Alexander von Ungern-Sternberg

Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien


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Euch begleite?« fragte er von neuem.

      »Man wird es nicht allein dulden, man wird es Euch befehlen, alberner Junge!« rief sie und schloß ihm mit der Hand den Mund. »Nur still sein, ganz still, oder ich werde böse. Die Briefe an die Ordensgeistlichen sind auch schon geschrieben: Ihr seid frei.«

      Georg sank aufs Knie, preßte die Hände der Prinzessin an seine Lippen und rief: »Gott sei Dank, daß Euch so viel Verstand vom lieben Herrgott gegeben worden; mir wäre das nimmermehr eingefallen. Ja, so geht es: wir bleiben zusammen.«

      »Ihr müßt Euch nun hübsch an meine weibliche Dienerschaft halten, besonders an die Rathmannshausen, die Euch gern hat; denn Ihr werdet eine Art Stallmeister sein und Eure Pflichten als solcher leisten. Nun, ich werde es Euch nicht schwer machen. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.«

      »Danke, danke, teuerste, beste Prinzessin!« rief Georg. »Ach, Lottchen, welch eine Welt ist's, in der wir leben!«

      »Habe ich überwunden,« rief die Fürstentochter ernst, »so kann es ein anderer auch. Vorbei ist Weinen und Traurigsein. Es soll nichts als Freude herrschen! Hört Ihr? Jetzt muß ich wieder zur Gesellschaft!« –

      Sie enteilte, und gleich darauf war auch Georg in seinem besten Anzuge unten im Saale, wo die Paukenschläger und Pfeifer aufspielten zu einem feierlichen und schönen Tanze.

      Bei Tafel brachte man die Gesundheit der Braut aus, sie dankte freundlich und führte ihren Becher auf die Gesundheit ihres Herrn Vaters und ihrer Frau Mutter zum Munde. Dann kam die Gesundheit des Herrn Bräutigams, und derjenige, der in seinem Namen gegenwärtig war, erwiderte den Trinkspruch aufs beste.

      Am nächsten Tage kam die Gesandtschaft an, und brachte die Brautgeschenke nebst einem Schreiben des Prinzen. Auf den dritten Tag war die Abreise festgesetzt. Es mußte noch alles bis zu dieser Frist bereitet werden; es kostete Zeit und Mühe, daß es zustande kam, so wie es sein sollte. Jeder der Verwandten wollte sich noch durch irgendein freundliches Andenken bemerkbar machen, und Geschenke wurden auf Geschenke gehäuft, so daß die Wagen es kaum fassen konnten. Der Kurfürst war in der besten Laune der Welt; er ging überall selbst herum, sah nach allem und sagte jedem eine Freundlichkeit, besonders war er mit seiner Tochter zufrieden, der er nicht oft genug davon Beweise geben konnte.

      Die Kurfürstin von Hannover war die erste, die Abschied nahm; es drängte sie nach Hause, wo ebenfalls eine Vermählung ihrer wartete, die ihres Sohnes mit der Prinzessin von Zelle. Frau von Hörling nahm auf das rührendste Abschied von ihrem einstigen Zögling; sie gab der Rätin, die mit nach Paris ging, die besten Ratschläge und Lehren mit, und beide Frauen trennten sich, indem sie sich zu schreiben versprachen.

      Der Kurfürst wollte seine Tochter noch eine Weile geleiten; es wurden die Wagen bestellt und alles aufs beste eingerichtet. Viele Bürger von Heidelberg, die vornehmen Herren vom Lande kamen, um der Tochter ihres Fürstenhauses das Geleit zu geben. Es gab einen langen Zug. Liselotte grüßte aufs freundlichste, und der Kurfürst dankte für die ehrerbietige Geleitschaft. So brach an einem schönen Morgen der festliche Zug mit der jungen Braut auf; die Glocken läuteten, und den ganzen Weg auf der Straße nach Weinheim waren Girlanden mit Blumen errichtet.

      Im Herzen Liselottes war, trotz der Freude auf ihrem Antlitz, Kummer und Not die Menge. Sie wollte gar nicht daran denken, was der nächste Tag bringen würde. Sie blickte auf Georg und freute sich, daß ihn keine Sorge zu belästigen schien. Er lenkte seinen feurigen Blick auf sie und tummelte sein Roß, das lebhaft und freudig seine Sprünge machte.

      22.

       Beim Erzbischof von Metz

       Inhaltsverzeichnis

      An der Grenze seines Landes nahm der Kurfürst Abschied von seiner Tochter. Er war sehr bewegt, was für seinen Charakter eine auffallende Erscheinung war, da er seiner Umgebung stets ein gleiches Antlitz zu zeigen pflegte.

      Die Prinzessin an der Spitze ihres Gefolges hatte bereits den Fuß über die Grenze gesetzt, als sie von ihrem Vater zurückgerufen wurde. Er stand und erwartete sie. Indem er die Volksmenge, die den Platz umgab, zu vermeiden trachtete, führte er sein Kind in die Nähe einer kleinen Pächterwohnung, in deren untere Stube er mit ihr trat; hier, wo niemand zugegen war als der Prinzessin stete Begleiterin, die Frau von Rathmannshausen, ergriff der Kurfürst die Hand seiner Tochter und sagte zu ihr mit bewegter Stimme: »Liebes Kind, ich will dir jetzt einige Abschiedsworte sagen und zugleich ein paar väterliche Erinnerungen beifügen.«

      Die Prinzessin schwankte, als sie diese Worte hörte, und sie, die während der ganzen Reise schon sehr bewegten Gemütes gewesen war, verlor hier so sehr ihre Fassung, daß sie sich auf die Schulter ihres Vaters stützte und die Augen, mit schmerzlichen Tränen erfüllt, zu Boden schlug.

      »Meine Tochter,« fuhr der Kurfürst fort, »du kommst jetzt in ein fremdes Land, vergiß dein Vaterland nicht! Bleibe treu dessen Sitte, handle offen und wahr gegen jedermann und geh in keine Sache ein, die wider Gott, dein Gewissen und die deutsche treue Gesinnung geht. Dabei sei klug und mische dich nicht in die verwickelten Händel des Landes und des Hofes. Suche dir Freunde zu erwerben, aber nicht auf Kosten deiner Wahrheitsliebe. Erwachsen dir aus deiner Gesinnung Feinde, so suche sie von der Aufrichtigkeit deiner Grundsätze zu überzeugen, gelingt dir dies nicht, so geh deinen Weg fürder, ohne zu sorgen, was diese Menschen gegen dich unternehmen, denn ihr Tun und Treiben ist alsdann nicht deine Sache, sondern Gottes. Denn wir können gegen Feinde und Widersacher, die uns der Himmel als Prüfung auf unsern Weg stellt, nichts ausrichten. Suche dir das Wohlwollen des Königs zu erwerben, aber nicht durch Schmeichelkünste, in denen du wohl schwerlich wirst mit den Französinnen wetteifern können, sondern durch Wahrheit, Offenheit und Treue, damit er deine Stütze sei, im Fall dein Gemahl und Herr dir abhold wäre. Vor allen Dingen geh aber darauf aus, dir dessen Wohlwollen zu erwerben, denn wenn zwei Eheleute einig miteinander leben, so ist der dritte nicht nötig. Zähle in keiner deiner Angelegenheiten auf mich; ich kann dir in keiner Sache von Nutzen sein, denn mein Wille ist, daß du in Paris bestehst, und daß du mir von Nutzen seiest, wenn es dessen bedarf. Ich bin ein kleiner Fürst, und nach mir und meiner Willensmeinung wird niemand fragen; wohl kann ich aber in den Fall kommen, die hohe Verwandtschaft in Frankreich in Anspruch zu nehmen. Also sei klug, vorsichtig und überlegt. Lebe wohl, meine Tochter, und sei glücklich!«

      Die Prinzessin weinte an dem Halse ihres Vaters. »Ach, mein teurer Vater,« rief sie einmal übers andere, »wie schwer wird mir dieser Gang, den du mich tun läßt!«

      »Es muß so sein!« erwiderte er.

      »Ich kenne dort niemanden, wer wird dort meine Stütze sein?« rief die Prinzessin, von neuem in Tränen gebadet.

      »Dessen bedarfst du nicht,« sagte der Kurfürst. »Fürs erste zeige dich, wie du bist und wie du zu leben gewohnt bist; später nimmst du von den fremden Ratschlägen das an, was dir gut und dienlich scheint. Das übrige überlaß Gott! Sei eine gehorsame Tochter, mein Kind. Wir Fürsten sind gemacht, uns dem Schicksal, das über uns widerstandslos gebietet, zu fügen.«

      »O Gott! Gott!« seufzte die Prinzessin.

      Der Kurfürst wandte sich zum Gehen.

      Die Prinzessin eilte ihm nach und rief: »Aber schreiben darf ich doch Euer Liebden?«

      »Nein!« entgegnete der Fürst. »Richte deine Briefe an deine Mutter oder an die Raugräfin. Ich habe keine Zeit, deine Schreiben zu beantworten. Ich liebe überhaupt nicht, wenn Weiber schreiben. Jetzt lebe wohl und nimm meinen Segen!« –

      Er legte einen Augenblick seine Hand auf ihr Haupt, sie küßte ihm mit Inbrunst beide Hände, und beide schritten zur Tür hinaus. Der Kurfürst schwang sich auf sein Pferd, wandte es heimwärts und trabte fort. Seine Kavaliere folgten ihm. Die Prinzessin stand noch lange und sah, mit vor die Augen gehaltener Hand, dem Vater nach, dann wandte sie sich zu der Rätin und sagte unter Tränen: »Den sehe ich niemals wieder!« –

      Das Gefolge wartete. Als die Fürstin sich wieder dem Zuge näherte, stand der Marquis von Rohan an ihrer Kutschentüre,