Richard Buttner

Reisen im Kongogebiet


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und Brohmschen Faktorei den provisorischen Konsul für Lomé, Bagidda und Porto Seguro, der uns eingehend über die Ursachen und Vorgänge der Besitzergreifung Bericht erstatten konnte.

      Am Morgen des 27. August lagen wir vor Little Popo, dessen König oder Chief und drei der angesehensten Männer vor kurzem die »Sophie« gefangen genommen und nach Deutschland geführt hatte. Zur Zeit unserer Anwesenheit herrschte dort eine große politische Verwirrung, indem sowohl die Deutschen als auch die Engländer und Franzosen je einen König aufgestellt hatten. Wir ignorierten natürlich die anderen Prätendenten und machten dem nationalen Cudjovi einen Besuch, bei welchem derselbe in weißem, großem Schultertuch und in schwarzem Zylinderhut erschien und uns eine Flasche Rum vorsetzte. Für noch feierlichere Staatsaktionen bedient sich der Alte eines blauen Klapphutes.

      In Little Popo stellten uns die deutschen Herren in ihrer ausgezeichneten Liebenswürdigkeit – die man uns überall an der Küste in den Faktoreien der Firmen Woermann, Gödel und Götschow, Gödel, Wölber und Brohm, Vietor und Söhne und in der Baseler und Bremer Mission entgegenbrachte – für die Lagunenfahrt nach Whyda ihr hübsches Boot mit Bedienung und splendider Verproviantierung zur Verfügung. In kurzer Entfernung von der Küste zieht sich nämlich parallel mit derselben ein ausgedehntes System von Lagunenkanälen hin, die eine bequeme Verbindung der Küstenplätze darbieten, während die Dampfer natürlich ihren Weg auf dem Meere zu nehmen haben.

      Der 28. August ließ uns in achtstündiger Fahrt auf der Lagune nach Grand Popo gelangen. Unser Boot war durch ein Segeldach vor den Strahlen der Sonne geschützt und wurde von drei Schwarzen durch Palmblattrippen verhältnismäßig schnell vorwärts gestoßen. Die Kanäle sind von verschiedener Breite, die bisweilen bis auf einige hundert Meter steigen mag, und von sehr einförmiger Mangroven- und Buschvegetation eingefaßt. Hier wurde uns auch zum ersten Mal der Anblick gewaltiger Krokodile zu teil, die an sonnigen Uferstellen der Ruhe pflegten, bei Annäherung unseres Bootes jedoch stets in das Wasser stürzten.

      Grand Popo ist ein Ort von etwa 8 000 Einwohnern mit bedeutendem Handel und zahlreichen Faktoreien. Nach gastfreundlichster Bewirtung und moskitoumschwärmter Nacht unternahmen wir am nächsten Morgen auf dem von Gräben durchzogenen, sehr sumpfigen Gebiete in Nähe des Ortes eine zweistündige Jagdpartie, der eine Anzahl größerer Vögel, zumeist Reiherarten, zum Opfer fielen.

      Nach dem Frühstück wurde die Bootfahrt auf der Lagune wieder aufgenommen, die in sechs Stunden an einer Uferstelle endete, von wo wir uns – um nach Whyda zu kommen – noch einem einstündigen, in der Dunkelheit etwas abenteuerlichen Landtransport über sehr sumpfiges Gebiet in Hängematten und auf den Schultern der aus der Gödelschen Faktorei entgegengesandten Accra- und Kruleute zu unterziehen hatten.

      Das Gödelsche Haus in Whyda unterscheidet sich von den schuppenartigen und recht primitiven Faktoreien von Lomé, Little und Grand Popo durch elegante, ja selbst luxuriöse Ausstattung. Das stattliche steinerne Gebäude liegt an erhöhter Stelle der Stadt, an einem mit rotblühendem Clerodendrongesträuch bestandenen Platz. Von der Veranda erblickt man durch ein Fernrohr über die Stadt hinweg gerade noch die Spitzen der Masten der auf der Reede liegenden Schiffe, und hatten wir am 29. August das Vergnügen diejenigen des »Professor Woermann« zu entdecken.

      Whyda bietet des Interessanten sehr viel. Die aus rotem Lehm gefertigten und mit Palmblättern gedeckten Häuser der Stadt, die an 40 000 Einwohner zählen soll, sind in regelrechten und teilweise mit Orangenbäumen bepflanzten Straßen angeordnet. Alle Häuser, Straßen und Stadtviertel haben Spezialfetische, die in den absonderlichsten Formen erscheinen, oft freilich nur aus ein paar Topfscherben bestehen, in denen Speisereste sich befinden. Stadtfetisch sind die Schlangen, denen man ein Heim in dem weitbekannten Schlangentempel gegeben hat. Derselbe ist ein nicht bedeutendes, ummauertes, mit einigen Bäumen bestandenes Gebiet inmitten der Stadt und enthält in einigen offenen Pavillons eine ganze Anzahl verschiedenartiger Schlangen, die sich freilich oft genug in den Häusern der Bewohner einfinden, wo die Tiere, nachdem die Tempeldiener benachrichtigt worden sind, mit Geschick wieder eingefangen und in Säcken feierlichst in ihr Quartier zurücktransportiert werden. Gewisse Verehrung genießt auch der große Fetischbaum – ein Baumwollbaum – dessen gewaltiger Stamm von Rindenstreben gestützt ist, die in einem Kreise von etwa fünfzig Meter Umfang liegen. Auffallend sind ferner die zahlreichen großen, nackthalsigen Geier, die – gleich Krähen auf den Dachfirsten sitzend – für gewissenhafte Reinigung der Straßen sorgen. Einige große Bäume inmitten der Stadt sind während der Tagszeit völlig behängt mit Scharen dicht aneinander gedrängter fliegender Hunde, die des Nachts ihre Streifzüge in die Umgegend unternehmen. Zur Zeit unserer Anwesenheit war die Stadt verhältnismäßig ruhig, denn alle angesehenen Leute, sowie die Amazonen des Königs, waren in der einige Tagereisen entfernten Residenzstadt Abómé, in der gerade die alljährlichen customs abgehalten wurden, jene Feste, bei denen die Gefangenen, die man früher als Sklaven exportiert hätte, zu Hebung der Feierlichkeit, und um sich derselben zu entledigen, in großer Zahl geschlachtet werden.

      Das Königreich ist in jeder Beziehung gut organisiert und das Beamtenwesen sehr ausgebildet, so daß überall im Lande Ruhe und Ordnung herrschen, die dem krassen Despotismus des Königs, dem auch die weißen Kaufleute sich fügen müssen, als ein Verdienst anzurechnen sind.

      Am Morgen des 30. August erhielten wir in der Faktorei den Besuch eines der Würdenträger des Staates, der von Abómé gekommen war, um Dr. Nachtigal die Geneigtheit des Königs, den Deutschen gewisse Rechte im Land einzuräumen, anzukündigen und ihn zum Behuf der Verhandlungen nach der Residenz einzuladen. Da die Gesandtschaft Dr. Nachtigal nicht mehr an der Küste angetroffen hatte, so wurden wir als Vertreter der deutschen Nation für würdig befunden, diese Botschaft des Königs an unseren Generalkonsul – den wir auf der Fahrt südwärts voraussichtlich treffen würden – weiter zu bestellen. Der Gesandte des Königs brachte als Legitimation einen Stock seines Herrn mit sich, bei dessen Anblick die Eingeborenen auf die Erde zu fallen, die Weißen aber die Hüte zu lüften haben.

      Nach dem Frühstück am 31. August nahmen wir Abschied von unseren Gastfreunden und stiegen zur Beach hinab, wo wir über Sumpf und Lagune nach zwei Stunden anlangten, aber noch dieselbe Zeit in Sicht des Dampfers zu warten hatten, da die Erlaubnis des Stadtvorstehers, das Land zu verlassen, noch nicht eingetroffen war. Als diese Erlaubnis endlich in Gestalt des Stockes desselben anlangte, gingen wir zu Boot, um unter den Beschwörungen des Steuermanns und eines von den Faktoreien besoldeten Fetischmannes – die dadurch die Macht der Brecher zu besänftigen haben – glücklich wieder an Bord unseres Dampfers zu gelangen.

      Am 3. September lagen wir vor dem Kamerundelta; am folgenden Morgen aber erst führte der offizielle schwarze Lotse, Herr Bottlebeer, den Dampfer den Fluß aufwärts, wo wir vor der Woermannschen Faktorei vor Anker gingen, um sofort in der herzlichsten Weise von den deutschen Herren begrüßt zu werden. Es waren dies Dr. Buchner, der zur Zeit hier als Reichskommissär postiert war, ferner die Herren Dr. Passavant und Dr. Pauli, welche das Hinterland zu erforschen hierher gekommen waren und ihre Wohnung auf der »Hamburger Louise«, der Hulk5 des biederen Kapitäns Voß, aufgeschlagen hatten, dessen Liebenswürdigkeit kennen zu lernen auch wir mehrfach Gelegenheit nahmen. Im übrigen fanden wir eine Anzahl Kaufleute vor, darunter auch Hern Panthenius, der als Agent der zweiten Woermannschen Kamerunfaktorei einige Monate später bei Gelegenheit des Kampfes unserer Marine ein Opfer der Bestialität der Eingeborenen werden sollte.

      Einen wesentlich günstigeren Eindruck als die öde Sandküste des nördlichen Protektoratgebietes macht das erhöhte und gut mit Vegetation bestandene linke Ufer des Kamerunflusses, von dem herab dem Ankömmling Bananen, Kokos- und Ölpalmen, Pandanus und Baumwollbäume entgegenwinken. Auch ein Gang durch die Dörfer King Bells und King Akwas läßt das freundliche Bild nicht erblassen, denn das Auge trifft auf allerdings nur bescheidene Kulturen von Zuckerrohr, Voandzieen, Yams, Bataten, Kolokasien, Maniok und Bananen.

      Bei einem unserer Spaziergänge mit Dr. Buchner kehrten wir im Hause Chief Joss’ ein, der uns frische Kokosnußmilch und von der Weinpalme gewonnenen Palmsaft in Karaffen und Gläsern vorsetzen ließ. Die Wohnung dieses wohlhabenden Mannes zeigte Überfluß an europäischen Artikeln, wie Stühlen, Bildern, Spiegeln, Uhren, Lampen und anderen Dingen mehr.

      Das Leben auf dem Flusse ist zuzeiten ein bewegtes;