hätte, dass diese Frau namens Katja darauf hoffte, mit ihm eine gemeinsame Zukunft zu haben.
»Sag mal, ist etwas?« Seine braunen Augen sahen sie besorgt an. »Du bist so anders als gestern.«
Wie gut er sie schon kannte.
»Ich muss dich etwas fragen. Gibst du mir eine ehrliche Antwort?«
Er lachte. »Natürlich. Zur Liebe gehört Ehrlichkeit und Vertrauen. Frag mich, was du willst.« Er zögerte, berührte mit dem Finger ihre Wange. »Wollen wir bei dem schönen Wetter nach draußen gehen?«
*
Daniel fuhr mit ihr zur Steinache. Sie ließen sich auf dem abschüssigen Ufer nieder. Um sie herum raschelten die langen schmalen Blätter der Weiden, Zweige tanzten über dem gurgelnden Wasser zu ihren Füßen. Hier und da ließen sie den Sonnenschein durch, und über ihnen spannte sich der Sommerhimmel wie eine blaue Kuppel.
»Schön ist es hier«, sagte Nicole leise, ja, fast andächtig.
Viel zu schön, um über Probleme zu reden, dachte sie.
»Du wolltest mich etwas fragen«, erinnerte Daniel sie ernst.
»Wer ist Katja?«
Er zuckte weder zusammen noch wirkte er erstaunt.
»Katja ist meine Jugendfreundin«, antwortete er ganz selbstverständlich. »Meine erste. Und ich war ihr erster Freund. Durch den Sport haben wir uns auseinandergelebt.« Er hob die Brauen. »Hast du sie kennengelernt?«
»Nicht kennengelernt, nur beim Friseur gesehen. Ich bekam ein Gespräch zwischen ihr und der Angestellten mit.«
Er seufzte. »In dem sie bestimmt meinen Namen hat fallen lassen.«
»Nicht nur das. Wie sie klang, habt ihr noch Kontakt.«
»Klar, wir wohnen ja beide in einem kleinen Ort, wo man sich halt über den Weg läuft.« Daniel klang ganz sachlich, ruhig. Sein Blick lag offen auf ihr.
»Und Katjas Weg führt manchmal in dein Geschäft.« Sie klang ironisch, das hörte sie selbst.
Daniel verzog die Miene. »Ja, weil sie hofft, dass wir wieder zusammenkommen könnten.« Er nahm ihre Hand, hielt sie so fest, dass es schmerzte. »Aber glaub mir bitte, für mich ist die Sache seit Jahren schon beendet. Es gab andere Frauen, bei ihr andere Männer. Wie sie jetzt darauf kommt, es noch einmal mit mir versuchen zu wollen, weiß ich auch nicht.«
Sie entzog ihm ihre Hand. »Hast du ihr gesagt, dass du nicht mehr willst?«
»Natürlich. Sie weiß, dass ich keine Beziehung zu ihr haben möchte. Dennoch würde ich gern weiterhin mit ihr befreundet bleiben. Mit ihrem ältesten Bruder spiele ich einmal in der Woche Fußball, mit ihrem anderen Bruder Karten, Mutter ist mit Katjas Mutter im Singkreis. Ich fände es schade, wenn man sich in so einem kleinen Dorf spinnefeind wäre.«
Nicole kannte keine Freundschaften. Sie hatte nur Kolleginnen und Kollegen. In einem kleinen Ort, wo jeder jeden kannte und wo man durch gemeinsame Hobbys miteinander verbunden war, hatte sie auch noch nicht gelebt, abgesehen von ihrer Kindheit, als sie auf Land gelebt hatte.
»Katja ist keine Gefahr für dich«, sagte Daniel in ihre Überlegungen hinein mit fester Stimme. »Ich liebe dich. Hörst du?« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Ich liebe dich«, wiederholte er, indem er jedes einzelne Wort betonte. »Ich will eine Zukunft mit dir haben. Ein Haus, Kinder. Katja ist nur eine Bekannte von früher. Sie hat heute keinen bedeutsamen Stellenwert mehr in meinem Leben.«
Sie entzog ihr Gesicht seinen zärtlichen Händen. »Aber geküsst hast du sie.«
Eine steile Falte zeigte sich auf seiner Stirn. »Hat sie das behauptet?«
»Ja. Na ja, sie meinte, nicht so richtig.«
Er lachte auf und schüttelte den Kopf. »Worüber die Frauen beim Friseur reden! Ich habe ihr den typischen Begrüßungskuss gegeben. Ich habe die Luft neben ihren Wangen geküsst. Wie es so üblich ist. Das musst du mir glauben.«
Ja, sie glaubte ihm. Weil sie ihm auch glauben wollte.
Er legte seine Hand in ihren Nacken und zog ihr Gesicht wieder zu sich heran. »Wenn es dich beruhigt, werde ich mit Katja noch einmal klar und deutlich über das Thema reden. Ich werde ihr sagen, dass es seit Kurzem eine Frau in meinem Leben gibt, die ich liebe. Beruhigt?«
Sein Lächeln ließ sie dahinschmelzen. Sie schloss die Augen und wollte jetzt nur noch das eine: In seinen Armen liegen und von ihm geküsst werden.
Als sie zu seinem Geschäft zurückfuhren, sagte Daniel: »Ist es dir recht, wenn ich heute Abend zu dir komme?«
Sie sah ihn von der Seite an. »Gehst du nicht auf die Party, zu der auch Katja eingeladen ist?«
Er bremste, hielt abrupt an. »Erstens würde ich nicht ohne dich auf eine Party gehen. Zweitens wusste ich nicht, dass Katja dort auch eingeladen ist. Und drittens: Die Party habe ich abgesagt.«
Sie sah ihn an. »Katja geht aber davon aus, dass du kommst.«
Zum ersten Mal wirkte er genervt. »Ich habe ihr gesagt, ich wüsste es noch nicht.«
»Obwohl du offiziell schon abgesagt hattest?«
Was war bloß in sie gefahren, dass sie so zu bohren begann? Diese Art kannte sie nicht von sich. Aber sie kannte ja auch nicht, eine feste Beziehung zu haben.
Daniel fuhr sich mit allen Fingern durchs Haar. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wann ich abgesagt habe.«
Lass es gut sein, riet ihr eine innere Stimme. Vergifte dich nicht mit diesem Misstrauen.
Versöhnlich griff sie nach seiner Hand. »Ich freue mich auf dich. Wann kommst du?«
Der Ausdruck großer Erleichterung glitt über seine Züge. »Gegen halb sieben.«
*
Mit sich und ihrem neuen Leben in Ruhweiler glücklich, fuhr Nicole zurück in ihr Schwarzwaldhäusle, wie sie es inzwischen nannte. Sie freute sich auf den Abend. Und auf einmal bekam sie Lust zu kochen. Die Eigentümerin des Hauses, die Bekannte von Ulrike Brunner, verfügte über eine kleine Bibliothek von Kochbüchern.
Nicole setzte sich mit einer Auswahl an den Tisch nach draußen und begann, sie zu studieren. Doch sie kam nur ein paar Seiten weit. Da kam ein Auto aufs Haus zugefahren. In viel zu hohem Tempo. Es hinterließ eine Staubwolke.
Wer war denn das? Sie kannte den Wagen nicht. Aber dessen Fahrer, wie sich nach wenigen Sekunden herausstellen sollte: Heiko Wieland hievte sich aus dem Sitz.
Gleichermaßen sprachlos wie entsetzt starrte sie ihn an.
»Da bin ich«, verkündete er mit dröhnender Stimme und ausgebreiteten Armen, als erwartete er Applaus. »Ich muss mich doch mal um mein bestes Mädchen kümmern.«
Sie stand auf, trat vor den Tisch. Ihre Miene verriet alles andere als Freude. Dessen war sie sich sicher.
»Wie hast du mich gefunden?«
»Deine Mutter hat mir gesagt, wo du dich versteckst.«
Klar, wer auch sonst? Sie hätte sich jetzt noch ohrfeigen können, dass ihr der Ortsname entschlüpft war.
»Jetzt komm mal erst her«, meinte Heiko und schloss sie väterlich in seine Arme. Dann trat er einen Schritt zurück, maß sie von Kopf bis Fuß. »Du siehst schon besser aus. Ein paar Pfund zugenommen?« Mit verschwörerischer Miene zwinkerte er ihr zu. »Das kriegen wir schon wieder hin.« Dann ließ er sich auf die Holzbank fallen. »Schön ist es hier. Natur pur. Tolle Wege zum Joggen.«
Nicole reckte sich kerzengerade, um sich durch die äußere Haltung innerlich die Stärke geben, die sie für dieses Gespräch brauchte.
»Ich jogge nicht, Heiko. Ich kann nicht joggen. Der Arzt hat es mir verboten.«
»Wegen dieses Tunnel-Dingsda?«