Alexander von Ungern-Sternberg

Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien


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lag an ihrer Mutter Halse und weinte.

      »Ich habe es mir so schön gedacht, die Hälfte meiner Tage wollte ich hier bei Euer Liebden zubringen!« seufzte die Prinzessin.

      »Der Herr soll mich bewahren!« rief die Kurfürstin. »Selber verstoßen, auch noch mein verstoßenes Kind zur Seite! Nein, meine Tochter, das ist ein unglücklicher Plan, dazu würde ich nie meine Zustimmung geben.«

      »Ihr verlaßt mich, Mutter! Ach, wen habe ich, zu dem ich mich rette!« seufzte die arme Fürstin und hob die Hände gen Himmel.

      »Monsieur ist ein liebenswürdiger Herr; man hört ihn überall loben,« fuhr die Kurfürstin fort. »Er ist großmütig, gütig, er liebt und ehrt die Frauen. Es ist kein Grund vorhanden, daß er dich nicht gut behandeln sollte.«

      »Kein Grund?« rief Charlotte bleich; »seine vorige Frau starb vergiftet.«

      »Das war die Schwester Karls II. Engländerinnen haben oft seltsame Launen; wer weiß, wie es mit der Geschichte zusammenhängt!« bemerkte Luise.

      »Und dann ich?« rief die Tochter, »ich, mit einem deutschen Herzen, mit einem deutschen Sinne, mit meinem Glauben an Tugend und Rechtlichkeit! Wie habt Ihr mich erzogen? Habt Ihr mich gewöhnt, Lüge und Falschheit um mich zu dulden, selbst sie zu üben, wenn es nötig sein sollte? Nein, ich durfte stets wahr sein; Ihr gabet mir selbst das Beispiel, ich habe mich nie zu verstellen nötig gehabt, und nun soll ich in die Fremde hinaus, an einen Hof, wo nichts als Verstellung, Lüge und Falschheit herrscht! Neben einem Manne soll ich als sein ehelich Gemahl stehen, der der Vergiftung seines Weibes angeklagt ist! O Gott, heißt das nicht sein Kind in den feurigen Ofen stecken? Kann man eine ärgere Strafe ersinnen, um damit die leidende und gehorsame Unschuld zu verfolgen?« –

      »Du siehst das alles mit den Augen eines Kindes an,« rief die Kurfürstin, »eines Kindes, das sein Spielwerk verlangt, und da man es ihm nicht geben will, ungebärdig wird. Vieles von dem, was du sagtest, ist noch nicht erwiesen. Daß der Herzog selbst zur Vergiftung seines ersten Weibes beigetragen, wird von Personen geleugnet, die es wissen können. Also Mut gefaßt! übrigens hast du auch keinen Ausweg; dein Vater will es, und er wird nie von seinem Willen abgehen, das glaube mir.«

      Charlotte sank auf ihre Knie zu Boden. Sie rang die Hände und rief, aufs bitterste weinend: »Himmel, so gib mir denn deinen Trost, da die Menschen mich verlassen!«

      Die Kurfürstin sah mit einem kalten Blick die Kniende an.

      Eine Pause herrschte.

      »So ist das Euer letztes Wort,« fragte Charlotte, sich erhebend, »Ihr steht mir nicht bei, Mutter?«

      »In dieser Angelegenheit nicht, mein Kind!« entgegnete die Kurfürstin.

      Dieser Ausgang des Gesprächs mit der Mutter hatte einen tiefen Eindruck auf das Herz der Tochter gemacht. Sie sah sich geopfert, dem Interesse der Eltern hingegeben; ein fester Widerwille, ein eiserner Trotz keimte in ihrem Busen. »So sei es!« rief sie bei sich, »ich bin nichts als ein Stück Möbel, das man für einen guten Preis dem Käufer überläßt. So will ich denn hingehen und heiraten – wenn man will.«

      Nach diesem Entschluß war sie ruhig.

      Die Rückreise nach Heidelberg wurde rasch zurückgelegt.

      Die Prinzessin stieg bleich und schweigend aus dem Wagen. Der Kurfürst stand auf der Treppe, sie zu empfangen. Sie beugte sich und berührte seine Hand mit einem Kusse. Hinter ihm stand Frau von Degenfeld. Alle erwarteten, daß sie etwas sagen würde, doch sie sprach nichts.

      Der Kurfürst hatte das Ende dieser Reise mit Spannung abgewartet, er erfuhr nichts. Sollte er zu dem letzten Mittel, zu Zwang seine Zuflucht nehmen? Sollte er die Ungehorsame einsperren? Sollte er – doch nein! Zuerst schickte er die Rätin ab, um sich nach dem Resultat der Reise zu erkundigen. Charlotte hörte die Abgesandten an und sprach dann: »Saget Seiner Liebden, dem Herrn Kurfürsten, daß ich seine gehorsame Tochter bin, und daß ich tun werde, wie er es will.«

      Kaum war diese Antwort abgesendet, als der Kurfürst bei seiner Tochter eintrat. Er überschüttete sie mit Liebkosungen, er nannte sie sein liebes, sein einziges Kind. Er sprach von ihrem Gehorsam, ihrer Treue, ihren liebenswürdigen Tugenden. Charlotte sagte weich und sanft: »Lieber Vater, wenn Ihr mich so liebtet, wie ich Euch liebe, hättet Ihr mich nicht zu dieser Heirat gezwungen, in die ich nur aus purem Gehorsam willige.« Damit wandte sie sich ab und stand still am Fenster.

      Der Kurfürst erwiderte: »Du wirst mich einst segnen für das, was ich für dich getan. Jetzt entschließe dich und gib den Herren Abgesandten deine Antwort; sie wollen zurück nach Paris. Morgen ist die Abschiedsaudienz.«

      Und so geschah es. Den andern Morgen war der Audienzsaal auf der alten Burg zu Heidelberg festlich geschmückt; viele Gäste aus der Stadt waren zugegen. Charlotte wurde von der princesse palatine hereingeführt, einer Verwandten des Kurfürsten. Sie begrüßte die Herren. Der Marquis von Rohan trat auf sie zu und erinnerte sie, daß sie ihm ein Gegengeschenk für seine Gabe schuldig sei, und daß er erwarte, es werde ein Gruß an Monsieur, den Bruder des Königs, sein.

      »Bringt der Hoheit dieses Geschenk!« sagte Charlotte und überreichte ihm ihr Bild, »und dankt ihm für den Antrag, den er die Güte gehabt mir zu machen.«

      »Wir eilen, diese erfreuliche Botschaft Monsieur zu überbringen, der mit Ungeduld auf uns wartet.«

      Der Kurfürst unterstützte seine Tochter, als er merkte, daß sie schwankte.

      Der feierliche Akt ging ohne Störung vorüber. Am andern Tage waren die beiden Herren nebst ihrem Gefolge abgereist.

      21.

       Die Verlobung

       Inhaltsverzeichnis

      Die Tage, die jetzt folgten, gingen in großem Jubel dahin. Die Kurfürstin von Hannover kam zum Besuch nach Heidelberg, die Äbtissin erschien mit Gefolge, die Verwandten von väterlicher Seite kamen, die Pfalzgrafen von Pfalz-Simmern; das alte Schloß konnte alle seine Gäste nicht fassen; der Haushalt war auf ein paar Zimmer im Parterre beschränkt. Alle wünschten Glück, alle sprachen von der schönen und glänzenden Zukunft der Braut. Nur einer war da, dem es schwer auf dem Herzen lag, der da meinte, sein Leben sei jetzt zu Ende und es sei Zeit, sich den Tod zu geben, das war der arme Georg. Er hatte sich in eine kleine Kammer zurückgezogen, die hoch oben, fast unter dem Dache lag, und von wo er die schönste Aussicht auf den Neckar und die alte Stadt Heidelberg hatte.

      Gegen Abend, als alles in der Burg durcheinanderlief und man die Gäste, die immer von neuem zuströmten, bewillkommnete, klopfte es leise an die Tür des Zimmers.

      Georg stand auf und öffnete. Wer stand da? die Prinzessin. Sie sah freundlich und heiter aus und grüßte ihren lieben Vetter auf das beste.

      »Kommt Ihr noch, meiner zu spotten, schlimme Bas!« rief er und drohte ihr.

      »Nicht böse sein!« bat sie, »es ist alles gut, wie es gekommen. Ich gehe nach Frankreich und Ihr – Ihr kommt mit. Ich habe mir bereits bei dem Vater dies ausbedungen.«

      »Wie? Ich nach Frankreich?« fragte der Jüngling verwundert und erstaunt.

      »Ja, nach Frankreich!« rief sie. »Ich muß doch jemand haben, bei dem ich mich tröste.« Sie schlang ihren Arm um ihn, und ein Kuß, ebenso offen und frei gegeben als damals im Forste, brannte auf seinen Wangen.

      »Aber, Liselott!« rief er befremdet.

      »Was ist's?« entgegnete sie, »die Welt ist einmal so! Was sich gern hat, muß beisammenbleiben und der steifen, albernen Welt eine Nase drehen! Wir sind einander gut! Schön, so laßt uns zusammenbleiben. Eine Stelle in dem großen Paris wird es schon für dich geben, da laß mich nur dafür sorgen.«

      »Wie wird es aber werden?« fragte der zaghafte Jüngling.

      »Ei sieh!« entgegnete sie, »jetzt fehlt