Lisa Simon

Mami Staffel 7 – Familienroman


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den Rücken.

      »Himmel, ich dachte, du wärst ertrunken!« Stephan vergaß sämtliche Formalitäten. »Bist du ein Fisch? Hast du Kiemen?«

      Roberta lachte fröhlich.

      »Nein, ich schwimme nur gern.« Sie drehte sich wieder um und kam mit langen, kraftvollen Bewegungen auf ihn zu. »Du bist nicht so sportbegeistert, nicht wahr?«

      Stephan hob die Schultern.

      »Ich habe zuwenig Zeit«, gab er zu. »Manchmal gehe ich mit einem Freund für ein, zwei Stunden auf den Tennisplatz oder ins Squashcenter, aber meistens sind diese Sportstätten schon geschlossen, wenn ich endlich aus der Agentur komme.«

      Roberta hatte sich ausgetobt. Sie schwamm zum Ufer zurück. Ste-phan, der ihr gefolgt war, sah ihr zu, wie sie sich zurückbeugte, ihr langes Haar zu einem Zopf drehte und es dann mit den Fingern auswrang.

      Ihr Körper war schlank und wohlproportioniert. Alles an ihr war anmutig, sanft und rund. Ste-phan ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wohl sein mochte, diese samtige, von der Sonne getönte Haut zu berühren.

      Als hätte sie seine Gedanken gehört, hielt Roberta mitten in der Bewegung inne, richtete sich auf und sah ihn an. Es war, als würden unsichtbare Magnete die beiden aufeinander zutreiben. Plötzlich standen sie sich gegenüber, ihre Blicke versanken, stellten Fragen, suchten die Antworten darauf…

      Roberta spürte seine Hände auf ihren bloßen Schultern. Die Be-rührung löste Empfindungen aus, die sie schwindelig machten. Die Sehnsucht nach Stephans Lippen, nach seinen heißen, verlangenden Küssen wurde beinahe übermächtig in ihr.

      Als er sie endlich küßte, war es wie eine Explosion, die tief in ihrem Innern stattfand. Eine Fülle an Emotionen überrollte Roberta, sogen sie wie die Wellen der Nordsee mit sich weit hinaus ins offene Meer des Verlangens, dorthin, wo alle Vernunft schweigen mußte.

      Wie von selbst hoben sich ihre Arme und schlangen sich um Ste-phans Schultern. Sie spürte das Spiel seiner Muskeln an ihrem Körper, das Verlangen, das ihre Leidenschaft in ihm weckte.

      Irgendwo in der Ferne schimpfte eine Möwe, die irgendein Raubtier aus ihrem friedlichen Schlummer gerissen hatte. Das empörte Kreischen drang wie die Schneide eines Messers in Robertas Bewußtsein und zerriß den Zauber des Augenblicks.

      Spinnst du? schimpfte ihr Verstand. Diese Sache ist aussichtslos, das weißt du doch! Dieser Mann ist gebunden. Er wird in ein paar Tagen nach Hause fahren und dich vergessen, und du? Du wirst dir wochenlang die Augen ausheulen!

      Mit einer energischen Bewegung schob sie Stephan von sich und trat von ihm zurück.

      Stephan war verwirrt. Mit beiden Händen fuhr er sich über das erhitzte Gesicht, dann sah er Roberta an.

      »Verdammt, du hast recht.« In seiner Stimme vibrierte noch die Leidenschaft, die Robertas Küsse in ihm entfacht hatten. »Wir sollten uns nicht so gehenlassen. Tut mir leid.«

      »Mir auch.« Roberta machte kehrt und hob ihre Kleider auf. »Laß uns nach Hause gehen. Ich lasse die Kinder ungern über längere Zeit allein.«

      Der nüchterne Klang ihrer Stimme vertrieb endgültig den Zauber. Stephan schlüpfte in seine Jeans, legte sich das T-Shirt um die Schultern und schickte sich an, den Weg zurückzugehen.

      Roberta folgte ihm in einigem Abstand. Sie sprachen kein Wort mehr miteinander. Erst an der Gartenpforte blieben sie stehen und sahen sich an.

      »Sei nicht böse«, versuchte Ste-phan, sich zu entschuldigen.

      Roberta schüttelte den Kopf.

      »Es war eine – Laune – vielleicht«, murmelte sie.

      Hastig, bevor die Sehnsucht sie erneut zu unüberlegten Handlungen verleiten konnte, stieß Roberta die Pforte auf und eilte ins Haus.

      Sie sah sich nicht mehr um, als sie die Tür zuwarf. Trotzdem wußte sie, daß Stephan noch am Zaun stand. In seinen Augen brannte eine Sehnsucht, die sie beinahe körperlich zu spüren schien. Blicke, die wie Feuer auf ihrer Haut brannten. Erinnerungen an Berührungen, die sofort das Verlangen in ihr aufs neue entfachten.

      Und dann kam die Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die sie tagelang zu unterdrücken und zu ignorieren versucht hatte. Aber jetzt konnte sie ihr nicht mehr ausweichen.

      Roberta blieb, von dem Wissen überwältigt, mitten auf der Treppe stehen und starrte ratlos auf die Stufen.

      Ich habe mich in diesen Kerl verliebt!

      *

      Das Licht flammte auf, bevor Stephan die Hand nach dem Schalter ausstrecken konnte. Für einen Moment schloß er geblendet die Augen, dann blinzelte er unter halbgeschlossenen Lidern auf Melinda, die am Fuße der Treppe stand.

      Ihr Gesicht zierte wieder diese scheußliche Maske, die ihre Haut jugendlich straff erhalten sollte. Stephan fragte sich unwillkürlich, weshalb Mel sich all den Schönheitsriten, wie Nasen- und Busenkorrektur, Zahnregulierung, zahllose Diäten, Sport zum Exzeß und all den Besuchen im Schönheitssalon unterwarf, wenn sie dann doch niemanden an ihren wohlgeformten Körper ließ.

      Sie war wie eine Skulptur, die man bewundert, die an einem günstigen Platz deponiert, wo das Licht ihre Vorzüge so richtig zur Geltung bringt, dann eine Glashaube drüber stülpt und ein Schild »Nicht berühren« anbringt. Schön, aber leider aus kaltem Marmor, dem niemand Wärme und Leben einhauchen kann.

      »Wo kommst du her?« Ihre Stimme klang wie gesprungenes Glas.

      Stephan wappnete sich innerlich mit Geduld.

      »Vom Schwimmen«, erwiderte er wahrheitsgemäß. »Das Wasser ist um diese Zeit am schönsten.«

      »Ach, ja?« Melinda stemmte die Fäuste in die Seiten. Sie trug eines dieser extrem edlen, extrem teuren Negligés, die man nur in speziellen Boutiquen kaufen kann. Für den Preis dieses Ensembles, das ihre makellose Figur umschmeichelte, hätte man mühelos einen ganzen Markenanzug bekommen.

      »Ja«, nickte Stephan und ging ins Wohnzimmer. »Möchtest du auch einen Cognac?«

      »Nein.« Melinda folgte ihm. »Du warst also schwimmen, ja? Und was hat diese Nachbarsschlampe dabei zu suchen?«

      Stephan fuhr so schnell herum, daß Mel unwillkürlich zurückwich.

      »Nenn Roberta nie wieder Schlampe, verstanden?« Der Zorn ließ seine Augen beinahe schwarz erscheinen. »Sie hat es, verdammt noch mal, nicht nötig, sich von einer verwöhnten, zickigen Karrieretussi derartig titulieren zu las-

      sen.«

      Im nächsten Moment bereute er seine Worte, denn sie gaben Melinda den Anlaß, nun endlich einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen.

      »Ach!« Ihre Stimme troff vor Hohn. »So weit seid ihr also schon. Du nennst sie beim Vornamen, warst du vielleicht auch schon mit ihr im Bett? Oder habt ihr’s euch am Strand gemütlich gemacht? Über euch der silberne Mond, unter euch der knirschende Sand, ja?« Hier stieß Mel ein boshaftes kleines Kichern aus, das Stephan verspotten sollte. »Aber nein, Frauen wie diese Roberta Soundso machen so was nicht in der freien Natur. Es könnte ja jemand vorbeikommen, nicht wahr?«

      »Halt den Mund.« Stephans Stimme war gefährlich leise. Wäre Melinda nicht derart in Rage gewesen, hätte der Klang sie gewarnt, aber Mel hatte in ihrer augenblicklichen Verfassung kein Ohr für Feinheiten.

      »Hausfrauensex, wie abenteuerlich«, höhnte sie weiter. »Heimlich, hinter meinem Rücken, das gibt dir den Kick, nicht wahr? Oh, was bist du doch für ein billiger kleiner Nichtsnutz!«

      Die Worte schienen an Stephan abzuprallen. Er stand da, mitten im Wohnzimmer, und sah Melinda an, als begegnete er ihr heute das erste Mal. Ja, als frage er sich, was sie hier tat. Und tatsächlich, er wunderte sich wirklich. Fragte sich, wieso er es so lange mit dieser Frau ausgehalten hatte und wie er jemals auf die Idee kommen konnte, sie heiraten zu wollen.

      Und er dachte an Roberta. Die fröhliche, unkomplizierte Roberta Simonas, die einfach die