G. Michael Hopf

BLUT, SCHWEISS UND TRÄNEN (The End 5)


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      Annaliese war nervös. Sie hatte daran gedacht, dass er aus Mexiko stammte, und etwas zubereiten wollen, das ihm vielleicht vertraut war. Während sie die Arme verschränkt hatte und sich auf ihre Unterlippe biss, wartete sie darauf, wie er reagierte.

      Hector brauchte keinerlei Erklärung, denn er wusste genau, was sie für ihn getan hatte, und erachtete es als etwas wirklich Besonderes. Während er zu ihr aufschaute, krächzte er: »Danke.«

      Sie machte große Augen, weil er mal etwas anderes als ein Ja oder Nein herausgebracht hatte.

       »Mir ist schon klar, dass sowohl frische Zwiebeln als auch der queso fresco fehlen, und weil ich mich an ein Rezept aus einem Betty-Crocker-Kochbuch gehalten habe, kann es auch sein, dass es nicht scharf genug ist, deshalb habe ich noch ein paar Jalapeños dazugelegt.« Sie zeigte auf den Teller. »Es sind allerdings auch nur Eingelegte aus einem Glas, also möglicherweise nicht ganz authentisch.«

      Er bedankte sich noch einmal bei ihr. Das war aufrichtig gemeint, denn dass sie einfach so etwas derart Nettes für ihn getan hatte, berührte ihn zutiefst. Sie und ihre Familie beeindruckten ihn. Eine solche Warmherzigkeit wie hier erlebte er zum allerersten Mal. Es hatte keinen Grund gegeben, ihn aufzunehmen, doch sie waren trotzdem bereit dazu gewesen. Sie verlangten keine Gegenleistung und erwarteten nichts von ihm. Als er wieder auf das dampfende Essen schaute, schwor er, sich irgendwie erkenntlich zu zeigen. Er würde schon eine Gelegenheit finden, um sie dafür zu entlohnen, dass sie ungefragt so großzügig zu ihm war.

      »Nur zu, probieren Sie«, bat Annaliese.

      Er nahm die Gabel in die Hand, stockte dann aber. Zuerst zeigte er auf den Teller und dann auf sie.

      »Oh nein«, stöhnte sie, »ich weiß, Sie essen gerne ungestört, und ich plappere schon die ganze Zeit zu viel.«

      Er wiederholte die Geste und nickte dabei eifrig, woraufhin sie endlich verstand: Er wollte, dass sie sich zu ihm setzte und auch aß.

      »Sicher?«, fragte sie.

      Er nickte erneut.

      »In Ordnung«, sagte sie und ging hinein, um sich ebenfalls einen Teller zu holen.

      Er rührte sich nicht und wartete geduldig auf sie.

      Sie kehrte mit einem vollen Teller zurück und nahm neben ihm Platz. »Bitte probieren Sie zuerst«, verlangte sie. »Lassen Sie mich wissen, wie es schmeckt.« Sie wirkte immer noch nervös.

      Daraufhin hob er seine Gabel und steckte sie ins Essen. Dann schob er sich eine gehäufte Portion Chilaquiles in den Mund.

      Sie wartete gespannt auf sein Urteil.

      Er kaute mehrmals und nickte dann. Schließlich sagte er: »Ja!«

      »Es schmeckt?«

      »Ja.«

      »Ungefähr authentisch?«

      »Ja.«

      »Super«, sagte sie und klatschte in die Hände. Schnell griff sie zu ihrer Gabel und fing an zu essen.

      Die beiden saßen da, ohne zu reden, und ließen es sich schmecken. Sie schwebte über allen Wolken, nun da sie wusste, dass er ihr Essen mochte.

      Als sie fertig waren, verharrten sie noch eine Weile. Annaliese sagte nichts, doch ihr glückseliger Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich.

      Er bemerkte dies und fragte sich, was sie wohl gerade beschäftigte.

      »Ich weiß, dass ich Sie mit meinen Geschichten und dem Gequassel bestimmt unendlich langweile, doch das muss jetzt wieder sein.«

      Er entgegnete nichts, sondern schaute sie nur aufmerksam an.

      »Ich vermisse meinen Ehemann. Sebastian war ein guter Mensch. Ich fühle mich irgendwie betrogen. Verglichen mit so vielen anderen Paaren hatten wir nur so wenig Zeit zu zweit, aber ich möchte mich nicht für den Rest meines Lebens deswegen grämen. Ich bin dankbar dafür, dass wir zusammen sein durften, und werde diese Tage mit ihm für immer in meinem Herzen bewahren … und wissen Sie, ich will Ihnen danken.«

      Er zeigte überrascht auf sich selbst.

      »Ja, Sie, äh … Als ich Sie damals gesehen habe, an dem Tag, als Sie hergebracht worden sind, habe ich gedacht: Dieser Mann braucht Hilfe. Jemand muss ihn gesund pflegen.

       Ich erinnere mich, dass ich Sie zunächst abgeschrieben habe, und gedacht habe, Sie seien eben ein Opfer der Neuen Welt, in der wir leben, doch in dem Moment ging plötzlich ein kräftiger Ruck durch meinen Körper. Mir ist Sebastian eingefallen, der vielleicht nicht umgebracht worden wäre, wenn sich jemand aufgerafft und ihm geholfen hätte … ihn als Mensch mit einer Familie und einer Frau gesehen hätte, vielleicht den Vorsatz gefasst hätte: Hey, ich werde ihm unter die Arme greifen, damit er nach Hause zurückfindet. Wenn jemand dazu bereit gewesen wäre und entsprechend gehandelt hätte, wäre Sebastian vielleicht heute noch hier. Als ich Sie sah – und ich kann Ihnen sagen, Ihr Zustand war wirklich sehr bedenklich –, habe ich mir schließlich ins Bewusstsein gerufen, dass ein solcher Mann auch irgendwo Angehörige haben könnte, eine Frau, ein Kind und Eltern, die ihn lieben. Also habe ich mich bereit erklärt, Ihnen zu helfen, und gedacht: Ich werde mein Möglichstes tun, um dafür zu sorgen, dass sie ihn wiedersehen können. Ich glaube, wenn sich die Menschen öfter so verhalten würden, wäre es vielleicht nie so weit gekommen. Wir hätten uns zusammengerauft und den Kollaps so verhindert. An einem Strang gezogen und so viel schneller darauf hingearbeitet, dass wieder normale Zustände herrschen, doch ehrlich gesagt, ist leider kaum jemand charakterlich so beschaffen, was ich sehr traurig finde. Jedenfalls haben Sie mich genauso gerettet wie ich Sie. Durch Sie habe ich meine Hoffnung zurückgewonnen, Hector. Sie haben mir über meine Depression hinweggeholfen. Ich bedauere noch immer, so viel verloren zu haben, doch dass so besondere Menschen wie Sebastian in mein Leben getreten sind, hat es um so vieles besser gemacht und bereichert. Wir bauen uns hier etwas Wunderbares auf, und ich hoffe, dass es noch weiter aufblüht.«

      Alles, was sie sagte, setzte ihm schwer zu. Zuerst wollte er etwas erwidern, hielt sich aber zurück, als er schon drauf und dran war etwas zu sagen. Hector wusste ihre Worte zu schätzen und brachte es vielleicht irgendwann auch über sich, zu reden. Dann würde er ihr erklären, wie stark ihre Gutherzigkeit auch ihn verändert hatte.

      Eine Träne rann an Annalieses Wange hinunter. Sie wischte sie ab und beendete ihre Rede. »Es tut mir leid, ich werde schnell rührselig, aber Ihnen danke zu sagen oder besser gesagt gracias, lag mir einfach sehr am Herzen.«

      Er nickte abermals.

      Um das Thema zu wechseln, sagte sie: »Ich bringe jetzt das Geschirr rein. Ich würde Ihnen auch gerne eine mexikanische Nachspeise anbieten, doch so etwas haben wir leider nicht.«

      Er lächelte unwillkürlich.

      Sie stellte die Teller aufeinander und trug sie dann auf einem Tablett in die Küche.

      Hector fuhr vom Tisch zurück an seinen üblichen Platz. Ihm kam nun seine Familie in den Sinn. Er vermisste sie wirklich unglaublich und betete dafür, dass sie in Sicherheit waren. Eines Tages würde er sie vielleicht auch wiedersehen.

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