Friedrich Glauser

Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten


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kaum zurückkommen… Und als die Stimme sich weiter erkundigte, wer denn am Apparat sei, hängte Studer kurzerhand ein… Sie hatten ein schönes Leben, die Jungfern, ständig frei…

      Der Nachmittag wurde lang… Dr. Laduner war aufgestanden; mit verbundenem Kopf saß er auf dem Ruhebett im Arbeitszimmer, trank literweise schwarzen Kaffee und begründete diese Beschäftigung mit seinem Kopfweh. Er trug eine dicke Bandage um die Stirn und den Hinterkopf.

      Aber auf alle Fragen Studers, wer ihn niedergeschlagen habe, warum er in die Heizung gegangen sei – schwieg er. Es war kein angenehmes Schweigen, sogar sein Maskenlächeln hatte der Arzt verloren. Er sah müde aus und verzagt.

      Wie gesagt, der Nachmittag schlich sich hin, ein richtiger Sonntagnachmittag mit Handharpfenspiel, das diesmal unzweifelhaft von den Abteilungen herübertönte – mit Gähnen, Unlust…

      Es war Zeit, daß der Fall beendigt wurde…

      Gegen halb sieben empfahl sich Studer und bat Frau Laduner, sie möge nicht mit dem Nachtessen auf ihn warten. Er könne wirklich nicht genau sagen, wann er zurückkehren werde. Vor der Loge des Portiers hielt Studer an, trat ein und fragte nach Gilgens Haus… Die Lage wurde ihm beschrieben… Es lag etwas außerhalb des Dorfes, ganz in der Nähe des Flusses, der etwa anderthalb Kilometer von Randlingen vorbeifloß.

      Und wieder die Allee mit den grünsauren Äpfeln. Die Abenddämmerung war grau… Es war wohl eine Art Instinkt, die den Wachtmeister zu Gilgens verschuldetem Hüüsli führte… Es lag am Ende einer Reihe gleichgebauter Einfamilienhäuser mit spitzzulaufenden Dächern. Alle schienen leerzustehen, nur aus dem Schornstein des einen quoll grauer Rauch in die abendliche Dämmerung. Studer sah sich die Namen an den Briefkasten an. Endlich:

      »Gilgen-Furrer, Pfleger.«

      Er strich ums Häuschen, prüfte die Klinken aller Türen… Verschlossen… Im Garten wuchsen Astern, die Sonnenwirbel waren noch klein. Sauber war der Garten, kein Unkraut… Studer beschloß, zu warten. Er hätte in die Anstalt zurückgehen können, um sich noch einmal nach Irma Wasem zu erkundigen, er unterließ es. Ge-wiß, wie Dr. Laduner sagte, das Hüüsli schien unbewohnt… Schien!… An was spürte man, daß doch jemand darinnen hauste? An einem Vorhang, der sich kaum bewegte?…

      Der Wachtmeister verließ den Garten, ging ein Stück die Straße entlang, die an der Siedlung vorbeilief. Da war ein Busch, groß genug, um sich dahinter zu verstecken. Noch ein Blick ringsum, Studer trat hinter den Busch, setzte sich… Es konnte ein langes Warten werden…

      Die Abenddämmerung verging, die Nacht stieg auf. Am Himmel, der flaschengrün war wie Mattos Fingernägel, trat zuerst ein Stern hervor, dessen Schein blau war wie die Lampe im Wachsaal B. Und dann kam die Dunkelheit. Sie war schwarz. Kein Mond leuchtete.

      Schritte… Harte Schritte, wie von Stöckelschuhen. Studer lugte vorsichtig hinter dem Busch hervor. Eine Frau kam das Sträßlein entlang, sie wandte sich oft um, als ob sie Angst habe, verfolgt zu werden. Und vor Gilgens Haus blieb sie stehen, sah nach rechts, sah nach links… Dann betrat sie den Garten. Sie klopfte an der Haustüre, wartete. Langsam öffnete sich die Türe. In der sehr stillen Nacht hörte Studer deutlich die Worte der Frau:

      »Ich glaub, du kannst ein wenig mit mir spazierengehen. Es redet sich besser draußen. Und ich hab' dir etwas zum Essen mitgebracht.«

      Eine männliche Stimme antwortete: »Wie d'meinscht!«

      Das Paar trat aus dem Garten, ging die Straße entlang in der Richtung zum Fluß. Studer ließ es vorausgehen, dann folgte er vorsichtig. Die Vorsicht wäre unnötig gewesen, denn die Nacht war dunkel. Er sah das Paar nur, weil die Frau ein weißes Kleid trug… Der Fluß rauschte. Am Horizont ging der Mond auf; er sah aus wie eine riesige Orangenscheibe. Sein Licht war sanft.

      Mattos Puppentheater

       Inhaltsverzeichnis

      »Ist's gut gegangen?« fragte die Frau.

      Und der Mann antwortete:

      »Der Schroter hat mich nicht erwischt.«

      Studer lächelte im Dunkeln. Die Blätter der Erlen und Weiden schimmerten grau im farbigen Licht des Mondes. Träge floß der Fluß und murmelte dunkle Worte, die niemand verstand. »Was ist gestern gegangen?« fragte die Frau. »Bist du nicht unvorsichtig gewesen, Pierre?«

      »Ich hab' den Schroter getroffen, wie ich hab' den Dr. Laduner suchen wollen. Schad, daß der Gilgen tot ist, er war ein feiner Köbi…«

      Schweigen. Die Frau hatte sich an den Mann gelehnt. Vor den beiden lag eine kleine Fläche Sand, und sie glitzerte unter den Mondstrahlen, die durch die Zweige brachen…

      »Warst du nie eifersüchtig, Pierre?« fragte die Frau.

      Wie eine Stimme sich verändern konnte! Studer hatte sie gehört, als sie von Tränen feucht war… Jetzt klang sie energisch. Gütig und zärtlich zugleich.

      »Eifersüchtig?« Es klang erstaunt. »Warum eifersüchtig? Ich hab' doch Vertrauen zu dir gehabt. Du hast mir doch gesagt, du gehest mit dem Direktor, nur um ihn umzustimmen wegen mir. Weißt, ich bin noch so dumm, daß ich alles glaube… Und warum hätte ich dir nicht glauben sollen?«

      »Hast recht gehabt, Pierre… Weißt, was der Schroter gedacht hat? Er hat gemeint, ich wolle Frau Direktor werden… Ja, die Schroter! Es großes Muul, süscht nüt…«

      »Ach«, sagte das Demonstrationsobjekt Pieterlen, »er ist eigentlich ein anständiger Kerl. Er hat immer zum Laduner gehalten. Wenn er gewollt hätte, hätt' er ihm schon lang Schweinereien machen können…«

      »Magst den Laduner lieber als mich?« fragte die Irma Wasem. Das waren so Fragen, wie sie Frauen gerne stellen. Studer lauschte andächtig. Das Ganze gefiel ihm, er hätte nicht sagen können, warum. Er mußte an Dr. Laduners Ausspruch denken: ›Sollen nicht auch wir einmal ein Idyll in unsern roten Mauern haben?‹ In solch einem Fall war es angenehm, sich geirrt zu haben… Und auch der große Psychiater Laduner hatte sich geirrt. Das Meitschi war recht. Es hielt zu seinem Freunde. Zwar, Frauen waren manchmal merkwürdig, man konnte nicht immer alles glauben, was sie erzählten… Aber in diesem Falle schien die Irma Wasem ehrlich zu sein, und man hatte wüscht daneben gehauen, als man dachte, man habe es mit einem jungen Totsch zu tun, der darauf spekuliere, Frau Direktor zu werden… Der Angeschmierte war in diesem Falle Herr Direktor Ulrich Borstli, aber da er begraben war, konnte es ihm gleich sein…

      »Weißt«, sagte die Irma Wasem, »am besten ist, du bleibst nicht mehr im Hause vom Gilgen. Ich war heut bei meinem Bruder. Er ist in deinem Alter und ein feiner Kerl. Ich hab' dir seinen Heimatschein mitgebracht. Mit dem fährst du nach Basel, meldest dich unter seinem Namen an, und in einer Woche läßt du dir einen Paß ausstellen und fährst dann nach Frankreich. Ich hab' eine Schwägerin, die ist in der Provence verheiratet. Zu der kannst du gehen. Ich werd dir dann noch schreiben… Schließlich wirst du nur von der Anstalt gesucht, ich glaub nicht, daß der Laduner dich als gemeingefährlich bezeichnet hat, und so wird dich die Polizei nicht allzu eifrig suchen…«

      »Es wär auch nicht mehr gegangen im Haus vom Gilgen. Der andere macht die ganze Zeit Krach… Ich glaub nicht, daß ich jemals so verrückt war wie der… Einen Revolver hat er auch und droht, er will sich erschießen. Ich dank dir auch… Weißt, ich werd die Nacht durch laufen und dann in Burgdorf den Zug nehmen.«

      »Hast Geld?«

      »Nein… Kannst mir etwas geben? Wenn ich etwas verdien', schick ich's dir wieder…«

      Er solle keinen Chabis reden, sagte die Irma Wasem. Studer hörte das Rascheln von Banknoten.

      »Wenn's geht, komm ich dich in Basel besuchen…« sagte die Irma. Dann war es lange Zeit still, nur der Fluß murmelte. Ein kleiner Wind spielte mit den Blättern der Erlen…

      »Leb' wohl«, sagte das Demonstrationsobjekt Pieterlen.

      »Mach's