Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Pepperl, dem der Schreck in alle Glieder fuhr. Er stolperte zur Tür hinaus und rannte über das Almfeld hinunter. Als er den Stall erreichte, blieb er stehen und faßte sich bei der Joppe. »Nimm dich zamm, Pepperl! Sei du der Gscheiter!«

      Lautlos bog er um die Ecke der Sennhütte, hörte aus der Almstube die beiden Stimmen und guckte aufgeregt durch eines der kleinen Rauchlöcher, welche die Wand durchbrachen.

      Da drinnen saß der Kammermops in seiner schwarzen Gala und mit glänzend frisiertem Scheitel am Tisch, hielt in vornehmer Nonchalance die Beine mit den Schnallenschuhen übereinandergeschlagen und schmauchte eine Zigarette. Seinen hochgezogenen Brauen war anzumerken, daß er mit dem Ergebnis der zärtlichen Stunden nicht ganz zufrieden war. Vor ihm stand die Sennerin am Herd und rührte mit langem Holzlöffel in dem großen Kupferkessel herum, der über dem flackernden Feuer hing. Das hübsche Gesicht des Mädels brannte. Das schien nicht nur von der Hitze des Feuers zu kommen, denn eine Furche des Unwillens lag zwischen ihren Brauen.

      »Nun?« fragte Martin. »Warum so schweigsam, schönes Kind? Soll ich keine Antwort bekommen?«

      Es schien kein freundliches Wort zu sein, das dem Mädel auf der Zunge lag. Schon wollte sie sprechen. Da hörte sie mit ihrem feinen Ohr ein leises Rascheln an der Mauer. Und es fiel ihr auf, daß an einem der Rauchlöcher die Sonnenhelle, die durch die Öffnung geleuchtet hatte, plötzlich verschwunden war. Ein feindseliges Lächeln zuckte um den kirschroten Schnabel der Sennerin. Dieses böse Lächeln verwandelte sich in schadenfrohes Schmunzeln. Und während sie mit blitzenden Augen über die Schulter zu Martin hinüberguckte, sagte sie zögernd, als müßte sie sich jedes Wort überlegen: »Ja, wissen S', mit Ihnen hat a Madl a harts Reden! Sie sind so a stadtischer Pfiffikus! Da muß man Obacht geben – wenn S' mir auch sonst net gar so übel gefallen täten, ja!« Diese letzten Worte sprach sie mit auffallend lauter Stimme.

      Martin schien die jähe Schwenkung im Verhalten des Mädels mit Vergnügen zu bemerken und gab seiner Antwort einen Herzton schöner Ehrlichkeit: »Aber ich bitt Sie, mein liebes Kind, einen aufrichtigeren Menschen, als ich bin, gibt es gar nicht mehr. Wenn ich was sage, könne Sie sich drauf verlassen, daß es so ist!«

      »Ja, freilich!« Burgi lachte. »Die Mannsbilder alle mitanander sind Lugenschüppel, schon gar, wenn s' zu einem Madl von der Lieb reden. Da sind unsere Burschen auch net anders als die nobligen Herrn aus der Stadt. Und erst die Jager! Eh so einer s' Mail aufmacht, hat er schon dreimal glogen. Schauen S' den Pepperl an, der sich neulich auf d' Nacht so fein gegen Ihnen benommen hat! Dös is schon gar der Ärgste! Zwiderer, wie mir der is, kann mir net leicht einer sein!«

      »Na, hören Sie, mein liebes Kind, Sie werden mich doch hoffentlich nicht mit solch einem ungebildeten Lümmel vergleichen wollen?«

      »Ah, Gott bewahr! So viel Augen hab ich schon, daß ich an Unerschied merk.«

      »Das ist nett von Ihnen, daß Sie mir das so ehrlich sagen. Und eine Ehrlichkeit für die andere: so gut wie Sie, liebe Burgi, hat mir im Leben noch kein Mädel gefallen. Sie haben so was Heiteres, Gesundes, Frisches und Herziges –«

      »Hören S' auf, Sie süßer Schmalger, Sie!« erwiderte die Sennerin lachend, wurde aber dabei doch rot bis über die Ohren, als hätte dieses schmeichelnde Bekenntnis völlig wirkungslos an das verriegelte Türchen ihrer Mädchenseele gepocht.

      »Das dürfen Sei mir glauben, daß ich noch nie einem Mädel so was gesagt habe!« sprach Martin mit Eifer weiter. »Wahrhaftiger Gott, ich habe mich nie besonders viel um die Frauenzimmer gekümmert. Mein Dienst und mein Herr, das war für mich immer das Höchste. In einer so wichtigen Stellung hat man keine Zeit für Dummheiten übrig.«

      »Dummheiten?« Burgi guckte nachdenklich in den brodelnden Kessel. »No, gar so was Dumms kann d' Lieb ja doch net sein!«

      »Jaaa! Wenn es die richtige Liebe ist! Treu, aufrichtig und ehrenhaft! Aber wie sich das in der Stadt gewöhnlich macht? Nein, dafür dank ich! Wenn ich da wollte, an jedem Finger könnt ich eine haben.«

      Burgi musterte den feinen Herrn. »Ah ja! A nobligs Mannsbild! So nobel wie Sie geht net amal der Herr Fürst umanand. Dös tut doch net leicht a Mensch, daß er sein Dienstboten 's bessere Gwand zum Tragen gibt, und er selber tragt a geringers. Der Herr Fürst muß Ihnen gern haben!«

      »Er weiß, was er an mir hat!« sagte Martin, über das naive Mißverständnis des Mädels mit heiterem Lächeln hinübergleitend. »Und wenn es an der Zeit ist, wird er mir auch für meine treuen Dienste entsprechend danken!« Er blies eine Rauchwolke vor sich hin und lehnte sich behaglich zurück. »Ich bin ja mit meiner Stellung ganz zufrieden. Aber man will doch auch einmal selbständig werden und eine Familie gründen.«

      »Familie gründen?« Dieses Bild schien für Burgi eine Nuß zu sein, die man erst knacken mußte, um auf den Kern zu kommen. »Ah so! Heiraten, meinen S'?« Sie hatte augenscheinlich großen Respekt vor dem Worte: »Heiraten!« Das verriet die ehrfürchtige Breite, mit der sie es aussprach.

      »Heiraten! Ja!« Martin schmunzelte. »Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein bleibt. Das steht in der Heiligen Schrift.«

      »A fromms und gottgfälligs Wörtl, ja!«

      »Und wenn ich einmal das Frauerl gefunden habe, das mir gefällt, dann brauch ich nur mit meinem Herrn zu sprechen. Da kann ich mir auf seinem Gut einen Posten als Inspektor aussuchen. Aaah, meine Frau, die wird's einmal gut haben! Denken Sie nur, liebe Burgi, Licht, Holz, und Wohnung, alles frei! Dazu ein Gehalt von drei- bis viertausend Gulden im Jahr.«

      »Was! Vier – tausend – Gulden! Mar und Joseph! Is dös a Geld!« Burgi machte Augen, als wäre Martin plötzlich für sie ein anderer Mensch geworden, einer, den man mit Achtung behandeln mußte. Dabei erlosch in ihr der Gedanke an jenes kleine Rauchloch, aus dem die Sonne verschwunden war. »Vier – tausend – Gulden! Mehr hat ja bei uns in Tirol kein Bischof! Sie, Herr Martin, da können S' Ihnen a nobels Stadtfräulein aussuchen!«

      »Na, wissen Sie, mit denen aus der Stadt –« Martin schüttelte den Kopf und schnellte die Asche von der Zigarette. »Ich hab mir immer was anderes gedacht. So was Urwüchsiges und Unverdorbenes! Das war mein Geschmack. Und dann – in einem unbewohnten Schloß die Zimmer lüften, das paßt mir auch nicht recht.«

      »Um Gotts willen, Herr Martin, lassen S' dö viertausend Gulden net aus!«

      »Wenn ich mir was Besseres wüßte?«

      » Noch was Bessers? Dös gibt's ja gar nit!«

      »Wer weiß!« Martin lächelte geheimnisvoll. »Wenn Sie mir versprechen, daß Sie nichts weiterschwatzen, sag ich Ihnen was.«

      »Ich! Und an Tratsch machen? Da tät ich mir lieber 's Züngl abbeißen. Zu mir können S' unscheniert reden.«

      »Hand drauf?«

      Burgi wischte die Hand an der Schürze ab, bevor sie einschlug. »Hand drauf, ja!«

      Vertraulich zog Martin das schmucke Mädel an seine Seite und streichelte die sonnverbrannte Hand. »Das wissen Sie doch, daß unsere Durchlaucht die große Jagd da auf zehn Jahre gepachtet hat?«

      »Freilich, ja! Und der Pacht, und 's Winterfutter, und die Jager alle! Mein Gott, mein Gott, dös muß a schauderhafts Stückl Geld kosten!«

      »Das glaub ich! Und da können Sie sich denken, daß da ein verläßlicher Mensch hergehört, der alles leitet und überwacht, die Verrechnung führt –«

      »Dös macht ja der Förstner! Sie, dös is an ehrenhafter Mensch. Auf den kann sich der Herr Fürst verlassen.«

      »Ja, ja! Ich will ihm auch von seinen guten Eigenschaften nichts abstreiten. Aber auf einen solchen Posten gehört ein Mensch von Bildung, der alles so zu richten versteht, wie es unserer Durchlaucht angenehm ist.«

      »Um Gotts willen! Der gute Herr Förstner wird doch net seinen Posten verlieren?«

      »Gott bewahre! Der kann bleiben, was er ist. Aber über ihn wird noch ein Jagdverwalter gesetzt, verstehen Sie?«

      Ganz