Isolde Kurz

Gesammelte Werke


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den gr­und­ein­fa­chen und grund­ehr­li­chen Dorf­be­woh­nern, die nicht ein­mal Rie­gel an den Hau­stü­ren kann­ten, in den dort ge­schrie­be­nen klei­nen Meer­no­vel­len Frut­ti di mare3 ein Denk­mal ge­setzt, auf das er mit dem gan­zen Ort stolz war. Doch den vol­len Zau­ber je­ner Som­mer­ta­ge habe ich erst Jahr­zehn­te spä­ter in der No­vel­le »Die Al­le­gria« aus be­weg­ter Erin­ne­rung zu­rück­ge­spie­gelt. Das frei­lich hät­te mir nicht bei­kom­men sol­len, das zau­ber­haf­te Idyll, um das noch ein Laut von Shel­leys dort ge­dich­te­ter »Him­mels­ler­che« schweb­te, in viel spä­te­rer Zeit, nach mehr als vier­zig Jah­ren wie­der se­hen zu wol­len und zu fin­den, dass es un­ter­des­sen in Schmutz und Elend völ­lig er­trun­ken ist.

      In je­nem Som­mer nun, von dem ich re­den will, war ich sehr zei­tig ge­kom­men, und Mama, die sich sel­ten eine Auss­pan­nung gönn­te, hat­te die ers­ten vier­zehn Tage in großer Glück­se­lig­keit dort mit mir ver­lebt. Dann war ich al­lein in mei­nem ho­hen Turm­zim­mer zu­rück­ge­blie­ben, um das die Wel­len bran­de­ten und das mir bei Nacht, wenn das Mee­res­leuch­ten an­hob, die Vor­stel­lung ei­nes zwi­schen zwei ge­stirn­ten Him­meln hin­se­geln­den Schif­fes gab. In San Te­ren­zo fand ich mei­nen al­ten Be­kann­ten von Ri­mi­ni her, den Se­na­tor Man­te­gaz­za wie­der, der sich eine hoch­ge­le­ge­ne Vil­la über dem Meer ge­baut und mit üp­pi­ger fremd­län­di­scher Flo­ra um­rahmt hat­te; er sand­te mir zu­wei­len Früch­te und Blu­men her­über. Klet­ter­te ich in dem Fel­sen­gar­ten des al­ten Kas­tells her­um, so ka­men die zwei dort auf­ge­stell­ten Ma­ri­ne­sol­da­ten von ih­ren Pos­ten her­un­ter, gute große Kin­der, und leis­te­ten mir ach­tungs­vol­le Ge­sell­schaft. Be­gab ich mich an die Ma­ri­na, so ließ sich wohl die­ser und je­ner von den Ba­de­gäs­ten mir durch mei­nen Haus­wirt vor­stel­len, und ich konn­te si­cher sein, dass er sei­ne Leu­te kann­te und nur ver­trau­ens­wür­di­ge Per­so­nen in mei­ne Nähe kom­men ließ. Das Schöns­te aber war doch im­mer, mit mei­nen stil­len Ein­ge­bun­gen, die nie­mand stör­te, sin­nend und spin­nend al­lein zu sein.

      Glück­se­li­ge Ju­gend, de­ren Kräf­te­quell nicht aus­zu­schöp­fen ist, wie ähn­lich se­hen sich doch ihre Freu­den und ihre Schmer­zen. Al­les muss ihr zum Wachs­tum die­nen: Ver­wick­lun­gen sind ihr ein Ge­winn, Ge­fah­ren ein Spiel, und auch das her­be To­des­leid nimmt sie an ihre Brust und singt es zärt­lich wie ein Kind zur Ruhe.

      1 Eine Ge­stalt aus mei­nem »Ju­gend­land«