Lucy Maud Montgomery

Anne & Rilla - Der Weg ins Glück


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lerne jetzt kochen. Susan bringt es mir bei. Vor langer Zeit habe ich es schon mal versucht – nein, das stimmt nicht, Susan hat versucht es mir beizubringen, und das ist etwas ganz anderes. Irgendwie ist mir nie etwas gelungen, und ich habe immer gleich den Mut verloren. Aber jetzt, wo die Jungen weggegangen sind, möchte ich wenigstens in der Lage sein, einen Kuchen für sie zu backen, also habe ich noch mal von vorn angefangen, und diesmal klappt es überraschend gut. Susan sagt, das käme bloß daher, daß ich dabei den Mund halte, und Vater sagt, daß mein Unterbewußtsein jetzt wohl so lernbegierig sei, und ich muß sagen, sie haben beide recht. Immerhin kann ich jetzt erstklassigen Butterkuchen und Rosinenkuchen backen. Letzte Woche hat mich so der Ehrgeiz gepackt, daß ich mich an Windbeutel herangewagt habe, aber die sind mir kläglich mißlungen. Platt wie Flundern kamen sie aus dem Ofen. Ich dachte. vielleicht würden sie wieder aufgehen, wenn ich sie mit Sahne fülle, aber nichts da. Ich glaube, Susan war insgeheim ganz froh darüber. Sie beherrscht die Kunst des Windbeutelmachens meisterhaft, und es würde ihr das Herz brechen, wenn irgend jemand aus der Familie das genauso gut könnte wie sie. Womöglich hat Susan heimlich – nein, das will ich ihr lieber doch nicht unterstellen.

      Miranda Pryor hat mich neulich besucht und mir geholfen, bestimmte Rotkreuzgewänder auszuschneiden, die unter dem reizenden Namen ‚Ungezieferhemden‘ bekannt sind. Susan findet den Namen nicht gerade anständig, also schlug ich ihr vor, sie ‚Läusesäcke‘ zu nennen, wie Sandy, der alte Schotte, dazu sagt. Aber sie schüttelte den Kopf, und später hörte ich, wie sie zu Mutter sagte, ‚Läuse‘ und ‚Säcke‘ wären wohl nicht die richtigen Ausdrücke für ein junges Mädchen. Zu ihrem Entsetzen schrieb Jem auch noch in seinem letzten Brief an Mutter: ‚Sag Susan, daß ich heute morgen auf Läusejagd war und dreiundfünfzig gefangen habe!‘ Susan wurde grün wie eine Erbse. ‚Liebe Frau Doktor‘, sagte sie, ‚wenn zu meiner Zeit anständige Leute das Pech hatten, sich solche – solche Insekten – einzufangen, dann schwiegen sie darüber. Ich will bestimmt nicht kleinlich sein, liebe Frau Doktor, aber ich finde nach wie vor, man sollte über solche Dinge nicht reden.‘

      Miranda wurde über unseren Ungezieferhemden sehr vertraulich und erzählte mir von ihren Sorgen. Sie ist todunglücklich. Sie ist mit Joe Milgrave verlobt, und der hat sich im Oktober anwerben lassen und ist seither bei der Truppenübung in Charlottetown. Ihr Vater war wütend, als er das hörte, und verbot Miranda jeden weiteren Umgang mit ihm. Der arme Joe. Er rechnet jeden Tag damit, nach Übersee zu gehen, und möchte, daß Miranda ihn noch vorher heiratet. Es muß also hinter Schnauzbarts Rücken schon zu einer Art ‚Umgang‘ zwischen den beiden gekommen sein. Miranda will ihn heiraten, aber sie kann nicht, und das bricht ihr das Herz, sagt sie.

      ‚Warum brennst du nicht einfach mit ihm durch und heiratest ihn?‘ fragte ich sie. Ich hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei, ihr einen solchen Rat zu geben. Joe Milgrave ist ein wunderbarer Mensch, und Mr. Pryor war ganz begeistert von ihm, bevor der Krieg ausbrach. Mr. Pryor würde Miranda ganz bestimmt verzeihen, wenn es einmal passiert ist, nur damit sie wieder zurückkommt und ihm den Haushalt führt. Aber Miranda schüttelte traurig ihr silberblondes Haupt.

      ‚Joe will mich, aber ich kann nicht. Mutters letzte Worte auf dem Sterbebett waren, daß ich nie, nie weglaufen dürfe, und ich habe es ihr versprochen.‘

      Mirandas Mutter ist vor zwei Jahren gestorben. Aber wenn ich sie richtig verstanden habe, sind ihre Mutter und ihr Vater damals selber durchgebrannt, um zu heiraten. Es fällt mir allerdings schwer, mir Mondgesicht-mit-Schnauzbart vorzustellen, wie er mit seiner Geliebten durchbrennt. Aber so war es wohl, und Mrs. Pryor hat das wohl zeitlebens bereut. Sie hatte es schwer mit Mr. Pryor, und sie hielt das für die Strafe dafür, daß sie weggelaufen war. Deshalb mußte Miranda ihr versprechen, daß sie das niemals macht, egal, was kommt.

      Natürlich kann man ein Mädchen nicht dazu überreden, das Versprechen zu brechen, das sie ihrer sterbenden Mutter gegeben hat. Ich sah also keine andere Möglichkeit als die, daß Joe zu ihr nach Hause kommt, wenn ihr Vater nicht da ist, und sie dort heiratet. Aber Miranda sagte, das ginge nicht. Ihr Vater hätte wohl den Verdacht, daß ihr so etwas vorschwebte, und ginge deshalb schon seit längerem nicht mehr aus dem Haus. Und Joe würde natürlich auch nicht gerade von einer Minute auf die andere Urlaub bekommen.

      ‚Nein, ich werde Joe einfach gehen lassen müssen, und dann wird er umkommen – ich weiß, daß er umkommt —, und das wird mir das Herz brechen‘, schluchzte Miranda, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen und die Ungezieferhemden einweichten!

      Wenn ich das so formuliere, heißt das nicht, daß ich mit der armen Miranda kein Mitleid hätte. Es ist eine Gewohnheit von mir geworden, ein bißchen zu witzeln, wenn ich an Jem und Walter schreibe; ich will sie damit einfach zum Lachen bringen. Miranda tat mir wirklich leid, wo sie doch so bis über beide Ohren in Joe verliebt ist und wo sie sich so schrecklich schämt, weil ihr Vater für die Deutschen ist. Ich glaube, sie wußte, daß ich Mitleid hatte mit ihr, weil sie sagte, ich hätte mich das letzte Jahr zu so einem verständnisvollen Menschen entwickelt. Und deswegen wollte sie mir ihre Sorgen anvertrauen. Ich frage mich, ob das stimmt. Ich weiß, ich war früher ein egoistisches, gedankenloses Ding. Ich schäme mich richtig, wenn ich daran zurückdenke. Also kann ich doch jetzt so schlimm nicht mehr sein.

      Wenn ich Miranda doch bloß helfen könnte. Es wäre doch bestimmt sehr romantisch, eine Kriegshochzeit anzuzetteln, und ich würde Mondgesicht-mit-Schnauzbart zu gern eins auswischen. Aber bis jetzt hat das Orakel noch nicht gesprochen.“

      Eine Kriegshochzeit

      „Lieber Doktor, eines kann ich Ihnen sagen“, sagte Susan, blaß vor Zorn, „Deutschland macht sich langsam wirklich lächerlich.“

      Alle waren in der großen Küche von Ingleside versammelt. Susan war gerade dabei, einen Plätzchenteig fürs Abendessen anzurühren. Anne machte Butterkuchen für Jem, und Rilla mixte Kandisbonbons für Ken und Walter zusammen. Früher waren es in Rillas Gedanken immer Walter und Ken gewesen, aber irgendwie hatte sich wie von selbst die Reihenfolge geändert, und Ken war an die erste Stelle getreten. Auch Cousine Sophia war da und beschäftigte sich mit Stricken. Früher oder später würden alle Jungen umkommen, das spürte Cousine Sophia bis in die Knochen, aber besser mit warmen Füßen sterben als mit kalten. Also strickte sie mit finsterem Blick drauflos.

      Mitten in diese friedliche Szene platzte Gilbert hinein, der ganz außer sich war über die Nachricht, daß die Parlamentsgebäude von Ottawa niedergebrannt worden waren. Susan ließ sich sogleich von seiner Wut anstecken.

      „Was stellen diese Hunnen denn noch alles an!“ rief sie aufgebracht. „Kommen einfach hierher und stecken unsere Parlamentsgebäude in Brand! Ist das nicht eine Ungeheuerlichkeit!“

      „Es steht nicht fest, ob die Deutschen dafür verantwortlich sind“, sagte Gilbert, wobei er sich so anhörte. als sei er sich dessen sicher. „Sie haben nicht bei jedem Brand die Hand im Spiel. Onkel Mark MacAllisters Scheune zum Beispiel ist letzte Woche abgebrannt. Dafür kannst du wohl schlecht den Deutschen die Schuld geben, Susan.“

      „Da bin ich mir gar nicht so sicher, lieber Doktor“, sagte Susan und schüttelte unheilverkündend den Kopf. „Mondgesicht-mit-Schnauzbart war genau an dem Tag dort. Eine halbe Stunde, nachdem er weg war, brach das Feuer aus. Soviel steht jedenfalls fest – aber ich werde mich hüten, einen Kirchenältesten der Brandstiftung zu verdächtigen, ehe ich keine Beweise habe. Aber immerhin weiß doch jeder, lieber Doktor, daß beide Söhne von Onkel Mark zur Front gegangen sind und daß Onkel Mark selbst auf sämtlichen Rekrutierungsversammlungen Reden hält. Deutschland ist also bestimmt darauf bedacht, es ihm heimzuzahlen.“

      „Ich würde es nie fertigbringen, auf solchen Rekrutierungsversammlungen zu sprechen“, sagte Cousine Sophia ernst. „Ich könnte es nie mit meinem Gewissen vereinbaren, den Sohn einer anderen Frau zum Kriegsdienst aufzufordern, damit er mordet und selbst ermordet wird.“

      „Wirklich nicht?“ sagte Susan. „Liebe Sophia Crawford, was mich betrifft, ich könnte jeden dazu auffordern, wenn ich in der Zeitung lese, daß in Polen kein einziges Kind unter acht Jahren mehr am Leben geblieben ist. Stell dir das mal vor, Sophia Crawford“, Susan hob drohend ihren mehligen Finger, „kein – einziges – Kind – unter – acht – Jahren!“

      „Wahrscheinlich