Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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um den Herrn Kammerdiener kümmern.«

      »Warum denn?« klang's mit Gähnen unter der Decke hervor.

      »Weil er Langweil haben muß, wenn der Herr Fürst net daheim is.«

      »Soll er halt 's Geheimnis von Wohdekastel lesen!«

      »Plauschen, mein' ich, tut er lieber.«

      »Soll er mit der Köchin plauschen!«

      »Oder mit der Burgi? Net?« Pepperls Hände zitterten, daß die Laterne klirrte.

      »Meintwegen! Mir is alles recht.«

      »Aber wissen S', der Burgi gfallt er net recht. Die kann die Stadtischen net leiden. Und wann er plauscht mit ihr, da könnt s' ihm leicht an unbschaffens Wörtl sagen, dös ihn verdrießt. Ich mein', da sollten S' dabei sein. Daß sich 's Madl a bißl zruckhalt, wissen S'!«

      »Ja, ja, is schon recht! Laß mich nur jetzt in Ruh! Und schau, daß der Herr Fürst den Hirsch kriegt! Und halt dich ordentlich auf der Pirsch, gelt! Daß d' mir kei' Schand net machst!«

      »Na, na, da wird sich nix fehlen!« Pepperl holte noch einen schweren Seufzer aus dem tiefen Brunnen seiner Sorge herauf. Dann ging er. Vor dem Jagdhaus wartete er mit der Laterne, bis der Fürst aus der Tür trat.

      »So, da bin ich, Praxmaler! Es scheint, wir werden gutes Pirschwetter haben.«

      »A Morgen, Duhrlaucht, wie er net schöner sein könnt!«

      Martin war hinter dem Fürsten in der Tür erschienen und fragte: »Bis um welche Stunde werden Durchlaucht wieder zurück sein?«

      »Das weiß ich nicht. Pepperl, was meinen Sie?«

      Pepperl zog diplomatisch die Achseln auf und schmunzelte, wie man bei einem glücklichen Einfall lächelt. »Da wird sich was Gnaus net sagen lassen. Jagd is Jagd. Da kann's gehn, wie's mag. Es kann lang dauern, aber wir können auch in aller Fruh schon daheim sein. Ja, Herr Kammerdiener, rühren S' Ihnen nur net weg von Ihrem Posten, damit S' net am End den Herrn Fürsten verpassen, wann er gahlings heimkommt. So! Und jetzt geben S' mir Ihr Büxl, Duhrlaucht! Da marschieren S' leichter. So! Hab die Ehre, Herr Kammerdiener!«

      Auch Martin lächelte, während er geschmeidig den Rücken krümmte. »Weidmanns Heil, Durchlaucht!«

      »Weidmanns Dank!«

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sie wanderten hinaus in die Nacht, Pepperl mit der gesenkten Laterne voran und hinter ihm der Fürst, etwas unsicher auf dem holprigen Weg, über den die schwankende Laterne ihren trüben, gaukelnden Schimmer warf. Aber es währte nicht lang, und das Auge des Fürsten hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt, sein Schritt an den rauhen Pfad.

      »Sie können die Laterne löschen«, sagte er, »das Licht stört mich nur. Ich hab es gerne, in der Nacht zu gehen.«

      Pepperl blies die Kerze aus, verbarg die Laterne in einem Busch und ließ seinen Herrn vorangehen auf dem Weg, der sich in dem schütteren Walde mit mattem Grau von dem schwarzen Rasen abhob.

      Die Nacht war windstill; bald laut, bald wieder leiser werdend, plauderte der Wildbach wie im Halbschlaf; in tiefer Schwärze stieg der schweigende Wald bergan, und über den grauen Wänden funkelten am stahlblauen Himmel die zahllosen Sterne. Die Milchstraße, die draußen in der dunstigen Ebene auch in hellen Nächten nur matt erkennbar ist, schlängelte sich über den Sternenhimmel hin wie ein lichter Silberstrom, unterbrochen von schwarzen Inseln.

      Zuweilen ging ein sanftes Hauchen durch die finsteren Bäume, als hätte die Natur im Schlummer wohlig aufgeatmet. Und wenn es kam, dieses kurze linde Hauchen, trug es von den Almen den Wohlgeruch der Brunellen ins Tal herunter, einen süßen Duft, der an köstliches Gewürz erinnert.

      Immer wieder blieb Ettingen stehen, auf den Bergstock gestützt, und träumte hinein in das nächtliche Schweigen des Waldes.

      »Wie schön! Und so viel Ruhe!«

      Als er leise diese Worte vor sich hin murmelte, zuckte es über die langen Bergwände der Hohen Munde wie ein falbes Leuchten. Das währte nur einen Augenblick, doch alle Farben des Waldes, der Felsen und Almen erwachten in dieser Sekunde, um mit der nächsten wieder in Schlaf und Finsternis zu versinken.

      »Was war das? Der Himmel ist klar –«

      »Weit draußen im Flachland muß aber Wetter stehn. Da draußen hat's blitzt. Dös war der Widerschein.«

      Ettingen lauschte, als müßte er den fernen Donner hören. In den sternfunkelnden Lüften blieb's ruhig und still.

      Er lächelte. »Sturm und Wetter da draußen. Hier die Ruhe! Das Schweigen im Wald!«

      Sie schritten weiter.

      Zwei Stunden waren sie fast gewandert, und über den östlichen Bergen begann sich schon der Himmel zu lichten, als ihnen durch den Wald, in dem der Weg immer steiler wurde, leichte Nebelschleier langsam entgegenschwebten.

      »Das Wetter von da draußen schickt seine Vorreiter in die Berge hinein«, sagte Ettingen, »der Tag wird trüb werden.«

      »Gott bewahr, Duhrlaucht! An schönern Tag haben S' noch nie net gsehn! Der Nebel da, dös is bloß der Seedampf. Wissen S', zwischen die Felsen droben, da liegt der Firnschnee umanand. Da bleibt auch im heißen Sommer d' Nacht schön frisch. Und in der Fruh, da fangt der Sebensee zum Rauchen an. Dös muß so sein, dös is 's allerfeinste Wetterzeichen.«

      Es währte nicht lang, und sie waren völlig eingehüllt von den ziehenden Dämpfen. Man konnte auf zwanzig Schritte kaum noch einen Baum unterscheiden. Daß in den Lüften der Tag erwachte, sah man nur an dem Grau des Nebels, der immer lichter und lichter wurde.

      »Wie lange haben wir noch zu steigen?« fragte Ettingen.

      »A Viertelstündl. Da is schon der See.«

      Aber vom See war keine Spur zu gewahren. Es hoben sich nur ein paar grobe Felsblöcke des Ufers von dem weißlichen Rauch mit verschwommenem Dunkel ab, man hörte das leise Geplätscher, mit dem das Wasser die Steine umspülte, und tief aus dem Ehrwalder Tal herauf summte das Brausen des Wasserfalles, der den Abstrom des Sees hinunterwarf über turmhohe Wände.

      Der Pfad stieg immer mehr und verlor sich in ein steiles Latschenfeld. Als die Jäger einmal rasteten, hörten sie auf dem Weg die Steine klirren. Wie ein dunkler Schatten huschte ein großes Tier an ihnen vorüber und verschwand im Rauch.

      »War das ein Stück Hochwild?«

      »Ja, ja, wird schon so was gwesen sein!« Pepperl schmunzelte. Er brachte es nicht übers Herz, seinem Jagdherrn ins Gesicht zu sagen, daß er im Nebel einen Maulesel für Hochwild angesehen hätte. »Gar weit haben wir nimmer hin bis zum Hirsch, jetzt müssen wir d' Füß a bißl in acht nehmen.«

      Lautlos kletterten die beiden Jäger zwischen den Latschen hinauf. Je höher sie kamen, desto häufiger schüttelte Pepperl den Kopf. »Jetzt dürft sich der Nebel bald verziehen! Oder es spuckt in der Fechtschul!«

      Minute um Minute verging, und es wurde nicht lichter. Wohl hauchte manchmal ein frischer Windzug von den unsichtbaren Wänden nieder, aber der Nebel lag fest und wollte nicht weichen.

      Sie hatten im steilen Latschenfeld einen Rasenbuckel erreicht, als Pepperl flüsternd im Klettern innehielt:

      »Jetzt können wir nimmer weiter! Der Hirsch muß in der Nähe sein, auf'n schönsten Schuß. Was machen wir jetzt? Teufi, Teufi, Teufi! Wenn's schief geht, Duhrlaucht, so kann ich nix dafür! So a Hundsnebel, so a miserabliger!«

      Ettingen tröstete leise: »Machen Sie sich keine Sorgen, Pepperl! Wenn auch die Pirsche fehlschlägt, der Weg war wunderschön und hat mir Freude gemacht.«

      »Der Weg? No ja, a schöner Weg is auch was Schöns. Aber lieber wär mir der Hirsch.