aber jetzt war ihre Gestalt geradezu unförmig, und das Gesicht, in das Breite verzerrt, trug den Stempel gemeiner Wollust; nur ihr Auge konnte noch bestechen, es war ein großes, schönes blaues Auge voll Geist und Kühnheit, und es lag etwas Gebieterisches in dem Blick desselben.
»Welcher Satan hat Sie hergeführt, Madame?« begann der Maler in ziemlich gutem Französisch.
»Der Satan der Neugierde,« erwiderte die Unbekannte; »ich sah Sie zeichnen, und da ich die Künste liebe und beschütze –«
»Sehr edel von Ihnen«, unterbrach sie der Italiener, »aber eben deshalb hätten Sie mir die Kleine nicht verscheuchen sollen; nun bleibt das Bild unvollendet.«
»Sie sollen mich dafür malen«, erwiderte der weibliche Koloß mit nachlässiger Majestät.
»Sie? Ist das Ihr Ernst?« rief der Maler.
Die Dame nickte, während der junge Italiener in ein ebenso unartiges als ausgelassenes Gelächter ausbrach.
»Sie wollen mich also nicht malen?« begann die Dame, die stolzen Brauen finster zusammenziehend.
»Es fällt mir nicht ein«.
»Bin ich nicht schön?« fragte die Unbekannte mit unnachahmlichem Selbstbewußtsein.
»O! Sie sind außerordentlich schön«, erwiderte der Maler scherzend, »aber beinahe ebenso dick als schön.«
»Wie nennen Sie sich?«
»Tomasi,« sagte der Maler, zuckte die Achseln und packte zusammen.
»Ich gefalle Ihnen offenbar nicht«, sagte die Unbekannte, »aber dies hat nichts zu sagen. Sie gefallen mir und Sie werden mich malen, adieu.« Sie nickte gnädig mit dem Kopfe und schritt langsam davon. Der Italiener folgte ihr von Weitem, in dem Laubgange, in den er nun einbog, fand er seinen Freund und Landsmann Boschi, mit dem er nach Rußland gezogen war, um dort, gleich den französischen Philosophen und den italienischen Sängern, an dem glänzenden Hofe der leichtsinnigen Zarin Katharina II. sein Glück zu machen. Er teilte ihm sein Abenteuer mit, und sie lachten noch beide über das Monstrum, das sich durch seinen Pinsel verewigen lassen wollte, als ein Offizier der Garde vor sie hintrat und sich erkundigte, welcher von ihnen der Maler Tomasi sei.
»Ich!« sagte der junge Italiener.
»Ich habe den Befehl, Sie in den Palast zu führen,« sagte der Offizier.
»Mich? Und auf wessen –«
»Auf besonderen Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin.«
Tomasi folgte hierauf dem Offizier, welcher ihn durch die Alleen des Parkes und die Korridore des prachtvollen Sommersitzes der Zarin bis zu einer Thüre führte, vor der er Halt machte. »Hier treten Sie ein,« sagte er, »Frau von Protasow, Hofdame Ihrer Majestät, erwartet Sie, von ihr werden Sie das Weitere hören.« Es entging dem schlauen Italiener nicht, daß der Offizier dabei eigentümlich spöttisch lächelte. Tomasi erwartete, dadurch irregeführt, hinter der Portiere, welche er jetzt teilte, den weiblichen Koloß zu finden, dessen Bekanntschaft er im Park gemacht. Um so angenehmer war er enttäuscht, als er auf einer Ottomane ausgestreckt eine junge Dame erblickte, welche ihm im ersten Augenblicke als ein Ideal der Schönheit und Anmut erschien. Sie war zwar gleich allen russischen Frauen, ebenfalls üppig, aber von einer reizenden, sinnverführenden Fülle, welche nirgends die als klassisch geltenden Körperlinien zu sehr überschritt; ihr feines Gesichtchen zeigte ebenso regelmäßige als gewinnende Züge, und die dunklen Augen blickten unter den langen Wimpern mit einer Art schelmischer Lüsternheit hervor, welche den sonst kecken Maler nicht wenig in Verwirrung setzten. Die Dame wies ihm einen Sitz an und betrachtete ihn noch einige Zeit seltsam prüfend, ehe sie das Wort an ihn richtete.
»Ich bin Sofia von Protasow«, begann sie endlich, »Sie kennen wohl mein heiteres Amt.«
»Vergeben Sie, ich bin ebenso fremd am Hofe der großen Katharina, wie in Rußland überhaupt,« entgegnete der Maler.
»Hören Sie also,« sagte die schöne junge Frau, »die Zarin ist, wie Sie auch außer Rußland erfahren haben werden, eben so schwach als Weib, wie sie groß ist als Regentin.«
»Man erzählt, daß sie ihre Günstlinge wie Handschuhe wechselt,« fiel der Italiener ein; »aber ich finde dies sehr begreiflich bei einer Frau, welche zugleich die mächtigste und schönste in Europa ist.«
»Sie vergessen, daß Katharina II. jetzt sechsundfünfzig Jahre zählt,« erwiderte Frau von Protasow, »sie war noch mit Vierzig so verführerisch, daß jeder ihrer Günstlinge mit demselben Eifer der Frau wie der Monarchin huldigte; aber jetzt ist sie unförmig dick und strömt eine Atmosphäre aus, welche der stärkste Parfüm zu übertäuben nicht im stande ist. Und dieser Fettklumpen ist ebenso verliebt und in seinen Neigungen ebenso flatterhaft, wie es einst die jugendschöne Frau war. Katharina II. betreibt heute die Liebe wie ein Gourmand das Essen, sie will nicht bloß speisen, gut und fein speisen, sondern sie verlangt die größte Abwechselung; es vergeht kein Tag, wo sie nicht ein neues Opfer – Pardon, einen neuen Glücklichen – entdeckt und zu ihrem Zeitvertreib wählt. Heute haben Sie Gnade vor ihren Augen gefunden.«
»Ich!« stammelte Tomasi entsetzt.
»Sie scheinen nicht sehr entzückt voll der Aussicht, welche sich Ihnen eröffnet,« meinte Frau von Protasow spöttisch.
»In der That – nicht,« sagte der Italiener; »aber wie kommt die Kaiserin dazu? –«
»Sie hat Sie vor einer Viertelstunde etwa im Parke –«
»Dieses Monstrum, das mein Modell vertrieben, mit dem ich so kurz angebunden war –«, fiel Tomasi ein.
»War Katharina II.«, sprach Frau von Protasow.
»Und dieses Weib soll ich lieben?« schrie Tomasi, »das ist ja unmöglich.«
»Die Kaiserin versteht das Unmögliche möglich zu machen,« lächelte die schöne Frau. »Vergessen Sie nicht, daß ihr allerhand liebreizende Bagatellen zur Disposition stehen, wie die Knute, Sibirien und nötigenfalls das – Schaffot.«
»Das Schaffot!« schrie der Italiener auf, dem es eisig über den Rücken rieselte.
»Nun – sie hat Mirowitsch enthaupten lassen aus keinem anderen Grunde, als weil ihr seine fanatische Liebe anfing lästig zu werden,« erklärte die Protasow, »sie kann einmal das Umgekehrte versuchen.«
»Mein Gott! in welche Geschichte bin ich da hineingeraten,« jammerte der Maler; »Odysseus in dem Palaste der Circe war gegen mich beneidenswert.«
»Ist denn das Unglück, von einer Kaiserin geliebt zu werden, gar so groß?« spottete Frau von Protasow.
»Gewiß,« entgegnete Tomasi, »wenn die Kaiserin, wie es hier der Fall ist, über zwei Centner wiegt.«
»Aber Rubens hat doch sehr dicke Ideale gemalt.«
»Ich bin kein Rubens, meine Gnädige«.
»Ihre Verzweiflung ist ebenso heiter als verdächtig,« sprach die Vertraute Katharina’s nach einer kleinen Pause. »Ich zweifle keinen Augenblick länger, daß Sie verliebt sind, verliebt in eine andere.«
»Bei allen Heiligen, nein, mein Herz ist frei,« schwor der Maler.
»Frei – ganz frei?«
»Vollkommen frei.«
»Nun, das ändert die Sache ein wenig zu Ihrem Vorteil,« sprach die reizende Frau mit einem seltsamen Lächeln, »denn es giebt noch eine Dame in diesem Palaste der Circe, welche Gefallen an Ihnen findet.«
»Gefallen – an mir?«
»Großen Gefallen.«
»Und ist diese Dame vielleicht auch? –« erwiderte der Italiener, mit seinen Händen den riesigen Umfang der Zarin andeutend.
»Diese Dame ist allerdings auch nicht gerade mager«, entgegnete Frau von Protasow.
»Aber doch jung und schön?« rief Tomasi.
Frau