zu diesem Zwecke ein genaues Lexikon aller unserer heiratsfähigen Damen angelegt.«
»Wie?« rief Koltoff immer heiterer, »ein Heiratslexikon?«
»Hier,« fuhr Lapinski fort, ein ziemlich voluminöses Notizbuch hervorsuchend, »da hast Du es. Du findest sie alle beisammen, unsere Schönen, jede mit genauer Personbeschreibung, sowie Angabe ihres Vermögens, Charakters, Vorlebens und anderweitiger Verhältnisse.«
»Das ist in der That kostbar,« lachte Koltoff »Laß also sehen.« Und die beiden munteren Offiziere begannen das Heiratslexikon zu studieren.
»Ich wäre dafür, alphabetisch vorzugehen,« begann Lapinski nach einer Pause, »versuche bei der ersten Dein Glück, und bekommst Du einen Korb, so belagere die zweite und so fort von A bis Z.«
»Das wäre doch zu leichtsinnig,« meinte Koltoff, »ich bin meinetwegen bereit, meinen Nacken dem Pantoffel einer Frau zu beugen, aber es muß ein Pantoffel sein, – eine Frau wollte ich sagen, welche ich liebe.«
»Wie ist also Dein Geschmack, blond, braun, schwarz?«
»Vor allem lege ich auf ein bescheidenes Wesen Wert.«
»Dann erschieße Dich auf der Stelle,« rief Lapinski, »im Reiche und am Hofe der nordischen Semiramis Katharina der Zweiten ein bescheidenes Wesen! Weißt Du nicht, daß unsere besten Frauen, von dem Beispiel oben verführt, mindestens Amazonen und Blaustrümpfe sind?«
»Was also thun?«
»Wenn Du schon zu gewissenhaft bist, alphabetisch vorzugehen, so laß das Fatum entscheiden,« meinte der übermütige Kamerad.
»Wie?«
»Wie? Ganz einfach. Wir machen es wie die Araber, wenn sie ihren Koran um Rat fragen,« erwiderte Lapinski, »wir stechen mit einer Nadel in mein Lexikon, und dort, wo die Spitze haften bleibt, dort hast Du Deine Braut zu suchen.«
»Gut.«
Lapinski nahm hierauf eine Nadel und verfuhr ganz in der Weise und mit dem Ernste orientalischer Fatalisten, dann schlug er das durchstochene Notizbuch auf. »Du hast ungeheures Glück,« sagte er, nachdem er den Stich aufgesucht und geprüft. »Dein Schicksal führt Dich zu der zugleich schönsten und reichsten Dame meines Verzeichnisses.«
»Laß sehen!« rief Koltoff erregt.
»Lubina Fürstin Mentschikoff,« las Lapinski, »Witwe des Fürsten Iwan, dreiundzwanzig Jahre alt, hohe, imposante Gestalt, schlank, herrliche Formen stolze, schöne Gesichtszüge, schwarzes Haar, schwarze, feurige Augen, tiefe Altstimme. Charakter fest und verläßlich, Wesen gebieterisch, aber liebenswürdig und anmutig, viel Geist, große Bildung, besitzt ein Vermögen von zwei Millionen Rubel, vollkommen frei und unverschuldet, ist ihren Verwandten gegenüber vollkommen selbständig. Ihr Ruf sowohl in ihrer Ehe, als seitdem, der beste. Besondere Bemerkungen: gilt als Männerfeindin.«
»Dient sie nicht in der Armee?« fragte Koltoff.
»Warte. Richtig, ja. Sie dient im Regiment« Simbirsk und hat den Rang eines Majors.«
»Das kommt ungelegen,« meinte Koltoff.
»Weshalb? Unsere Amazonen tragen ja sämtlich Offiziersepauletten, die Gräfin Iwan Saltikoff, Frau Samarin, Fräulein Sophie Narischkin und viele andere, und Frau von Mellin kommandiert sogar ein Regiment.«
»Aber ich bitte Dich,« rief Koltoff, »wie soll ich es anfangen, meinem Vorgesetzten eine Liebeserklärung und einen Heiratsantrag zu machen?«
»Ich weiß nichts davon, daß dies gegen das Reglement wäre,« entgegnete Lapinski. »Zu Deinem Glücke hat Peter der Große nicht im entferntesten daran gedacht, daß es Lieutenants in Reifröcken und einen Major geben könnte, welcher der mediceischen Venus Konkurrenz macht. Also fasse Dir ein Herz, es wird Dir nicht den Kopf kosten, beziehe jetzt ruhig Dein Biwak, und morgen beginnen wir die Operationen, das heißt, der Herr Lieutenant der Preobraschenskischen Garde wird anfangen, dem Herrn Major des Regiments Simbirsk den Hof zu machen.«
»Und wenn mich der schöne Major für meine Kühnheit in den Arrest schickt?« lachte Koltoff.
»Dann tröstest Du Dich damit,« erwiderte der Kamerad, »daß Amor Dein Profoß ist.«
Es war gegen Mittag, als Koltoff am nächsten Tage von seinem Freunde aufgepoltert wurde, welcher in rosigster Laune, den Schnurrbart unternehmend aufgedreht, mit den großen Sporen klirrend, bei ihm eintrat.
»Zu den Waffen!« schrie Lapinski. »Auf den Feind! Der Krieg beginnt, zu den Waffen!« und zu gleicher Zeit stellte er sich vor den Nachttisch und begann mit den Fäusten auf demselben Reveille zu trommeln.
Koltoff, der Selbstmörder, dehnte sich behaglich in seinem Bette und gähnte. »Was drängst Du so?« sprach er langsam gedehnt, »wir haben ja nichts zu versäumen.«
»Wir haben sehr viel zu versäumen,« rief der Kamerad; »Du vergißt, daß ich nur vier Wochen Zeit habe, um Dich zu verheiraten, mein Geliebter, und dann, wenn es nicht gelungen ist, bist Du toll genug, Deinem kostbaren Leben ein Ende zu machen. Also zu den Waffen, um so mehr als dies die Stunde ist, wo die Fürstin Lubina Mentschikoff nach den übereinstimmenden Berichten meiner Spione auf der Terrasse ihres Palastes die Morgenschokolade nimmt.«
»Du hast schon Spione?« murmelte Koltoff erstaunt, indem er sich anzukleiden begann.
»Spione, gute Spione sind für eine geschickte und erfolgreiche Kriegführung unentbehrlich,« antwortete Lapinski, »man muß über die Aufstellung und die Bewegungen des Feindes stets auf das genaueste unterrichtet sein, um darnach seine Dispositionen treffen zu können.« Der lustige junge Offizier blickte auf seine Uhr. »Es fehlt eine Viertelstunde zu Zwölf. Genau vor fünfzehn Minuten ist unsere Göttin erwacht, in weiteren fünfzehn Minuten wird sie ihre Morgentoilette beendet haben und Schlag zwölf Uhr auf die Terrasse hinaustreten. Also beeile Dich!«
In wenigen Minuten war Koltoff fertig, und die beiden Freunde durchschritten, ein französisches Kriegslied der Zopfzeit trällernd, die Straße, welche zu dem Paläste der Fürstin Mentschikoff führte, aber sie näherten sich dieser feindlichen Festung, wie Lapinski das in schönem Renaissancestile erbaute, von einem weitläufigen Parke, im Geschmack von Versailles, umgebene Gebäude nannte, von rückwärts, durch ein schmutziges Gäßchen, das längs der Gartenmauer lief.
»Kein Mensch in der Nähe,« sprach Lapinski, »laß uns somit vor allem rekognoszieren.«
Koltoff stellte sich auf seine Anordnung an die Mauer des Parkes, und sein Kamerad schwang sich auf seine Schulter und blickte hinein. »Auch im Garten ist alles still,« meldete er, »und weithin nichts zu entdecken. Wir können es also wagen, einzudringen.«
Ohne weiteres schwang sich Lapinski hierauf von der Schulter seines Freundes auf die Mauer, und von dieser mit Hülfe eines Astes auf einen nahestehenden Nußbaum, von welchem er sich rasch zur Erde herabgleiten ließ.
»Warte,« ertönte seine Stimme von innen, »ich will sehen, ob ich keine Bresche entdecke.«
Die Bresche fand sich nicht, aber dafür eine Gartenleiter, welche vor einer halbgestutzten Taxushecke ausgespreizt stand. Lapinski bemächtigte sich ihrer und schob sie über die Mauer, drüben wurde sie von Koltoff aufgefangen, der wenige Sekunden darnach auf der Mauer erschien und die Leiter an sich zog, um dann bequem auf ihren Sprossen in den Garten hinabzusteigen. Die beiden Freunde näherten sich nun, durch die langen parallel laufenden Hecken verdeckt, dem Palaste, von dem eine geräumige Terrasse mit breiten Stufen gegen den Garten ablief. Sie verbargen sich hinter einem großen Boskett roter Rosen etwa fünfzig Schritte von derselben entfernt.
Auf der Terrasse stand zwischen schlechten, geschmacklosen Statuen der Venus und des Liebesgottes ein kleines Tischchen, für eine Person gedeckt, und vor demselben ein samtener Armstuhl und ein Fußschemel von gleichem Stoffe.
Nicht lange, und ein Diener in gestickter Livree nach französischem Schnitte erschien und brachte auf einem silbernen Brette die Schokolade, während ein zweiter die Flügelthüren weit öffnete.
Eine