heiratete, lieber Leonhard, und jetzt will ich Ihnen in drei Worten alle Theorie und Praxis meines Ehestandes exponieren: Fünfunddreißig Jahre lang war ich links um die Ecke gebogen, und vom neunundzwanzigsten September mittags zwölf Uhr und fünfundzwanzig Minuten im sechsunddreißigsten Lebensjahr bis zum Tode meiner guten Therese hatte ich rechtsum zu biegen. Forschen Sie in allen glücklichen und unglücklichen Ehen nach, und Sie werden überall denselben Angelpunkt finden und können sich an ihn halten. Ja, Hagebucher, einmal, nur ein einziges Mal versuchte ich es noch, links abzubiegen: aber ich ließ es bei diesem Versuche bewenden; alle angenehmen Stunden jedoch, welche ich in der Ehe verlebte, hab ich übrigens ihm zu verdanken; denn er lehrte mich erkennen, was der Mann der Frau schuldig ist und dass der Mann der Frau nicht wenig schuldig ist.«
»Wollen Sie damit meine Grundfrage beantworten, teurer Meister?«
»Ja!« sprach der Professor Reihenschlager fest. »Meine Ansicht von den Weibern geht dahin, dass es zwei Arten derselben gibt, unverheiratete und verheiratete, im Verkehr mit welchen dem männlichen Menschen die höchste Vorsicht anzuempfehlen ist. Ich will grade nicht sagen, dass der Herr den, welchen er liebhat, dadurch am ärgsten züchtige, dass er ihn verliebt werden lässt oder gar ihm eine Frau gibt; aber ein gutes Mittel, einen seinen Herrgott erkennen zu lassen, ist es. Übrigens aber glaube ich auch, dass die Damen im Allgemeinen wie im besondern überall einander gleich sind und dass jemand, der im Tumurkielande Achtung gegeben hätte, ebensoviel davon wissen könnte wie der Doktor der Weltweisheit und Professor der orientalischen Sprachen am hiesigen illustren Collegio Augustino, Christian Georg Reihenschlager.«
Leonhard Hagebucher tat jetzt die letzte Frage an den würdigen gelehrten Mann, und sie gab keiner der vorhergehenden an Unverschämtheit etwas nach, sie war sogar frecher als alle:
»Sie haben eine Tochter, Professor; hat diese Tochter, hat Fräulein Serena Sie nicht für manches Erduldete reichlich, überreichlich entschädigt? O sagen Sie mir auch dieses noch, und ich verspreche Ihnen, auf der Stelle mit Ihnen zum Koptischen zurückzukehren.«
Der Professor zog den Afrikaner dicht an sich heran und flüsterte:
»Ja, Hagebucher, sie hat mich entschädigt! Sie ist ein gutes Mädchen; aber sie ist ein Weib und war es von ihrer Wiege an. Da war mein früherer Hausgenosse und Schüler, Ferdinand Zwickmüller, ein guter Junge, welcher sich jetzt in der Nähe von Genf dem internationalen Unterrichtswesen widmet; glauben Sie wohl, dass ich mit blutendem Herzen ihn entlassen musste, um ihn vor dem Verderben zu bewahren? Der Narr war fest überzeugt, er liebe die junge Gans und sie könne nicht ohne ihn leben; aber ich bat mir sein Stammbuch aus, schrieb hinein: Kullu muskirün haram, alles, was trunken macht, ist verboten, gab ihm einen anständigen Wechsel und schickte ihn in die frische Luft. Heute ist er mir sehr dankbar dafür.«
»Wissen Sie das gewiss?« fragte Hagebucher tief nachdenklich.
»Er lässt es in jedem Briefe, den er mir schreibt, durchblicken. Aber kommen Sie jetzt, Freund, es wird kühl; lassen Sie uns in mein Studierzimmer hinaufsteigen.«
Die beiden Herren wendeten sich, verließen den Garten und traten in das Haus. Häslein hinter dem Busch hatte sich längst geduckt und war gleichfalls aus dem Garten verschwunden; aber Hagebucher suchte und fand es noch für einige Augenblicke, ehe er dem Papa die Treppe hinauffolgte; allein ob er nicht besser getan haben würde, es für jetzt sich selber zu überlassen, lassen wir eine offene Frage bleiben.
Dicht neben der Tür des Hauses, welche in den Garten führte, befand sich die Küche des Hauses. Es brannte ein lustiges Feuerchen auf dem Herde, und ein Topf und ein Kessel sangen neben der Glut ihr heimliches Duett und rüsteten sich eben zum Überkochen. Und vor dem Herde, der lustigen Flamme, dem Topf und dem Kessel stand Fräulein Serena Reihenschlager; und die beiden kleinen Händchen, welche sonst wie ein Schwalbenpärchen fort und fort hin- und widerflatterten und zusammentrugen, hatten sich in diesem Augenblicke untätig auf dem Rücken zusammengefunden, hatten ihre Arbeit ganz gründlich eingestellt.
»Ist’s erlaubt, Fräulein Serena, darf man sich ein wenig die Hände wärmen?« fragte der Afrikaner, an den Herd tretend.
Die kleine Hauswirtin wich nach der anderen Seite hinüber und sagte mit einem Blick nach dem Fenster:
»Sie führten ja da eben im Garten eine recht lebhafte Unterhaltung mit dem Papa, Herr Hagebucher; wovon war denn die Rede, wenn man fragen darf?«
Mit kläglichster Miene zog Leonhard die Achseln in die Höhe, als sei er des tiefsten Bedauerns und Mitleids der jungen Dame wie seines eigenen sicher, und seufzte:
»O Gott, nur immer von der koptischen Grammatik – es ist fürchterlich und auf die Dauer nicht auszuhalten!«
Und Topf und Kessel kochten in diesem Moment wirklich über und konnten keinen passendern dazu wählen. Und Feuer und Wasser sagten einander ihre Meinung mit gewaltigem Gezisch, Gesprudel und Geprassel. Es entstand ein mächtiger Dampf, und durch denselben rief Fräulein Serena Reihenschlager:
»Sie haben recht, Herr Hagebucher, es ist wirklich auf die Dauer nicht zu ertragen! Gehen Sie mir aus meiner Küche, Sie Störenfried! Sie haben nicht das mindeste darin zu suchen!«
Hustend und niesend wich der Mann vom Mondgebirge zurück und murmelte, während er die Treppe hinauf dem Professor nachstieg, mehrere Male:
»Kullu muskirün haram!«
Die Leser wissen bereits, was diese Worte in deutscher Zunge bedeuten.
Siebzehntes Kapitel
Dieses ist das siebzehnte Kapitel der wahrhaften und merkwürdigen Historie des Herrn Leonhard Hagebucher, der zwölf Jahre zu Abu Telfan im Tumurkielande in der Gefangenschaft zubrachte, und bittet der Verfasser zu bemerken, mit welch einer außerordentlichen Feinheit er seinen Helden hier dicht vor ein zweites Examen stellt. Dem ersten hatte er sich im fünften Kapitel zu unterziehen und fiel jämmerlich durch.
Die polizeiliche Erlaubnis war erbeten und erteilt worden; der Saal stand zur Verfügung, die Bevölkerung der Residenz und der umliegenden Landschaft war durch das Landesintelligenzblatt sowie einige andere Blätter genügend benachrichtigt worden: Herr Leonhard Hagebucher aus Bumsdorf hatte die Ehre, einem verehrungswürdigen Publiko die erste seiner Vorlesungen über das innere Afrika und das Verhältnis