wilden schwarzen Jäger mit ihren Sklaven waren durch Chasm-el-Bab, den Eingang der Wüste, in ihr Felsendorf heimgekehrt. Kopfschmerzen, Übelkeiten, wunde Füße und einige sehr rote Striemen waren die Ausbeute des Tages für den Sohn des Steuerinspektors Hagebucher gewesen. Nun lag er stumpfsinnig, lang ausgestreckt, drückte das Gesicht in den Sand, um nichts mehr von dem heillosen Lichte des Tages zu sehen, und war nicht imstande, Protest gegen die fröhliche Jugend, welche im kindlichen Spiel seinen armen Leichnam zum Tummelplatze erwählte, zu erheben. Schrill erklang die Stimme der Madam Kulla Gulla durch das Gequiek der Kleinen, das Schnarchen der Kamele, das Brüllen des Rindviehs, das Schnarren der Kuhhörner und das Triumphlied der Jäger. Die Alten und Weisen unterhielten sich von dem letzten Heuschreckenzuge, und ihrer einige trieben ebenso gut Politik wie die Gevattern nordwärts vom Mittelländischen Meere. Die Feuer zur Bereitung der Nachtkost wurden soeben angezündet – Leonhard Hagebucher hatte selber am Morgen den Kamelmist zusammengetragen – einige Brüllaffen, ein junger Gorilla und zwei Rieseneidechsen waren bereits an die Spieße gesteckt; in einer Stunde war es unwiderruflich Nacht. Es war besser, der Zubereitung des Abendessens in Abu Telfan nicht zuzusehen, man speiste mit viel größerm Appetit; es war besser für den europäischen Menschen, auch die Ohren im Sande zu vergraben, das Stimmen der Instrumente zu dem Konzert, welches den Tag beschließen sollte, war kaum ergötzlich anzuhören. Eine Schildkröte, mit aller geistigen Begabung der Schildkröte und nicht mehr, zu sein – o die Vorstellung eröffnete einen Blick in das Reich der höchsten krönenden Gnade! Die Vorstellung, den Kopf unter die Schale ziehen zu können und nichts zu fühlen, zu sehen und zu denken – diese Vorstellung war zu beseligend, um nicht bitterer zu sein als jener Stern Wermut, der alle Brunnen und Wasserläufe der Erde untrinkbar machte. Dass der Vollmond den Neger betrunken mache, ist zwar noch nicht vollständig erwiesen; was jedoch sämtliche Touristen, Handelsleute, Missionäre und Entdecker von seinen Wirkungen auf die Seelen der unsträflichen Äthiopier erzählen, deutet darauf hin, dass etwas dran sei, und Hagebuchers Erfahrungen traten mit ganzer und klarster Gewissheit für das Faktum ein. Noch lag die feurige Sonnenkugel auf dem westlichen Rande des Tales; erst in einer halben Stunde war’s Nacht, und dann musste der wahre, echte afrikanische Sabbat beginnen – Leonhard Hagebucher dachte mit Schauder daran und begrub seine Stirn zum dritten Mal tiefer in den Sand.
Ein Schuss, der ein hundertfaches Echo in den zerklüfteten Felsentälern weckt! Ein zweites Krachen, das an den roten Berglehnen dahinrollt! Stille im Dorf und Lager und darauf ein gellendes, hundertstimmiges Geschrei und Geheul! Die Männer und Krieger zu den Waffen, die Weiber und Kinder in die dunkelsten Winkel der Hütten oder in die tiefsten Verstecke der Erdhöhlen! Mrs. Lavinia Drawboddy in weiten roten türkischen Hosen, einer weiten gelblichen Flanelltunika und mit einer blauen Drahtbrille auf einer Kamelstute; – Mr. Augustus Montague Drawboddy ganz in gelbem Flanell, mit Revolver, Doppelbüchse, Jagdmesser auf dem merkwürdigsten und zottigsten aller Ponys; – Herr Kornelius van der Mook ebenfalls bewaffnet bis an die Zähne, bärtig, sonnverbrannt, in einem Kostüm, welches dem der englischen Dame an fantastischer Willkürlichkeit nichts nachgibt, auf einem stattlichen Maulesel – ein unendliches, wühlendes, staubaufrührendes, brüllendes, plärrendes, kreischendes, quiekendes, rasselndes, klapperndes, hinten und vorn ausschlagendes, purzelbaumschlagendes Gefolge von Arabern und Affen, Nubiern, Abyssiniern, Schilluks, Baggaras und Dschournegern, von Büffeln, Eseln, Lasttieren aller Art, Käfigen mit jungen Löwen und Tigern, Kasten mit Krokodilen und Schlangen und bunten Vögeln! Halt des Zuges an der Barriere von Abu Telfan; exaltiertestes Verhandeln der Parlamentäre und Dolmetscher – allgemeine Verständigung und wahnsinnigster Jubel! Große gegenseitige Vorstellung von Altengland und Tumurkieland, Mrs. Lavinia Drawboddy und Madam Kulla Gulla; – der Gorilla am Bratspieß und Mr. Augustus Montague Drawboddy in tiefsinniger Betrachtung des Gorillas – Herr Kornelius van der Mook und Herr Leonhard Hagebucher aus Nippenburg, Grand-Duchy of ✳✳✳, German Confederation! – –
»Es war die allerhöchste Zeit, dass er kam, Frau Klaudine«, seufzte der Erzähler in der Katzenmühle. »Noch eine kurze Frist, und er hätte meinethalben ebenso gut wegbleiben können. Einen Tag später, und der Rest wäre die unbefangenste Tierheit, die absoluteste Blödsinnigkeit gewesen; denn was man zehn Jahre ertrug, das mag einem in den ersten Stunden des elften zu viel werden. ›Law, bless me, what a horror!‹ sprach sogar Mrs. Lavinia Drawboddy, als sie die Kuriosität in ihr Reisetagebuch eintrug, und ihr Gatte ging dreimal um mich herum und sagte: ›Wonderful, wonderful!‹«
»O lassen Sie diese Engländer!« rief die Frau Klaudine. »Was sagte der Herr van der Mook? Sprechen Sie mir von diesem; denn er ist’s gewesen, welcher Sie erlöste und Ihnen die Ketten abnahm. Sagen Sie mir alles von ihm – was wollte ich darum geben, wenn ich ihn sehen, den Klang seiner Stimme hören dürfte.«
»Er stolperte über meinen am Boden ausgestreckten Leib, als er die Madam Kulla Gulla zum Stadthaus von Abu Telfan führte, und da er beinahe gleichfalls sich zu Boden gelegt hätte, so entfuhr ihm eine nicht sehr höfliche Redensart, und zwar in deutscher Sprache. Da bin ich aufgefahren und habe ihn ebenfalls deutsch angerufen, und dann kamen mir vor übermächtiger Aufregung meine fünf Sinne für einige Zeit abhanden, und als ich das Bewusstsein wiedererlangte, war der Handel um meine Person bereits im besten Gange; ich aber konnte nichts weiter tun, als den Verlauf der Unterhandlungen in Geduld abwarten. Mr. Augustus Montague Drawboddy, der mehr als mich in seinem Leben taxiert hatte, schätzte meinen Wert auf sechs Schnüre böhmischer Glasperlen, zwei königlich großbritannische ausrangierte Perkussionsmusketen, drei Solinger Faschinenmesser, zwölf Pfund Tabak und sechs Flaschen Rum. Mrs. Drawboddy gestand ein, dass man wohl noch ein Exemplar von Bunyans The Pilgrims Progress zulegen könne, welcher letztere generöse Vorschlag jedoch von Tumurkieland sehr kühl aufgenommen wurde, ja sogar beinahe allen weitern Verhandlungen ein Ende gemacht hätte. Schon zuckte Altengland die Achseln und wandte sich ab, um den eigenen Geschäften nachzugehen, als der Herr van der Mook auf arabisch und in der Lingua franca dartat, dass er außer den beiden angebotenen Flinten noch einige Dutzend gute Büchsen hinter sich habe und es in mancanza d’un accordo amichevole, in Ermangelung eines gütlichen Vergleichs, auf einen Austrag durch Waffengewalt ankommen lassen werde. Übrigens