Lucy Maud Montgomery

Anne & Rilla - Der Weg ins Glück


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zurückkehrt?“

      „Nein“, sagte Miranda mit plötzlicher Entschlossenheit. „Nein, habe ich nicht.“

      „Wirst du also das tun, was ich dir sage?“

      „Ja.“

      „Dann rufe jetzt Joe an und sage ihm, er soll heute abend eine Genehmigung und einen Ring mitbringen.“

      „Das – das geht doch nicht“, fing Miranda wieder an zu jammern, „das – das gehört sich doch einfach nicht.“

      Rilla klappte hörbar die Zähne zusammen und zischte kaum hörbar: „Jetzt platzt mir aber gleich der Kragen! Dann tue ich es eben!“ rief sie laut. „Und du gehst inzwischen nach Hause und bereitest alles soweit wie möglich vor. Und wenn ich dich anrufe, um dir zu sagen, daß du kommen und mir beim Nähen helfen sollst, dann komm aber auch sofort!“

      Blaß und verstört, aber wild entschlossen machte sich Miranda auf den Weg. Rilla sauste zum Telefon und meldete ein Ferngespräch nach Charlottetown an. Die Verbindung kam dermaßen prompt zustande, daß für Rilla feststand, der Allmächtige sei mit ihrem Tun einverstanden. Aber es dauerte noch eine gute Stunde, ehe sie Joe Milgrave in seinem Lager erreichen konnte. In der Zwischenzeit wanderte sie ungeduldig auf und ab und betete, daß, wenn sie Joe am Apparat hatte, niemand in der Leitung war, der mithörte und die Neuigkeit an Mondgesicht-mit-Schnauzbart weitergab.

      „Bist du ’s, Joe? Hier spricht Rilla Blythe. Rilla – Rilla —, ach, egal. Hör zu. Bevor du heute abend nach Hause kommst, besorge dir eine Heiratserlaubnis – eine Heiratserlaubnis – ja, eine Heiratserlaubnis! Und einen Trauring. Hast du verstanden? Wirst du dich darum kümmern? Gut, aber nicht vergessen. Es ist eure einzige Chance!“

      Rilla war ganz aus dem Häuschen. Ihre einzige Sorge war gewesen, daß sie nicht rechtzeitig zu Joe durchkam. Jetzt hieß es bei Pryors anrufen. Diesmal hatte sie nicht soviel Glück, denn sie erwischte Mondgesicht-mit-Schnauzbart.

      „Ist dort Miranda? Oh, Mr. Pryor! Ach, Mr. Pryor, wären Sie so nett und würden Miranda fragen, ob sie heute nachmittag zu mir kommen und mir beim Nähen helfen kann? Es ist sehr dringend, sonst würde ich sie nicht darum bitten. Danke, vielen Dank!“

      Mr. Pryor hatte sich zwar ziemlich mürrisch angehört, aber immerhin, er erlaubte es. Schließlich wollte er es sich mit Dr. Blythe nicht verderben, und wenn er Miranda verbot, für das Rote Kreuz zu arbeiten, dann würden die Leute in Glen ihm doch bloß wieder die Hölle heiß machen.

      Rilla ging hinaus in die Küche, tat ganz geheimnisvoll und machte alle Türen zu. Susan schöpfte gleich wieder Verdacht. Dann sagte Rilla feierlich: „Susan, kannst du heute nachmittag einen Hochzeitskuchen backen?“

      „Was, einen Hochzeitskuchen?!“ Susan starrte sie ungläubig an. Rilla hatte ihr einst ohne Vorwarnung ein Kriegsbaby ins Haus geschleppt. Sollte sie nun ebenso plötzlich und unerwartet einen Ehegatten anschleppen?

      „Ja, einen Hochzeitskuchen – einen ganz besonderen Hochzeitskuchen, Susan, einen wunderschönen Hochzeitskuchen mit vielen Rosinen und vielen Eiern und mit Zitronenschale. Und wir müssen noch ein paar andere Sachen vorbereiten. Ich werde dir morgen früh helfen. Aber heute nachmittag habe ich keine Zeit, weil ich ein Hochzeitskleid nähen muß. Jede Minute zählt, Susan.“

      Susan war wohl doch inzwischen zu alt für solche schockartigen Überraschungen.

      „Wen gedenkst du denn zu heiraten, Rilla?“ fragte sie schwach.

      „Aber liebe Susan, nicht ich bin die glückliche Braut. Miranda Pryor wird Joe Milgrave heiraten, und zwar morgen nachmittag, wenn ihr Vater in der Stadt ist. Eine Kriegshochzeit, Susan – ist das nicht aufregend und romantisch? Noch nie im Leben war ich so aufgeregt!“

      Die Aufregung erfaßte bald ganz Ingleside, einschließlich Anne und Susan.

      „Auf der Stelle werde ich diesen Hochzeitskuchen in Angriff nehmen“, gelobte Susan mit einem Blick auf die Uhr. „Liebe Frau Doktor, würden Sie mir helfen, die Rosinen auszulesen und die Eier aufzuschlagen? Dann könnte ich den Kuchen heute abend noch in den Ofen schieben. Morgen früh können wir dann Salate und so was machen. Ich werde die ganze Nacht durchmachen, wenn nötig, damit ich endlich Mondgesicht-mit-Schnauzbart eins auswischen kann.“

      Atemlos und den Tränen nah kam Miranda angekeucht.

      „Wir müssen mein weißes Kleid umändern, damit es dir paßt“, sagte Rilla. „Du siehst dann bestimmt sehr nett darin aus.“

      Und schon wurde aufgetrennt, anprobiert, geheftet und genäht, als sei der Teufel hinter ihnen her. Sie schafften so unermüdlich, daß das Kleid bis sieben Uhr abends fertig war und Miranda es in Rillas Zimmer anziehen konnte.

      „Es ist wirklich sehr hübsch, aber – ach, was gäbe ich um einen Schleier“, seufzte Miranda. „Ich habe immer schon davon geträumt, mit einem schönen weißen Schleier zu heiraten.“

      Es gibt wohl eine gute Fee, die die Wünsche einer Kriegsbraut erhört. Die Tür ging auf, und Anne kam herein, mit einer hauchdünnen Last auf dem Arm.

      „Liebe Miranda“, sagte sie. „Ich möchte, daß du morgen meinen Hochzeitsschleier trägst. Es ist vierundzwanzig Jahre her, daß ich eine Braut war, damals auf Green Gables – die glücklichste Braut auf Erden. Und der Hochzeitsschleier einer glücklichen Braut bringt Glück, heißt es.“

      „Oh, wie lieb von Ihnen, Mrs. Blythe“, sagte Miranda, während ihr die einsatzbereiten Tränen in die Augen traten.

      Der Schleier wurde anprobiert und drapiert. Susan schneite bewundernd herein, nahm sich aber nicht lange Zeit.

      „Ich habe den Kuchen im Ofen“, sagte sie. „Und ich spitze fleißig die Ohren. In den Abendnachrichten heißt es, der Großherzog hätte Erzerum eingenommen. Das ist eine bittere Pille für die Türken. Wie konnte der Zar nur den Fehler machen und Nicholas abkanzeln.“

      Susan entschwand wieder in die Küche. Im selben Augenblick waren ein dumpfer Schlag und ein durchdringender Schrei zu hören. Alles rannte hinunter in die Küche: Gilbert und Miss Oliver, Anne, Rilla und Miranda mit ihrem Hochzeitsschleier. Susan saß mit ausgestreckten Beinen mitten auf dem Küchenboden und machte ein völlig verstörtes Gesicht, während Doc offensichtlich wieder mal als Mr. Hyde auftrat und mit Katzenbuckel, blitzenden Augen und steil aufgerichtetem Schwanz – dreimal so lang wie gewöhnlich – auf der Anrichte stand.

      „Susan, was ist passiert?“ rief Anne erschrocken. „Bist du hingefallen? Bist du verletzt?“

      Susan stand mühsam auf. „Nein“, sagte sie grimmig. „Ich bin nicht verletzt, auch wenn ich am ganzen Körper zittere. Kein Grund zur Unruhe. Es ist nichts passiert, ich habe bloß versucht, diesem verdammten Kater mit beiden Füßen einen Tritt zu versetzen.“

      Alles prustete los. Gilbert konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.

      „Susan, Susan!“ keuchte er. „Daß du mal fluchst, wer hätte das gedacht!“

      „Tut mir leid, daß ich in Anwesenheit zweier junger Damen einen solchen Ausdruck gebraucht habe“, sagte Susan mit schlechtem Gewissen. „Aber es ist nun mal ein verdammter Kater. Der ist doch mit dem Teufel im Bunde!“

      „Dann wird er wohl eines Tages mit lautem Getöse und Schwefelgestank zur Hölle fahren, was. Susan?“

      „Er wird rechtzeitig dahin gehen, wohin er gehört, darauf könnt ihr euch verlassen“, sagte Susan mürrisch, brachte ihre Knochen wieder in Ordnung und ging zum Ofen. „Der Plumps auf den Boden hat jetzt bestimmt meinen schönen Kuchen so erschüttert, daß er schwer ist wie Blei.“

      Aber der Kuchen war nicht schwer wie Blei. Er war genau so, wie ein Hochzeitskuchen sein soll, und Susan verzierte ihn mit einer hübschen Glasur. Am Tag darauf hatten Susan und Rilla alle Hände voll damit zu tun, Delikatessen fürs Hochzeitsmahl zuzubereiten. Und sobald Miranda anrief, um ihnen mitzuteilen, daß ihr Vater endlich weg sei, wurde alles in einen großen Korb gepackt und zu den Pryors hinübergebracht. Bald darauf erschien Joe ganz aufgeregt in seiner Uniform, und Sergeant Malcolm Crawford begleitete ihn als Trauzeuge. Es kamen einige Gäste zusammen, nämlich alle aus dem Pfarrhaus