fuß in eine Nußschale, ein kleines Schiff, absolut ein Nichts, das Fortuna hieß, und im Handumdrehen schifft er trotz England, das ihn mit Linienschiffen; Fregatten und allem, was segelt, blockierte, nach Frankreich; denn er hat immer die Gabe besessen, mit einem Schritt über die Meere zu kommen. War das natürlich? Bah. Sobald er in Fréjus ist, hat er die Beine auch schon in Paris. Dort betet ihn alles an, er aber ruft die Regierung zusammen.

      ›Was habt ihr mit meinen Kindern, den Soldaten, gemacht?‹ sagt er zu den Advokaten, ›ihr seid ein Haufen Tröpfe, pfeift auf die Welt und macht euren Kohl mit Frankreich fett. Das ist nicht recht, und ich spreche für alle Welt, die nicht zufrieden ist.‹

      Da nun wollen sie schwatzen und ihn töten; aber warte nur! Er sperrt sie in ihre Schwatzkaserne ein, läßt sie durch die Fenster springen und regimentiert sie in sein Gefolge ein, wo sie stumm wie die Fische und geschmeidig wie Tabaksbeutel werden. Nach diesem Streiche wird er Konsul; und da er doch wirklich an dem höchsten Wesen nicht zweifeln konnte, erfüllt er dann sein Versprechen dem lieben Gott gegenüber, der ihm so genau Wort hielt; gibt ihm seine Kirchen wieder und richtet seine Religion wieder auf; die Glocken läuten für Gott und für ihn. Nun ist alle Welt zufrieden: primo, die Priester, die dank ihm nicht mehr gequält werden, segondo, der Bürger, der seinen Handel treibt, ohne das rapiamus des Gesetzes, das ungerecht geworden war, fürchten zu müssen; tertio, die Adligen, die er zu töten verhütete, woraus man sich unglücklicherweise eine Gewohnheit gemacht hatte. Aber es gab Feinde hinauszufegen, und er schlief nicht ein über dem Futternapfe, weil sein Auge, müßt ihr wissen, durch die Welt wie durch einen einfachen Menschenkopf hindurchblickte. Dann erschien er in Italien, wie wenn er den Kopf durchs Fenster steckte, und sein Blick genügte. Die Oesterreicher werden bei Marengo wie Gründlinge von einem Walfisch verschluckt. Drauf! Hier hat die französische Viktoria ihre Tonleiter laut genug gesungen, um von der ganzen Welt gehört zu werden; und das hat genügt.

      ›Wir spielen nicht mehr mit!‹ sagen die Deutschen.

      ›Genug davon!‹ sagen die andern.

      Alles in allem: Europa duckt sich, England gibt nach. Allgemeiner Friede, wobei die Könige und die Völker so tun, wie wenn sie sich umarmten. Damals hat der Kaiser die Ehrenlegion erfunden, eine sehr feine Sache, seht ihr!

      ›In Frankreich‹, hat er in Boulogne vor der ganzen Armee gesagt, ›besitzt alle Welt Mut! Also soll die zivile Partei, die glänzende Taten vollbringen wird, Schwester des Soldaten sein, der Soldat soll ihr Bruder sein, und sie werden unter dem Banner der Ehre vereint sein!‹

      Wir, die wir da unten waren, kamen aus Aegypten zurück. Alles war verändert. Wir haben ihn als General verlassen und in einem Nichts von Zeit treffen wir ihn als Kaiser wieder. Meiner Treu, Frankreich hatte sich ihm hingegeben wie ein schönes Mädchen einem Ulan. Als das nun zur allgemeinen Befriedigung, kann man sagen, gemacht war, fand eine heilige Zeremonie statt, wie man sie niemals unter der Himmelskappe gesehen hat. Der Papst und die Kardinäle kamen in ihren goldenen und roten Gewändern eigens über die Alpen, um ihn vor der Armee und dem Volke, die in die Hände klatschten, zu salben. Es ist da übrigens etwas, und ich würde unbillig sein, wenn ich's euch nicht sagte: In Ägypten, in der Wüste bei Syrien, erschien ihm auf dem Mosesberge der ›Rote‹, um zu ihm zu sagen:

      ›Das geht gut!‹

      Dann, bei Marengo, am Abend des Siegs, stellte sich der ›Rote‹ zum zweiten Male vor ihn hin und sagte:

      ›Du wirst die Welt zu deinen Knien sehen und wirst Kaiser der Franzosen, König von Italien, Herr von Holland, Gebieter von Spanien, von Portugal, der Illyrischen Provinzen, Schützer von Deutschland, Retter Polens, erster Adler der Ehrenlegion und alles sein!‹

      Dieser Rote, müßt ihr wissen, war seine eigene Idee; eine Art Bote, der ihm, nach dem, was mehrere sagten, dazu diente, die Verbindung mit seinem Sterne aufrechtzuhalten. Ich, ich habe das nie geglaubt, der Rote ist vielmehr eine wirkliche Tatsache, und Napoleon hat selber von ihm gesprochen und gesagt, daß er in schweren Augenblicken zu ihm komme und im Tuilerienpalaste im Dachstockwerk bleibe. Bei der Krönung hat ihn Napoleon abends zum dritten Male gesehen, und sie berieten sich über vielerlei Dinge. Dann geht der Kaiser geradewegs nach Mailand und läßt sich als König von Italien krönen. Da nun beginnt der wirkliche Triumph des Soldaten. Damals wurde alles, was schreiben konnte, Offizier. Nun gab's Pensionen, und es regneten die Schenkungen von Herzogtümern, Schätze für den Regimentsstab, die Frankreich nichts kosteten, und für die einfachen Soldaten die Ehrenlegion, mit Renten ausgestattet, wovon ich noch meine Pension beziehe. Kurz, da gab es Heere, die gehalten waren, wie man's noch nie gesehen hatte. Der Kaiser aber, der wußte, daß er der Kaiser der ganzen Welt werden sollte, denkt an die Bürger und läßt ihnen nach ihren Ideen Feenmonumente bauen, da, wo nicht mehr Platz war als auf meiner Hand … Nehmt an, ihr kämet aus Spanien zurück, um nach Berlin zu ziehen; gut, ihr würdet Triumphbögen finden mit simplen Soldaten darauf, die schön in Stein gehauen sind, nicht mehr und nicht weniger als Generäle. In zwei oder drei Jahren füllt Napoleon, ohne euch mit Steuern zu belegen, seine Keller mit Gold an, baut Brücken, Paläste, Straßen, Promenaden, veranstaltet Feste, macht Gesetze, Schiffe und Häfen und gibt Haufen von Millionen aus, solche Mengen, daß man mir erzählt hat, er würde Frankreich mit Hundertsousstücken haben pflastern können, wenn ihm die Laune danach gestanden hätte. Dann als er nach seinem Wohlgefallen auf seinem Throne sitzt und so gut Herr des Ganzen ist, daß Europa seine Erlaubnis abwartet, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, sagt er zu uns, da er vier Brüder und drei Schwestern hatte, im Gesprächston im Tagesbefehl:

      ›Meine Kinder, ist es billig, daß eures Kaisers Verwandte die Hand hinhalten? Nein. Ich will, sie sollen leuchten wie ich. Dann ist es dringend notwendig, für jeden von ihnen ein Königreich zu erobern, damit der Franzose Herr des Ganzen, daß die Soldaten der Garde die Welt zittern machen und daß Frankreich spuckt, wohin es will, und daß man zu ihnen sagt, wie auf meinem Gelde steht: Gott schirme euch!‹

      ›Abgemacht!‹ antwortete die Armee, ›man wird dir Königreiche mit dem Bajonett fischen.‹

      Ah! es gab eben nichts, wovor man zurückgewichen wäre! Und wenn er sich in den Kopf gesetzt hätte, den Mond zu erobern, so hätte man sich dazu anschicken, seine Sachen packen und hinaufflattern müssen. Glücklicherweise ist ihm das nie in den Sinn gekommen. Die Könige, die an ihre Thronherrlichkeiten gewöhnt waren, haben sich natürlich am Ohr zupfen lassen; wir aber marschieren los. Wir marschieren, wir gehen und der ganze Schwindel beginnt wieder von neuem, gründlich wie immer. In jener Zeit hat man Menschen und Schuhe abgenutzt! Dann schlug man sich bei unseren Kämpfen so grausam, daß andere wie die Franzosen dessen müde geworden wären. Aber, ihr wißt, der Franzose ist ein geborener Philosoph und weiß, daß er ein bißchen früher oder ein bißchen später sterben muß. Darum starben wir alle ohne ein Wort zu sagen, weil man das Vergnügen hatte, den Kaiser so auf den Erdkarten machen zu sehen. (Da beschreibt der Infanterist flink einen Kreis mit seinem Fuß auf dem Scheunenboden.) Und er sagte: ›Das wird ein Königreich!‹ und es ward ein Königreich. Welch schöne Zeit! Die Obersten wurden Generäle, im Nu war das geschehen, die Generäle Marschälle, die Marschälle Könige. Es gibt noch einen, der obenauf ist, um es Europa zu sagen, obwohl er ein Gaskogner ist und ein Verräter an Frankreich wurde, um seine Krone zu behalten, die nicht vor Scham rot geworden ist, weil die Kronen, seht ihr, aus Gold gemacht sind! Die Pioniere endlich, die lesen konnten, wurden sogar Edelleute. Ich, der ich zu euch spreche, habe in Paris elf Könige und ein Volk von Fürsten gesehen, die Napoleon wie die Strahlen der Sonne umgeben! Ihr versteht wohl, daß jeder Soldat, da er die Aussicht hatte, einen Thron anzuziehen, vorausgesetzt, daß er ihn verdiente, ein Korporal der Garde sozusagen eine Kuriosität war, die man bewunderte, wenn sie vorbeiging, weil jeder an dem Siege seinen Anteil hatte,