Herrin gestellt werden sollten.
Mit gutem Wetter fuhren wir am 3. August um die Mittagszeit in den Kanal ein und konnten dort für eine gute Weile zugleich auf die beiden Küsten blicken, wobei wir aber der englischen sehr viel näher blieben und eine interessante Ausschau auf ihre weißen Kalkmauern und die zahlreichen Ortschaften hatten. Die See ging hier höher als in dem deutschen Meer, welche Veränderung sofort die unvollständige Besetzung der Tafel im Salon zur Folge hatte; das Wetter blieb indessen klar und ruhig, und am folgenden Tage verließen wir bei der Insel l’Ouessant den Kanal, um in das hohe Meer zu steuern.
Nebel hinderten uns am 6. August Kap Finisterre in Sicht zu bekommen, veranlaßten dagegen halbe Fahrgeschwindigkeit und machten das häufige Ertönen der Signalpfeife notwendig. Am 9. standen alle Passagiere schon zu früher Morgenstunde – zum Landen bis auf Stiefel, Hut und Sonnenschirm bereit – auf Deck, sehnsüchtig durch die Gläser nach der Insel Madeira schauend, wo der »Professor Woermann« in Funchal Kohlen einzunehmen hatte und uns somit die günstige Gelegenheit geboten schien, eines der schönsten Stücke der Erde kennen zu lernen. Als wir uns indessen der Reede näherten und die weißen Häuser der Stadt aus den Gärten hervortauchten, als uns schon die ersten Palmen zuzuwinken schienen und mit roten Blüten überladene Mandelbäume vom grünen Hintergrunde sich abhoben – kündigte ein uns entgegengekommenes Regierungsboot »quarantaine grande«1 an.
Als der »Professor Woermann« die gelbe Flagge hißte und weit über einen Kilometer vom Lande entfernt vor Anker ging, war eine trübe Stimmung über die Passagiere gekommen, die durch den acht- oder zehnstündigen Anblick der unerreichbaren schönen Insel durchaus nicht gehoben wurde, auch weder den uns unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln an Bord gereichten Früchten (Bananen, Pfirsichen, Erdbeeren, Pflaumen, Birnen, Trauben u.a.m.) noch den flüssigen Inhalt einiger blaugekapselter Flaschen vom Hause Blandy Brothers weichen wollte. Ohne Bedauern hörten wir am Abend die Anker heben und bald entschwand uns die Insel in der hereinbrechenden Dunkelheit.
Am folgenden Tage nahm das Schiff den Kurs zwischen Palma und Teneriffa. Der Pik letzterer Insel war am Morgen für einige Stunden sichtbar gewesen, am Abend leuchteten die Lichter der Stadt Santa Cruz zu uns herüber.
Erst am 14. kam wieder Land in Sicht, das Kap Verde mit seinen Palmbäumen und dem auf einem der Points stehenden Leuchtturm. Dahinter erschien sehr bald die Insel Gorée, auf deren Reede unsere Anker um die Mittagszeit in die Tiefe rasselten. Nach Erfüllung der Formalitäten wurde die liberté de descendre2 erteilt, von welcher Erlaubnis seitens der Passagiere sofort Gebrauch gemacht wurde, hatte sich unser aller doch eine förmliche Sehnsucht nach Land bemächtigt. Am Ufer angekommen, machten wir einen Gang durch die Stadt, die etwa 6 000 Einwohner, darunter etwa hundert Weiße, haben soll, besuchten einige Geschäfte, um uns unter anderem mit der Spezialität von Gorée, Korkhelmen, zu versehen, die Post, die Befestigungen und den Markt. Die Stadt zeigt orientalischen Charakter; in engen Straßen blickt man auf die weißen fensterlosen Fronten, während die von Veranden umgebenen Höfe einen Blick auf das häusliche Leben der Bewohner darbieten. Der Marktplatz des Ortes ist von Kokos- und Dattelpalmen, Akazien und Tamarinden beschattet: auf ihm spielte sich gerade ein Gottesdienst der Mohamedaner ab, die hier keine eigene Moschee haben.
Da die Ladung für den Platz – 1 000 Sack Reis – an diesem Tage nicht vollständig gelöscht werden konnte, so machten wir am nächsten Morgen der Insel noch einen Besuch, um erst gegen Mittag an Bord zurückzukehren, worauf sehr bald der »Professor Woermann« seine Fahrt wieder aufnahm.
Trübes Wetter gestattete während einiger Tage keine Ortsbestimmungen, und so befanden wir uns am 19. August nachmittags um etwa 100 engl. Meilen über unser nächstes Ziel, Monrovia, hinausgelaufen. Umkehrend erreichten wir abends Gran Bassa, um dort einige Boote abzusetzen. Um Mitternacht wurde der Kurs nordwärts fortgesetzt und am 20. August morgens gingen wir vor Monrovia vor Anker. Der Kapitän gestattete nur einen kurzen Aufenthalt an Land, kaum hinreichend zu einem flüchtigen Besuch in der deutschen Faktorei und einen eiligen Gang durch das Krunegerdorf und die Straßen der Stadt.
Konsul Schmidt verließ uns hier, mit ihm gingen seine prächtigen Doggen Poggie und Box, die während der dreiwöchentlichen Fahrt gute Freundschaft mit den Schiffsbewohnern gehalten hatten, wenn sie auch öfters durch unangebrachtes Apportieren das Shibble- oder Shuffelboardspiel3 gestört hatten.
Nachdem noch fünfundzwanzig Kruboys4 für den Schiffsdienst und die südlicheren Plätze an Bord genommen waren, verließen wir Monrovia, um am folgenden Tage in Ni-su die Zahl dieser besten der westafrikanischen Arbeiter zu vervollständigen.
Das unfreundliche Wetter hielt an: Regenschauer gingen mehrfach auf uns nieder und die Wärme war sehr mäßig. Das Meer zeigte sich oft fast unbewegt; durch den Kiel unseres Dampfers in Aufruhr versetzt, erglänzte es zur Nachtzeit in Millionen von Funken. Fliegende Fische sah man häufig auf unglaubliche Strecken sich aus dem Wasser erheben, Delphine, Tümmler und Haie folgten dem Schiff und ließen oft ihre Flossen über der Oberfläche des Wassers erblicken.
Am 23. langten wir vor Accra an, einem der bedeutendsten Plätze der englischen Goldküste – man sprach uns von 15 000 Einwohnern. Auf kleinen von Eingeborenen gezogenen Wagen kommt man in kurzer Zeit zu der Baseler Missionsanstalt Christiansborg, deren Handwerkstätten sich an der ganzen Westküste einer wohlverdienten Rühmlichkeit erfreuen, und deren Zöglinge, als Maurer, Tischler, Zimmerleute und Köche, auch als Schreiber, wir überall an der Küste und selbst noch auf den fernsten Stationen des Kongostaates antrafen. Eine ganze Anzahl solcher Handwerker nahm auf unserem Dampfer Passagierscheine, die meisten für Gabun, die anderen für südlichere Plätze.
Als wir den Strand von Accra betraten, wurden wir zu unserem Erstaunen von einem gentlemanmäßig gekleideten Schwarzen in deutscher Sprache angeredet, der in den Dienst unserer Expedition zu treten wünschte. Premierleutnant Schulze, nachdem er über die Persönlichkeit in den Faktoreien Erkundigungen eingezogen hatte, engagierte in der Tat den Mann, der sich David Kornelius Bardo nannte, etwa vierzig Jahre zählte und zur Zeit Besitzer zweier Häuser und eines nicht ganz unbedeutenden Geschäfts in Accra war. Kornelius stammte von Cape Coast und hatte in der Baseler Missionsanstalt eine recht gute Erziehung genossen, war auch durch diese Mission nach Europa gekommen, wo er sich in verschiedenen Ländern und Stellungen mehrere Jahre aufgehalten hatte. Zurückgekehrt nach Afrika hatte er als Lehrer der Mission gedient, später einen weißen Kaufmann auf seiner Fahrt den Niger aufwärts begleitet und endlich den Krieg der Engländer gegen die Aschantis mitgemacht.
Von der Voraussetzung ausgehend, daß ein so erfahrener Mann der Expedition von Nutzen sein müsse, in Anbetracht der nicht ungünstigen Berichte der weißen Kaufleute über ihren schwarzen Konkurrenten und im Vertrauen endlich auf das intelligente und gutmütige Gesicht, das sich mit wohlgepflegtem Schnurr- und Knebelbart nicht unbedeutend ausnahm, hatte ich dem Entschluß des Premierleutnants Schulze gern zugestimmt, und der weitere Reisebericht wird zeigen, daß jene Wahl eine in der Tat gut getroffene gewesen ist. Da Kornelius für eine voraussichtlich längere Abwesenheit die Verhältnisse seines Besitztums zu ordnen hatte, so wurde vereinbart, daß er mit dem nächsten Accra berührenden, nach Süden gehenden Dampfer dem Premierleutnant Schulze nach Ambrizette, von wo man die Expedition anzutreten beschlossen hatte, folgen sollte.
Über Adda, wo das Landen an der felsigen Küste fast zu einem Wagestück wird, und wo ich zum ersten Male in einem Kokospalmenbestand, freilich in knöcheltiefem Sande, wandelte, kamen wir nach Quitta, um hier einen Teil unserer weißen Mitpassagiere abzusetzen. Außer den Missionsleuten ging hier auch ein Angestellter und Verwandter des Bremer Hauses Vietor und Söhne an Land, welche Firma an diesem Küstenstrich eine Anzahl Faktoreien besitzt, durch die man bestrebt ist, die Ziele der Mission zu unterstützen, indem man unter anderem den Branntweinhandel untersagt und den jungen Angestellten einen möglichst christlichen Lebenswandel zur Verpflichtung gemacht hat.
Am 25. August sahen wir über dem gelben Küstenstreifen, auf dem sich in trostloser Verlassenheit eine oder zwei deutsche Faktoreien erheben, die den Namen Lomé oder Baybeach führen, die deutsche Kriegs- und Konsulatsflagge wehen. Schon in Monrovia hatten wir von dem Vorgehen Dr. Nachtigals und Dr. Buchners gehört, und mit einem gewissen Bewußtsein traten wir jetzt auf den Sand des neuen deutschen Protektoratsgebietes.