Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Und tummel dich, daß d' heimkommst und den Postwagen net versaumst. Hast viel mitkriegt vom Herrn Fürsten?«

      »Schier gar nix, na! Bloß a Telegramm, dös er gschwind noch gschrieben hat, grad jetzt, wie er heimkommen is.«

      »No also, da mußt doppelt flinke Füß machen! Bhüt dich Gott!«

      Während Pepperl seine Lederhose auf ihre »unterschichtige« Feuchtigkeit prüfte, wanderte der Bote davon.

      Die Depesche, die er mit forttrug, war an den Grafen Sternfeldt adressiert und lautete: »Erkundige Dich, bitte, nach einem Maler Emmerich Petri, der vor zehn oder fünfzehn Jahren in München lebte. Jedes Wort, das Du über ihn erfahren kannst, hat Interesse für mich. Dank und herzlichen Gruß. Ich bin gesund und guter Dinge wie ein Fisch in klarem Wasser. – Heinz.«

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Ein stiller Tag verging, an dem das Blau des Himmels gegen die Nebel kämpfte, die überall aus der Luft herauswuchsen und sich wie graue Kappen über alle Zinnen der Berge stülpten.

      Gegen Abend begann es zu regnen.

      Förster Kluibenschädl war im Fürstenhaus zu Tisch geladen. Als er sich nach heiter verplaudertem Mahl von seinem Jagdherrn verabschiedete, erbat er sich Urlaub für den nächsten Tag. Neue Jagdsteige wären zu bauen, und da müßte die Zustimmung der weidberechtigten Gemeinde eingeholt werden.

      »Sie gehen nach Leutasch?« fragte der Fürst. »Wollen Sie mich mitnehmen?«

      »Wollen? Ich bitt, Duhrlaucht, es wär mir ja die größte Ehr! Aber 's Wetter, mein' ich, wird Mannderln machen. Und viel is in der Leutasch draußen net zum Sehen.«

      Ettingen lächelte.

      »Es wär net der Müh wert, daß Duhrlaucht naß werden.«

      »Ich hoffe, das Wetter bessert sich wieder bis morgen, und dann gehen wir.«

      Der Wunsch des Fürsten erfüllte sich. Die halbe Nacht währte das Strömen und Gießen, aber der Morgen brachte wieder klares Wetter, sonnig und dennoch kühl.

      Auf zehn Uhr morgens war der Abmarsch nach Leutasch festgesetzt – für Pepperl ein triftiger Grund, schon um neun Uhr von der Frühpirsche heimzukehren. Wenn der Fürst das Jagdhaus verließ, hatte der Kammerdiener einen freien Tag, und da mußte ein Riegel vor die Tür der Sennhütte geschoben werden. Freilich war Pepperl mit »der da drunten« für alle Ewigkeit »fertig«. Aber er hatte nun einmal die »Verantwortigung« auf sich genommen, und solch eine Gewissenspflicht wirft ein ehrlicher Christenmensch nicht von sich ab, bevor er nicht sicher ist, daß ein anderer sie auf seine Schultern nimmt. Für diesen anderen war bereits gesorgt. »Leicht kommt er schon heut, der Brenntlinger? Da bin ich's endlich amal los, die verwünschte Sorg! Bei so was hat man Tag und Nacht kei' Ruh!«

      Als Pepperl in die Hüttenstube trat, machte Kluibenschädl sich wegfertig. »Gelten S', Herr Förstner, heut därf ich mich ausschnaufen und daheim bleiben?«

      »Ja, Bub! Hast a paar harte Täg hinteranander ghabt. Laß dir d' Ruh heut schmecken!«

      »Ruh?« brummte Pepperl vor sich hin, während der Förster zum Fürstenhaus hinaufstieg. »Wenn ich mein Schmarren drunten hab, hock ich mit'm Gheimnis vom Wohdekastel vors Hüttentürl her. Den ganzen Tag! Da kommt mir nix aus.«

      Eine Viertelstunde später wanderte Ettingen mit dem Förster über das Almfeld hinunter. Als sie an der Sennhütte vorübergingen, kam Burgi mit einem Schaff Wasser vom Brunnen und grüßte stumm, bevor sie in den Stall trat. »Ist das sie Sennerin?« fragte Ettingen. »Ein hübsches Mädel!«

      »Ja, gar net übel! Aber was in dös Madel einigfahren is, dös weiß der Kuckuck. Sonst hat's den ganzen Tag allweil gsungen wie a Starl im Frühjahr. Jetzt macht's a Gsicht wie neun Tag Regenwetter. Sie muß krank sein.«

      »Oder verliebt. Das gäb eine schmucke Jägersfrau.«

      »Die?« Kluibenschädl machte große Augen. »Die hat ja nix!«

      Ettingen lachte. »Was haben? Gehört das zum Glück? Auch hier im Dorf? Ich dachte, daß die Leute in den Bergen das Leben natürlicher nehmen als wie verbildeten Kulturkinder in der Stadt.«

      »Die Bauern? O du mein! Wann a Bauer heiret, wird um jeden Kuhschwanz ghandelt. Und d' Leut haben recht. Von der Lieb hat noch keiner zehrt. Steigen d' Sorgen zum Fenster eini, so fahrt d' Liebesfreud auf'm Besenstiel zur Haustür aussi! Und nachher wird grauft und gscholten.«

      Ettingen sah den Förster von der Seite an. »Sie waren wohl nie verliebt?«

      »Ich?« Kluibenschädl schlug ein Kreuz. »Gott soll mich bewahren!« Dem Ton dieser Worte war es anzumerken, daß der Förster über eine böse Erinnerung seines Lebens wegsprang. »Na, na! Mein Dienst, meine Berge und mein Wald! Mehr verlang ich nimmer im Leben.«

      Ettingen nickte.

      »Schauen S' ihn nur an, unsern Wald! Kann's denn was Schöners gegen? Oft, wenn mich 's Leben völlig verdrossen hat, da hab ich mir gsagt: ›Marsch, Brüderl, naus in dein Wald, da verleidst es schon wieder!‹« Er lachte. »Und wahr is gwesen. Wieder lustig bin ich worden. Noch jedsmal!«

      Sie waren aus dem Schatten des Waldes in die Sonne getreten und hatten die Straße erreicht, die am Ufer des rauschenden Wildbaches hinlief. Die beiden Wegstunden bis zum Dorfe vergingen dem Fürsten so rasch, daß er, als das weite Wiesental der Leutasch sich vor ihnen öffnete, verwundert fragte: »Wir sind schon da?«

      Sie konnten das schöne Tal bis zu den Bergen, die es in der Ferne begrenzten, frei überblicken. Gleich blinkenden Silberwürfeln lagen die weiß getünchten Häuser zwischen dem Grün der Obstgärten, zwischen dem gelben Geröll des Bachlaufes und den Goldgevierten der reifenden Haferfelder. Auf den Wiesen waren die Leute mit dem Heu beschäftigt, und die kleinen Figürchen in Hemdärmeln, die Wagen, die beladen wurden, die Zugtiere, alles glimmerte im Sonnenglanz. Eine Kette sanft gerundeter Waldberge schloß das Wiesental, und hinter ihren zierlichen Wipfelkämmen hoben sich die Felsenpaläste des Karwendelgebirges empor, die einsame Seefeldspitze und am Horizont die langgestreckten Inntaler Berge, deren fernste Zinnen nur noch wie bläulicher Hauch in die schimmernde Luft gezeichnet waren.

      Bei den ersten Häusern sagte der Förster: »Duhrlaucht! Vor wir ins Dorf einmarschieren, müssen S' mir was versprechen!«

      »Was?«

      »Daß ich wegen die Steigbauten allein mit'm Bürgermeister reden darf. Zu dem laß ich Ihnen net in d' Stuben eini.«

      »Halten Sie es nicht für gut, daß ich als Jagdherr selbst mit den Leuten spreche?«

      »Gott bewahr! Wenn sie Bauern an Jagdherrn sehen, wissen s' gleich gar nimmer, was s' verlangen müssen. Schaut wo a Zehner aussi, so reißt der Bauer d' Augen gleich auf für an Tausender. Deswegen is er net schlechter und net besser wie andere Leut. Aber einbilden tut er sich: er is der Gscheite, und der Stadtherr is allweil der Dumme. Und hat er ihn übers Ohr ghaut, so lacht er ihn hintnach aus. Jetzt gar noch a Jagdpächter! Der is eh schon der Kiniglhaas! Von dem wird abigrissen, was runter geht an Woll. Na, na! Bleiben S' davon, Duhrlaucht! Sie mit Ihrer Güt möchten schön grupft ins Jagdhaus zruckkommen! Aber a Stündl wird's allweil dauern, bis ich d' Erlaubnis für unsere Steigbauten ohne Blutgeld aussidruckt hab. Wie wollen S' Ihnen denn derweil unterhalten, Duhrlaucht?«

      »Ich mache einen Spaziergang durch das Dorf. Oder – neulich am Sebensee hab ich eine junge Dame kennengelernt, ein Fräulein Petri –«

      »Ah so! Die Fräuln Lo?« Der Förster blieb stehen, und es leuchtete warm in seinen Augen. »Net, Duhrlaucht, die muß Ihnen doch gefallen haben? Dös is a Frauenzimmerl, dös sogar ich gelten laß, und dös will viel sagen! Aber mit der Fräulein Lo, da wirds schlecht ausschaun heut. Die is an so eim Tag allweil im Wald oder z'höchst in die Berg droben. Die treffen S' heut net daheim, Duhrlaucht!«

      »Die