jetzt essen«, bemerkte Tini. »Es gibt gute Sachen.«
Steffi sagte nichts. Sie sah ihren Vater nur an. Dann ging sie zu ihm und lehnte ihren Kopf an seinen Arm.
»Du bist doch nicht wieder krank, Papi?«, fragte sie leise.
Veronica entging es nicht, dass er sich jetzt gewaltsam zusammennahm.
»Nein, ich bin nur ein bisschen müde«, antwortete er. »Aber ihr werdet auch müde sein.«
»Will jetzt aber gern noch bei dir bleiben«, plapperte Jill und drückte ihr Näschen an seine Wange. Doch ihr fielen schon fast die Augen zu.
»Wir feiern morgen noch mal nach«, versprach Arndt. »Bedankt euch bei Roni, dass ihr einen so schönen Tag hattet.«
Veronica hörte aus seinen Worten einen tieferen Sinn. Angst schnürte ihr die Kehle zusammen. Wollte er ihr die Kinder nun doch wegnehmen? Wollte er mit ihnen wieder fortgehen von hier? Eine andere Erklärung fand sie augenblicklich nicht für sein Verhalten. Die sollte sie später bekommen, als sie allein waren.
Es dauerte noch eine ganze Zeit, bis es soweit war, denn Jill wollte wenigstens, dass ihr Papi noch bei ihr blieb, bis sie einschlief. Sie musste ihm doch erzählen, was sie alles erlebt hatte an diesem Tag.
Otti und Paul räumten draußen auf, und Veronica betrachtete gedankenverloren den übervollen Geburtstagstisch, als Arndt herunterkam.
Sie erbebte, als er seine Hände um ihre Schultern legte.
»Ich danke dir, dass du Jill einen so schönen Geburtstag bereitet hast, Roni«, sagte er bewegt. »Ich danke dir sehr für alles, was du für die Kinder tust, mein Liebes.«
Sie drehte sich langsam zu ihm um. Sie hatte Angst, in seine Augen zu blicken, weil sie fürchtete, dass er nun das andere sagen würde, das sie für immer trennen könnte. Aber sie las in seinen Augen, die dunkel umschattet waren, nur Liebe.
»Gillian ist vor drei Tagen gestorben«, bemerkte er tonlos. »Es kam sehr überraschend. Heute Morgen war die Beerdigung.«
Es fröstelte Veronica. Heute, an Jills Geburtstag, war sie begraben worden. Sie hatten fröhlich gefeiert, während Arndt an ihrem Grab stand.
Es war nicht der Augenblick, daran zu denken, dass es für sie nun doch noch eine gemeinsame Zukunft geben könnte.
Mit keinem Wort sprachen sie davon.
»Für die Kinder ist sie schon lange gestorben«, sagte Arndt nur, »und für sie war es kein Leben.«
»Bleibst du jetzt hier, Arndt?«, fragte Veronica.
Er legte seine Hände um ihr Gesicht und küsste sie auf die Stirn.
»Ich möchte endlich wieder zu Hause sein«, flüsterte er.
*
Am nächsten Morgen schliefen die Kinder lange, Veronica war früh munter.
Immer wieder war sie in der Nacht aufgeschreckt und hatte sich versucht gefühlt, nach Arndt zu sehen, aber sie hatte diesen Wunsch unterdrückt. Er würde schlafen, ganz bestimmt würde er das, denn er hatte so ausgesehen, als hätte er schon nächtelang keine Ruhe gefunden.
Schnell schlüpfte sie in den Badeanzug und lief leichtfüßig hinaus, über den taufrischen Rasen, dem Wasser entgegen, das kühl und klar bald ihre Füße umspülte.
Ganz leicht wurde es ihr, als sie sich dann, auf dem Rücken liegend, treiben ließ. Es war, als würde alles fortgespült werden, was sie quälte und beunruhigte.
Es war so still, so friedlich und so berauschend schön, diesen neuen Tag mit innerer Ruhe beginnen zu können. Sie konnte wieder träumen.
Es schien zu dem Traum zu gehören, dass Arndt plötzlich neben ihr war, dass seine Hand sich unter ihren Nacken legte. Veronica schloss die Augen.
»Roni«, sagte er voller Zärtlichkeit.
»Es ist schön, dass du da bist«, flüsterte sie.
Es war schön, hier zu sein, bei ihr, die zu jedem Opfer für ihn bereit gewesen war. Er empfand es voller Dankbarkeit.
Sie schwammen dem Ufer entgegen, nebeneinander, sich anblickend und der Hoffnung gewiss, dass das Leben auf sie wartete.
Auf der Terrasse war der Frühstückstisch gedeckt, und die Kinder waren schon versammelt.
»Seid ja schon auf«, rief Jill vorwurfsvoll. »Hast gar nicht auf mich gewartet, Roni.«
»Heute ist Papi die Hauptperson«, sagte Steffi mit einem rätselhaften Blinken in den Augen, denn sie war die einzige gewesen, die Arndt, und Veronica Hand in Hand vom See her hatte herauskommen sehen. Darüber verlor sie kein Wort.
Jill kletterte zu Arndt aufs Knie.
»Jill auch Hauptperson!«, verlangte sie energisch.
»Bist doch schon ein großes Mädchen«, sagte Tini.
»Heute nicht«, meinte Jill. »Will bei Papi sitzen.«
Heute war Arndts Lächeln nicht gezwungen. Weggewischt war der düstere Ausdruck aus seinem Gesicht. Ein neues Leben hatte begonnen.
»Warst ziemlich lange fort«, stellte Tini beiläufig fest.
»Wäre es euch etwa lieber gewesen, wenn Roni fort gewesen wäre?«, fragte er.
»Nein!«, riefen Steffi und Tini wie aus einem Munde.
»Roni geht nicht weg«, schloss Jill sich an. »Bleibt immer da. Ist doch ihr Haus.«
Veronica sah Arndt an.
»Unser Haus«, sagte sie.
Fragend sahen die Kinder sie an. Ihr Gesicht färbte sich dunkel. Es war ihr so herausgerutscht, aber war das nicht verfrüht?
»Hat Papi gekauft?«, fragte Tini naiv.
Steffi schwieg, aber ihre Augen leuchteten wie Sterne.
»Es gehört uns allen«, erklärte Veronica leise.
»Du gehörst uns auch«, sagte Steffi.
»Ist doch meine Roni-Mami«, wisperte Jill. »Will jetzt zu ihr.«
Veronica nahm sie aus Arndts Arm und blickte zärtlich in das süße Gesicht.
»Heiratest du Roni jetzt endlich, Papi?«, fragte Tini.
»Sei doch nicht so vorlaut«, warf Steffi ein. »Alles auf einmal kann man doch nicht haben.«
*
Ein paar Wochen ließen sie noch verstreichen, aber sie waren sich doch einig geworden, dass die Hochzeit noch vor Steffis Einschulung stattfinden sollte. Dann hatte alles seine richtige Ordnung.
Otti war mit diesem Entschluss sehr zufrieden, von den Kindern ganz zu schweigen. Mehr Glück konnte es für sie gar nicht geben, als dass Roni nicht nur ihre Mami, sondern auch Papis Frau sein sollte. Sie mochten es gar nicht, dass man immer noch Fräulein Hellwege zu ihr sagte.
»Und nun können wir endlich auch mal eine Hochzeit mitmachen«, erklärte Tini. »Bambi sagt, dass Hochzeiten so schön sind.«
Noch etwas anderes beschäftigte sie, aber damit wandte sie sich doch lieber an Otti, obgleich sie sonst mit ihren Fragen und Wünschen wahrhaftig nicht hinter dem Berg hielt.
»Meinst du, dass wir auch noch ein Baby kriegen, Otti?«
»Alles hübsch der Reihe nach«, brummte Otti.
»Ich meinte ja der Reihe nach. Erst die Hochzeit, dann ein Baby. Auerbachs haben auch vier Kinder, und Bambis Geschwister sind schon viel größer als wir. Sie ist schon Tante, und ich möchte auch Tante werden.«
»Wenn wir noch ein Baby kriegen, bist du aber nicht Tante, sondern bloß die große Schwester«, wandte Steffi ein. »Beides kann man nicht sein. Tante wirst du erst, wenn ich mal Kinder habe.«
»Liebe