Maria Czigler Bianca

Fürstenkrone Staffel 8 – Adelsroman


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      Viel zu schnell für Silvias Vorstellungen verließen sie die verträumte Kleinstadt.

      Gerhard lenkte den Wagen in südlicher Richtung, und als sie die Waldstrecke verließen, deutete der Graf auf Schloss Pallenberg, das sich auf einem sanften Hügel erhob.

      »Das ist Pallenberg, das Stammschloss derer von Permont«, erklärte er nicht ohne Stolz. »Früher besaßen wir noch einige Jagdschlösschen, die ich jedoch bis auf eines alle verkauft habe. Heute sind es ausgezeichnete Hotels, in denen man sich zur Jagd oder Erholung trifft.«

      Silvia schloss sekundenlang die Augen. Gerhard musste immens reich sein. Viel reicher, als sie bisher vermutet hatte …

      Auch Maria Santos im Fond des Wagens bekam eine trockene Kehle und räusperte sich. »Bitte, Gerhard, halten Sie doch einen Augenblick lang an. Ich möchte Ihr Pallenberg betrachten.«

      »Wie Sie wünschen.« Der junge Graf stoppte den Wagen. Gerhard kümmerte sich nicht weiter um Maria Santos, die den Fond verließ. Der junge Graf nahm Silvias Hände und küsste sie zärtlich.

      Maria Santos hingegen stand und staunte.

      Zwei mächtige Türme hoben sich klar vom blauen Himmel ab. Ihre Kupferhauben schimmerten in der Sonne, die beiden Wetterfahnen blinkten.

      »Ein fantastischer Anblick«, flüsterte Maria, dann stieg sie wieder in den Wagen.

      Gerhard setzte die Fahrt fort. Nicht ohne Stolz erzählte er von seinen Ahnen, die sich im frühen Mittelalter hier angesiedelt hatten.

      »Heute bin ich froh, dass meine Vorfahren so großzügig geplant haben, denn ich kann meinen Gästen den gesamten Westflügel zur Verfügung stellen. Allerdings werde ich wohl noch einen Aushilfsdiener besorgen müssen, denn der gute alte Otto schafft das alles nicht allein.«

      Die ersten Gebäude, die zum Schloss gehörten, tauchten unter hohen Kastanien auf.

      »Dort drüben sind die Reitställe.« Gerhard deutete mit dem Kinn auf die sauberen Fachwerkbauten mit den hohen braunen Türen. »Ich habe zwar kein Gestüt mehr wie ehedem mein Vater, aber ich halte mir noch ein paar Reitpferde zum Vergnügen.«

      Er verschwieg seinen Gästen, dass seine sieben Vollblutpferde ein Vermögen wert waren.

      Gerhard von Permont lenkte den Wagen um die letzte Biegung. Ein prächtiges Tor, von Efeu umrankt, tat sich vor ihnen auf. Zwei kleine Häuschen flankierten das Tor. In ihnen waren früher die Torwachen derer von Permont untergebracht gewesen.

      Der Graf lenkte den Wagen in den Innenhof und parkte ihn direkt neben der Freitreppe. »Ich bringe euch erst mal ins Haus, denn die Fahrt war sehr anstrengend. Um euer Gepäck wird der Diener sich kümmern.«

      Galant war Gerhard der Frau seines Herzens beim Aussteigen behilflich. Höflich reichte er Silvia den Arm und wartete, bis auch Maria und Marco den Fond des Wagens verlassen hatten. Dann ging er mit ihnen zur Freitreppe. Zwei mächtige Steinlöwen flankierten den Treppenaufgang zum Schlossportal.

      Einem von ihnen legte Gerhard die Hand auf die Mähne. »Sie sind nicht nur als Zierde gedacht«, erklärte der junge Graf. »In der Familienchronik wird erzählt, dass die Grafen von Permont an der Seite ihres Landesfürsten wie die Löwen kämpften. Das war im fünfzehnten Jahrhundert. Seither führen wir die beiden Löwen auch in unserem Familienwappen.«

      Silvia hörte ihm geduldig zu, obwohl sie viel begieriger war, die Innenräume des Schlosses und deren Kostbarkeiten zu sehen.

      Gerhard öffnete das Portal und wandte sich nach links. Er führte seine Gäste durch die Halle zu einem breiten Flur, dessen Decke sich wölbte und mit herrlichen Fresken bemalt war.

      Hinter diesem Flur tat sich eine kleine Halle auf, die bereits zum Westflügel des Schlosses gehörte. »Ich bringe euch zuerst ins obere Stockwerk, in dem eure Zimmer liegen. In zwei Stunden werde ich euch meiner Tante vorstellen, der Gräfin Ludovica von Permont.«

      Dass er keine Eltern mehr hatte, war für Silvia und deren Freunde mehr als angenehm, und diesen Umstand hatte Silvia als erstes in Erfahrung gebracht. Je weniger Verwandte es gab, desto besser würde ihr Plan gelingen!

      »Zwei Stunden?«, fragte Silvia schmollend. »Bitte, Gerhard, drei Stunden brauche ich wenigstens, um mich zu erholen und frisch zu machen. Dafür musst du Verständnis haben.«

      »Dann eben in drei Stunden«, stimmte Gerhard ihr zu. Er küsste ihre Hand und geleitete seine Gäste ins obere Stockwerk. Nachdem er ihnen die fürstlich ausgestatteten Zimmer gezeigt hatte, zog Gerhard sich zurück.

      Jetzt, als er zum Haupttrakt hinüberschlenderte, zeigte sein Gesicht einen nachdenklichen Zug. Für ihn kam nun der schwierigste Augenblick.

      Er musste Tante Ludovica erklären, dass er sich in eine andere Frau verliebt hatte.

      Gerhard blieb stehen und rieb sich das Kinn. Tante Ludovica konnte verflixt unangenehm werden, wenn sich nicht alles nach ihren Vorstellungen entwickelte. Und Ulrike von Menden gehörte nun einmal zu Tante Ludovicas Traum von einer Schwiegertochter.

      »Ich muss doch heiraten, und nicht meine Tante«, sagte Gerhard mürrisch zu sich selbst und ging hastig weiter. Er wollte diese unangenehmen Minuten so schnell wie möglich hinter sich bringen.

      Und wenn Tante Ludovica sich querstellte, dann musste sie eben erleben, dass er ein erwachsener Mann war und seinen eigenen Kopf hatte.

      Als Gerhard die Halle erreichte und einen dunkelhaarigen Mann in gestreifter Weste erblickte, blieb er stehen. »Hallo, wer sind Sie denn?«, rief er dem Diener zu.

      »Ich bin Philip Kant, der Diener«, erwiderte der große schlanke Mann würdevoll und musterte den Neuankömmling genau. Philip war sicher, das Gesicht schon einmal gesehen zu haben, aber wo – daran konnte er sich nicht mehr erinnern. »Und wer sind Sie?«

      »Erlauben Sie mir, dass ich mich vorstelle?«, entgegnete der Jüngere mit gutmütigem Spott. »Gerhard Graf von Permont.«

      »Verzeihen Sie, Herr Graf, aber ich hatte noch nicht …«

      »Schon gut, Philip.« Gerhard winkte ab. »Wo hält meine Tante sich im Moment auf?«

      »Im Kaminzimmer, Herr Graf.«

      »Danke.« Gerhard ging ein paar Schritte, blieb erneut stehen. »Noch etwas, Philip. Wir haben Gäste im Westflügel. Sorgen Sie dafür, dass alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt wird. Am besten sagen Sie Liesel, sie soll sich von heute an mehr für den Westflügel zuständig fühlen. Das Gepäck ist noch draußen im Wagen. Sorgen Sie dafür, dass es in das obere Stockwerk des Westflügels gebracht wird.«

      »Wird sofort erledigt.« Philip verneigte sich leicht und lächelte säuerlich. Mit dem gemütlichen Leben schien es offensichtlich vorbei zu sein.

      Noch bevor der junge Graf das Kaminzimmer erreichte, begegnete ihm Amanda. »Oh, Graf Gerhard. Sie sind wieder im Lande?« Ehrliche Freude leuchtete in ihren Augen auf. Amanda liebte den jungen Grafen, der damals, als sie ihre Anstellung auf Schloss Pallenberg angetreten hatte, gerade sechs Jahre alt gewesen war.

      »Amanda, wie schön, Sie wiederzusehen.« Gerhard ergriff ihre Hand und drückte sie. Eine Spur leiser fragt er: »Wie ist denn Tante Ludovicas Laune?«

      »So – lala«, erwiderte Amanda und senkte ebenfalls die Stimme. »Nach Ihren letzten Anrufen war sie allerdings nicht zu genießen. Sie müssen sie versöhnen, Graf Gerhard. Ich hoffe, Sie haben ihr ein Geschenk mitgebracht?«

      »Habe ich.« Er blinzelte der Zofe zu.

      »Ich werde mir noch früh genug Tante Ludovicas Zorn zuziehen. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Ich habe für Tantchen eine fantastische Spitzen­stola gekauft. Sie ist noch im Gepäck.« Gerhard war froh, das Geschenk nicht vergessen zu haben.

      »Soll ich Sie anmelden?«

      »Ich überrasche Tante Ludovica lieber, Amanda.« Gerhard drehte sich um, klopfte an die Tür des Kaminzimmers und trat ein.

      Tante