wie einen Hund vor meinem Zelte an die Kette legen« rief die Amazone.
Damit entließ sie den Parlamentär.
Noch an demselben Tage kam ein russischer Überläufer in die Festung, welcher die Uniform des Regiments Simbirsk trug, und wurde vor den Sagardschi-Pascha geführt.
»Weshalb hast Du Deine Fahne verlassen?« fragte dieser.
»Weil ich es wagte, zu dem schönen Weibe, das uns befehligt, die Augen zu erheben,« sagte der Überläufer.
»Sprichst Du von Eurem Großvezier, dem Weibe mit dem goldenen Haar und den Augen, aus denen der blaue Himmel blickt?«
»Ja, mächtiger Vezier.«
»Und was that sie Dir?«
»Sie ließ mich peitschen gleich einem Hunde.«
»Es sieht ihr gleich, sie hat den Geist eines Mufti und die Würde eines Sultans,« sagte der Pascha seufzend.
»Ich bin zu Dir gekommen, weil ich mich an dem stolzen Weibe rächen will; sie hat geschworen, Dich, ehe der Mond voll ist, gleich einem Hunde an die Kette zu legen; ehe der Mond voll ist, soll sie Deine Sklavin sein, herrlicher Vezier.«
»Wenn Du dies kannst, Giaur, sollst Du von mir kaiserlich belohnt werden, wie der große Sultan seine Diener zu belohnen pflegt.«
»Bis morgen früh hat sie den Vorposten,« sagte der Überläufer. »Heute giebt sie den Offizieren und Soldaten ein Fest, denn seitdem ihr die Übergabe angeboten ist, wiegt sich im Lager der Russen alles in vollkommener Sicherheit. Bis Mitternacht werden sie so ziemlich alle betrunken sein.«
»Was? Auch die Frauen?« rief der Türke entsetzt.
»Gewiß!«
»Allah! Allah!« seufzte der Pascha, »auch die weiße Rose im Garten des Paradieses trinkt?«
»Verlaß Dich darauf, und mehr als Tau,« sprach der Überläufer, »sie wird nicht nüchtern sein. Wenn Ihr einen Ausfall wagt, und ich Euch führe, werden sie alle ohne Schwertstreich in Eure Hände fallen.«
Als der Abend kam, zeigte sich wirklich in dem Lager des Regiments Simbirsk eine ungewöhnliche Beleuchtung und auch Musik klang von Zeit zu Zeit herüber. Der Pascha hatte seine Vorkehrungen getroffen. Vor Mitternacht verließ er, von dem Überläufer geführt, an der Spitze seines Fußregimentes von 400 Mann und der 50 Reiter, die jeder Janitscharen-Dschemaat beigegeben waren, die Festung. Sie fanden die äußersten russischen Vorposten in der That vollständig betrunken und konnten sie, ohne daß Blut vergossen oder ein Schuß abgefeuert wurde, gefangen nehmen. Nun drangen die Janitscharen zu Fuß, von ihren Offizieren geführt, in das Lager des Regiment Simbirsk, während der Pascha mit seinen erlesenen Reitern, welche auf ihren feurigen Pferden, mit den helmartigen Hauben, auf denen hohe Federbüsche wehten, in den weißen Kaftans und den samtenen Fuchs-und Zobelpelzen, jeder selbst gleich einem Pascha erschienen, auf das von bengalischen Flammen beleuchtete Prachtzelt der schönen Gräfin lossprengte.
Statt aber, wie er erwartet, schöne Frauen und wehrlose Männer zu finden, regte es sich mit einem male ringsum in allen Zelten, Laufgräben und Batterien und Tausende von Bajonetten starrten ihm und seinen Janitscharen von allen Seiten entgegen. Der Überläufer war ein Abgesandter der Gräfin gewesen, der den Pascha in ihre Schlinge gelockt hatte.
»Ergebt Euch!« rief die Gräfin den Überlisteten zu, »oder ich lasse Euch allesamt über die Klinge springen!«
Die Türken beratschlagten und streckten endlich die Waffen.
Die Gräfin eilte, ihren Gefangenen in Empfang zu nehmen. »Nun,« sprach sie mit grausamem Spott, »Du hast Zeit, Dich heute Nacht im Bellen zu üben, denn Morgen wirst Du ohne Erbarmen an die Kette gelegt, wie ich es Dir versprochen.«
»Ich bin Dein Sklave, beginne mit mir, was Dir gefällt,« erwiderte der Türke und warf sich mit dem Antlitz zur Erde vor ihr nieder, um den Saum ihres Gewandes zu küssen.
Aber die schöne Frau blieb ungerührt. Sie ließ am nächsten Tage vor ihrem Zelte eine hölzerne Hundehütte aufrichten und den armen verliebten Türken in derselben anketten.
Am Abend, bei einem fröhlichen Mahle, das sie den Favoritinnen Potemkins und ihren Offizieren gab, kam sie plötzlich auf den barocken Einfall, ihren Hund, wie sie den Pascha nannte, bellen zu lassen.
Sie ließ es ihm durch ihre Kammerfrau befehlen, und als er ihr nicht gehorchte, sondern mit echt orientalischer Gleichgültigkeit liegen blieb, wie er seit vielen Stunden lag, den Kopf an das kalte Holz gepreßt, sprang sie auf und rief: »Wir wollen doch sehen, wer jetzt Herr ist, er oder ich.«
»Ja, er muß bellen,« schrie die ganze mutwillige Meute schöner galanter Frauen, welche in ihrem Zelte versammelt war. Im Nu hatten sie sich Alle in ihre Pelze gehüllt, und eilten hinaus. Als sie ihn lachend umstanden, ließ der Türke überrascht und trunken von so viel weiblichen Reizen, die sie ihm ohne Scheu zeigten, sein dunkles Auge von einer zur andern schweifen, die schlanke, graziöse Potozka, wie die von Leidenschaft glühende Griechin, die elegante Monsigny und die üppige Münnich gleich bewundernd, aber zuletzt blieb es doch wieder auf der Gräfin Soltikoff haften, welche ihre Grausamkeit noch verführerischer erscheinen ließ, als sonst.
»Wirst Du bellen, Hund?« fragte sie ruhig. Die anderen Damen brachen in ein schallendes Gelächter aus.
Der Türke schüttelte trotzig den Kopf.
»Ich würde ihn an Ihrer Stelle so lange peitschen, bis er meinen Willen thäte,« sagte die Polin, in deren lebhaften Augen etwas Diabolisches lag.
»Sie haben Recht,« sagte die Gräfin Soltikoff, und rasch holte sie die Peitsche, ein Attribut, ohne das eine russische Venus des vorigen Jahrhunderts nicht zu denken war. »Ich peitsche Dich tot, wenn Du nicht auf der Stelle bellst,« rief sie mit einem Blick, der jedes Erbarmen ausschloß.
Der Pascha ergab sich endlich in sein Schicksal und begann laut zu bellen, während die grausamen Schönen umherstanden und sich vor Lachen schüttelten.
Anfangs Dezember 1788 war ein neuer starker Schneefall eingetreten, welcher die ohnehin elenden Straßen des südlichen Rußlands vollkommen unpraktikabel machte und der Armee vor Otschakoff jede Zufuhr abschnitt. Potemkin kam in ernste Gefahr, mit seinen Soldaten und seinen schönen Sultaninnen zu verhungern.
Als das Elend auf das Höchste gestiegen war, kamen die Soldaten zu Suwarow und baten ihn um Rat und Hülfe. »Väterchen Alexander Wassiljewitsch,« klagten sie, »wir haben nichts mehr zu essen, unsere Stiefeln sind durch, und in unsere Uniformen bläst bei hundert Löchern der Wind hinein. Rette uns, Väterchen Suwarow!«
»Für uns alle giebt es keine andere Rettung mehr, als Sturm,« erwiderte der General. »Wir müssen Otschakoff nehmen oder sterben!«
Der Ausspruch des von dem ganzen Heere angebeteten Suwarow ging von Mund zu Mund, endlich rotteten sich die Soldaten zusammen, Tausende zogen, grüne Tannenreiser auf den Hüten und brennende Strohbündel in den Händen, Abends durch das Lager vor den hölzernen Palast des Tauriers und verlangten den Sturm auf Otschakoff. Potemkin, durch die furchtbare Lage, die ihm keine andere Wahl mehr ließ, gezwungen, gab mit schwerem Herzen seine Einwilligung, ihm bangte um das Blut seiner Soldaten nicht minder als den Erfolg. Er übergab Suwarow das Kommando der Stürmenden, und dieser traf mit seiner beispiellosen Energie rasch seine Anstalten.
Am Abende des 17. Dezember wurden Freiwillige aus den Regimentern aufgerufen, welche die erste Sturmkolonne bilden sollten, die, da sie zuerst auf die Minen und spanischen Reiter stieß, in der Regel so gut wie geopfert war. Man brauchte 600 Mann, da aber Suwarow selbst sie führte, meldeten sich mehrere Tausend, unter denen gelost werden mußte.
Die Gräfin Soltikoff befand sich gleichfalls unter denjenigen, welche sich als Freiwillige gemeldet hatten, und sie verstand es so einzurichten, daß auch das Los sie traf.
»General, ich werde an Ihrer Seite sein!« sagte sie zu Suwarow.
»Das verhüte Gott!« erwiderte er.
»Und