Richard Buttner

Reisen im Kongogebiet


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KAPITEL: ZWISCHEN DEM STANLEYPOOL UND NGOMBE-MANJANGA

       Veränderungen – Briefe – Ursache des Ausflugs nach Ngombe – Unsere Begleitung – Das Terrain – Nachrichten aus San Salvador – Schwierigkeit der Verproviantierung – Vom Kongostaat und seiner Zukunft – Übergang über den Nkissi – Die Verödung der Route – Die Station in Ngombe-Manjanga – Weihnachten – Wichtigkeit der Station – Französisches Kongogebiet – Höchster Wasserstand – Die Rückkehr zum Pool – Mangel auf der Route – Das niedergebrannte Dorf – Ankunft in Léopoldville – Das Ende des Jahres

       16. KAPITEL: DIE RÜCKKEHR ZUR KÜSTE

       Das Wasser fällt – Pläne – Fieber – Ankunft der Leutnants Kund und Tappenbeck – Die Lukenje-Expedition – Beschluß der Rückkehr – Abschied vom Pool – Moden der Eingeborenen – Hunde, Beschwerlichkeiten – Übermut der Träger – Einheimische Justiz – Katholische Missionare – Leutnant Wißmann – Trostlose Gegend – Talkessel von Lukunga – Mrs. und Mr. Ingham – Die Staatsstation – Die Mission – Die Quelle – Die Kundsche Karawane – Ein reduzierter Reisender – Die regennasse Kampine – Elefantenjagd – Der Missionar von Bansa Manteka – Übergang über den Mposu – Ankunft in Ango-Ango – Mr. Comber und Mr. Weeks – Schwierigkeiten der Reise nach San Salvador – Kornelius in San Salvador – In Banana – Heimkehr

      EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

      Richard Büttner stammte aus Brandenburg, wo er im Jahr 1858 geboren wurde. Nach dem Abitur in Potsdam absolvierte er ein naturwissenschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Chemie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, das er 1883 erfolgreich mit einer Promotion beendete. Für einen jungen Naturwissenschaftler mit Entdeckerdrang boten sich im Deutschland jener Zeit recht gute Möglichkeiten, wuchs doch der öffentliche, natürlich auch von Vertretern der Wirtschaft geschürte Druck auf die Reichsregierung, dass sich nunmehr auch das Deutsche Reich an der kolonialen Expansion beteiligen solle, wie sie von den Weltmächten betrieben wurde. Bislang hatte die politische Situation in Deutschland solche Bestrebungen nicht zugelassen, aber nach der Gründung des von den damals führenden politischen Kräften vehement geforderten Nationalstaates im Jahr 1871 sollten die Voraussetzungen auch für solche Unternehmungen geschaffen sein. Bismarck hatte sich gegen diese Möglichkeit der politischen Ausdehnung immer mit dem Hinweis darauf zur Wehr gesetzt, dass das Reich bei Weitem nicht über die finanziellen Ressourcen verfüge, um sich solche Besitzungen überhaupt leisten zu können. Vor diesem Hintergrund etwa hatte man 1871 das französische Angebot dankend abgelehnt, als Kompensation für die Kosten des Krieges von 1870/71 jenen französischen Besitz in Indochina zu übernehmen, der sich in etwa mit dem Gebiet der modernen Staaten Vietnam und Laos deckte. So kam es, dass in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die europäischen Großmächte – zunächst noch mit Ausnahme Deutschlands – und die Vereinigten Staaten von Amerika mehr oder weniger die ganze Welt in ihre Interessenssphären aufgeteilten und unter koloniale Verwaltung stellten. Es versteht sich von selbst, dass damit auch reichlich Anlass für politische und militärische Konflikte gegeben war, wobei von den großen Kolonialreichen allein das russische bis heute besteht und allem Anschein nach auch den Zerfall der Sowjetunion überdauern wird, während der British Commonwealth nur noch ein sehr schwacher Abglanz englischer kolonialer Größe ohne wirkliche politische Bedeutung ist.

      Zum Teil ungeklärt in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts war jedoch die Lage in Afrika, das erst wenige Jahrzehnte zuvor wissenschaftlich erforscht worden war. So gab es für Deutschland im Grunde nur auf dem Schwarzen Kontinent eine Möglichkeit dazu, größere koloniale Besitzungen zu erwerben. Für Bismarck war es in dieser Situation jedoch wichtiger, das sogenannte Gleichgewicht der Mächte aufrecht zu erhalten, das an der Auseinandersetzung insbesondere um Zentralafrika hätte zerbrechen können – ein Gebiet, das Henry Morton Stanley mit seinen Expeditionen der Jahre 1874 bis 1877 als Erster bekannt gemacht hatte. Bismarck lud vor diesem Hintergrund die Weltmächte jener Zeit zur Kongokonferenz nach Berlin ein, die vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 tagte und an der mit England, Frankreich, Spanien, Portugal, den Niederlanden, Belgien, Russland, Dänemark, Schweden, Italien, den Vereinigten Staaten und dem Osmanischen Reich alle an Afrika interessierten oder dort bereits politisch engagierten Staaten teilnahmen. Die Initiative zu dieser Konferenz ging jedoch vom Königreich Belgien aus, dessen König Leopold II. (1865–1909) hier eine Möglichkeit sah, eigene Interessen zu verwirklich und seinem erst im Jahr 1830 gegründeten Reich eine bessere wirtschaftliche Basis zu verschaffen. Bismarck bzw. das Deutsche Reich boten sich deshalb als Moderatoren dieser Verhandlungen an, weil es noch keine international klar erkennbaren Bestrebungen dazu gab, sich selbst aktiv in Afrika zu engagieren. Die Ergebnisse der Kongokonferenz wurden in der sogenannten Kongoakte festgehalten, die nicht nur die Verhältnisse in Zentralafrika regeln sollte, sondern mittelbar auch den Anlass dafür abgab, dass nach 1885 ein hektischer Wettlauf um Afrika insbesondere zwischen Frankreich und England einsetzte, nachdem sich die früheren Bemühungen des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen noch auf den Maghreb im Norden und das Kapland im Süden des Kontinents beschränkt hatten. Für Deutschland, aber auch für etwaige deutsche Expeditionen, sollte es wichtig sein, dass dabei die Flusssysteme des Kongo und des Niger mit ihren angrenzenden Gebieten zu Freihandelszonen erklärt wurden und damit befahrbar zu bleiben hatten.

      Für Leopold II. indessen waren die Ergebnisse der Kongokonferenz ein echter politischer Erfolg. Denn jenes Gebiet, das sich mit der heutigen Demokratischen Republik Kongo deckte, wurde als Kongofreistaat (Etat indépendant du Congo) unter Leopolds persönliche Verwaltung gestellt – der es infolgedessen als seinen Privatbesitz ansah. Allerdings sollte Bismarcks grundsätzliche Zurückhaltung im Blick auf mögliche koloniale Erwerbungen im Falle des Kongo durchaus bestätigt werden. Denn wie bereits der hier publizierte Reisebericht Richard Büttners andeutete, war man in Belgien einer solchen Aufgabe finanziell nicht gewachsen. Infolgedessen ging Leopold zu einer rücksichtlosen Ausbeutung der wirtschaftlichen und menschlichen Ressourcen des Landes über, die Millionen von Toten zur Folge haben sollte. Auch hier kann man bereits Büttners Bericht entnehmen, dass es im Kongo neben sehr fruchtbaren Gebieten, in denen man Kautschuk und Palmöl gewann, beides Rohstoffe, die in Amerika und in Europa gleichermaßen hoch begehrt waren, auch größere Steppenregionen gab, die keinerlei wirtschaftlichen Nutzen versprachen. Der Terror der königlichen Verwaltung des Kongo und die sogenannten Kongoverbrechen erzeugten in der Folgezeit jedoch weltweit Druck auf Belgien, das daraufhin im Jahr 1908 Leopold den Kongofreistaat entzog und ihn nunmehr als Kolonie unter staatlich-parlamentarische Leitung stellte – auch wenn dies die Verhältnisse im Land nur vorübergehend bessern sollte.

      Bereits im Jahr 1876 hatte Leopold II. ein Komitee zur Erforschung des oberen Kongo gegründet, das vermeintlich nur wissenschaftlichen Zwecken diente: die Association internationale africaine (A. I. A.). Ähnliche Zusammenschlüsse gab es natürlich auch in anderen Ländern – etwa in Deutschland. So wurde im Jahr 1873 mit Unterstützung der hanseatischen Kaufmannschaft die Deutsche Gesellschaft zur Erforschung Zentralafrikas ins Leben gerufen, die der wissenschaftlichen Erkundung der gesamten Region diente, darüber hinaus aber auch die Möglichkeiten für Handel und Gewerbe abklären sollte. Als nationales Komitee der A. I. A. formierte sich 1876 in Berlin die Deutsche Afrikanische Gesellschaft, die sich entsprechend der Brüsseler Beschlüsse der kulturellen, geistigen und wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas widmen sollte. Beide deutschen Gesellschaften verfolgten nun ähnliche Ziele, sodass es am 29. April 1878 zu einer Fusion kam und man sich auf den Namen Afrikanische Gesellschaft in Deutschland einigte. Mit finanziellen Mitteln der Reichsregierung sowie des deutschen Bundesrats, die im sogenannten Afrikafonds zusammengefasst waren, stattete diese Gesellschaft nun bis 1887 eine Reihe von Expeditionen aus, die den satzungsgemäßen Zielen verpflichtet waren – dabei jedoch von Bismarck beargwöhnt, der hier wegen der Möglichkeit einer Verquickung mit wirtschaftlichen Interessen internationale Konflikte aufziehen sah, die ihrerseits die nunmehr auf kaiserlichen Druck hin erfolgten kolonialen Bestrebungen in West- und