Оскар Уайльд

Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde


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      »Die Frauen sind wunderbar praktisch,« murmelte Lord Henry – »viel praktischer als wir. In Situationen dieser Art vergessen wir oft, etwas von Heirat zu erwähnen, und sie erinnern uns immer daran.«

      Hallward legte die Hand auf seinen Arm. »Nicht doch, Harry. Du kränkst Dorian. Er ist nicht wie andere Männer. Er würde nie jemand unglücklich machen. Seine Natur ist dafür zu edel.«

      Lord Henry blickte über den Tisch. »Dorian fühlt sich nie gekränkt durch mich«, antwortete er. »Ich habe aus dem besten Grund gefragt, den es geben kann, aus dem einzigen Grund, der eine Entschuldigung für eine Frage ist – einfach aus Neugier. Ich habe eine Theorie, wonach es immer Frauen sind, die uns einen Antrag machen, und nicht wir den Frauen. Natürlich ausgenommen die Mittelklassen. Aber die Mittelklassen sind eben nicht modern.«

      Dorian Gray lachte und schüttelte den Kopf. »Du bist ganz unverbesserlich, Harry; aber ich bin nicht böse. Man kann dir ja gar nicht böse sein. Wenn du Sibyl Vane siehst, wirst du fühlen, daß der Mann, der ihr ein Leid antun kann, ein Tier sein muß, ein herzloses Tier. Ich kann nicht begreifen, wie man es über sich gewinnen kann, ein Wesen, das man liebt, in Schande zu bringen. Ich liebe Sibyl Vane. Ich möchte sie auf einen goldenen Sockel stellen und dann sehen, wie die ganze Welt das Weib anbetet, das mir gehört. Was ist Ehe? Ein unwiderrufliches Gelübde. Du spottest deshalb darüber. Ach, spotte nicht! Ein unwiderrufliches Gelübde will ich ablegen. Ihr Vertrauen macht mich treu, ihr Glaube macht mich gut. Wenn ich bei ihr bin, verleugne ich alles, was du mich gelehrt hast. Ich werde ein ganz anderer Mensch als der, den du in mir siehst. Ich bin verwandelt, und die bloße Berührung von Sibyl Vanes Hand läßt mich alle deine falschen, bezaubernden, vergifteten, entzückenden Theorien vergessen.«

      »Und die wären?« fragte Lord Henry, während er Salat nahm.

      »Oh, deine Theorien über das Leben, deine Theorien über die Liebe, deine Theorien über den Genuß. Tatsächlich alle deine Theorien, Harry.«

      »Genuß ist das einzige auf der Welt, das eine Theorie verdient«, antwortete er mit seiner sanften, musikalischen Stimme. »Aber ich fürchte, es ist nicht meine eigene Theorie. Sie gehört der Natur, nicht mir. Genuß ist das Siegel der Natur, das Zeichen ihrer Zustimmung. Wenn wir glücklich sind, dann sind wir immer gut, aber wenn wir gut sind, sind wir nicht immer glücklich.«

      »Ah, doch, was verstehst du unter gut?« rief Basil Hallward.

      »Ja,« wiederholte Dorian, indem er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und über den massigen Strauß rotblütiger Schwertlilien in der Mitte des Tisches zu Lord Henry blickte, »was verstehst du unter gut, Harry?«

      »Gut sein, heißt mit sich selbst im Einklang sein«, antwortete er, den dünnen Stengel seines Glases mit blassen, feingespitzten Fingern umfassend. »Mißklang heißt es, mit anderen übereinstimmen müssen. Das eigene Leben – das ist es, worauf es ankommt. Was das Leben unserer Nachbarn betrifft, nun, wenn man durchaus ein Affe oder ein Puritaner sein will, dann mag man ihnen ja seine moralischen Ansichten ins Gesicht schleudern, aber sie gehen einen schließlich gar nichts an. Abgesehen davon, hat der Individualismus in der Tat die höheren Ziele. Die moderne Sittlichkeit besteht darin, daß man den Maßstab seiner Zeit anerkennt. Ich habe die Meinung, daß jeder kultivierte Mensch, der den Maßstab seiner Zeit anerkennt, damit eines der gröbsten Sittlichkeitsverbrechen begeht.«

      »Wenn man aber nur für sich selbst lebt, Harry, muß man da nicht einen furchtbaren Preis dafür zahlen?« fragte der Maler.

      »Ja, heutzutage werden wir in allem überteuert. Ich glaube, die wirkliche Tragödie der Armut ist die, daß sich die Armen nichts leisten können als Selbstverleugnung. Schöne Sünden sind wie alle schönen Dinge ein Vorrecht der begüterten Klassen.«

      »Man muß in anderer Münze zahlen als mit Geld.«

      »In welcher Münze, Basil?«

      »Ich meine mit Gewissensbissen, mit Schmerzen, mit... na eben mit dem Gefühl der Erniedrigung.«

      Lord Henry zuckte die Achseln. »Mein lieber Junge, die mittelalterliche Kunst ist etwas Entzückendes, aber mittelalterliche Gefühle sind nicht mehr Mode. Man kann sie freilich in der Dichtung gebrauchen. Aber die einzigen Dinge, die in Dichtungen zu verwerten sind, sind solche, um die man sich in der Wirklichkeit nicht mehr kümmert. Glaube mir, kein zivilisierter Mensch bereut einen durchlebten Genuß, und kein unzivilisierter Mensch weiß, was ein Genuß ist.«

      »Ich weiß, was ein Genuß ist!« rief Dorian Gray. »Jemand anbeten.«

      »Das ist jedenfalls besser, als angebetet zu werden«, antwortete Harry, wahrend er mit einigen Früchten spielte. »Angebetet zu werden, ist peinlich. Die Weiber behandeln uns genau so wie die Menschheit ihre Götter. Sie beten uns an und quälen uns unaufhörlich, irgendwas für sie zu tun.«

      »Ich würde sagen, alles, was sie von uns verlangen, haben sie uns zuerst geschenkt«, sagte der Jüngling ernst und leise. »Sie erzeugen die Liebe in uns. Sie haben ein Recht, sie dann zurückzuverlangen.«

      »Das ist ganz richtig, Dorian«, rief Hallward.

      »Ganz richtig ist niemals etwas«, sagte Lord Henry.

      »Das ist es«, unterbrach Dorian. »Du mußt zugeben, Harry, daß nur die Frauen den Männern das reinste Gold des Lebens schenken.«

      »Vielleicht,« seufzte er, »aber unweigerlich verlangen sie es dann in Kleingeld umgewechselt zurück. Das ist der Jammer dabei. ›Die Frauen,‹ hat einmal ein witziger Franzose gesagt, ›regen uns an, Meisterwerke zu schaffen, und verhindern uns immer, sie auszuführen.‹«

      »Harry, du bist schrecklich! Ich weiß gar nicht, warum ich dich so gern habe.«

      »Du wirst mich immer gern haben, Dorian«, antwortete er. »Wollen wir Kaffee trinken, Kinder? – Kellner, bringen Sie Kaffee, fine Champagne und Zigaretten. Nein, lassen Sie die Zigaretten, ich habe selbst welche bei mir. Basil, ich kann dir nicht erlauben, Zigarren zu rauchen. Du mußt eine Zigarette nehmen. Eine Zigarette ist der vollendete Ausdruck eines vollendeten Genusses. Er ist köstlich und läßt dabei unbefriedigt. Was will man mehr verlangen? Ja, Dorian, du wirst mich immer lieb haben. Ich bin für dich der Inbegriff aller Sünden, die du zu begehen nie den Mut haben wirst.«

      »Was für Unsinn du redest, Harry!« rief der junge Mann, während er seine Zigarette an dem feuerspeienden Silberdrachen anzündete, den der Kellner auf den Tisch gestellt hatte. »Wir wollen jetzt ins Theater. Wenn Sibyl auftritt, werdet ihr ein neues Lebensideal bekommen. Sie wird euch etwas offenbaren, das ihr noch nicht gekannt habt.«

      »Ich habe alles kennengelernt,« sagte Lord Henry mit einem müden Ausdruck in den Augen, »aber ich bin immer bereit, mir eine neue Emotion zu verschaffen. Nur fürchte ich, daß es für mich derlei kaum noch gibt. Immerhin, dein wunderbares Mädchen wird mich vielleicht erschüttern. Ich liebe die Schauspielkunst. Sie ist soviel wirklicher als das Leben. Wir wollen gehen. Dorian, du kannst bei mir einsteigen. Basil, es tut mir leid, aber in meinem Brougham ist nur Platz für zwei. Du mußt schon in einer Droschke nachfahren.«

      Sie standen auf, zogen ihre Röcke an und tranken den Kaffee im Stehen. Der Maler war schweigsam und bedrückt. Ein düsteres Gefühl lastete auf ihm. Er konnte diese Ehe nicht gutheißen, und sie schien ihm doch besser zu sein als manches andere, das hätte geschehen können. Nach einigen Minuten gingen sie gemeinsam die Treppe hinunter. Er fuhr, wie verabredet, allein, und sah auf die blitzenden Lichter des kleinen Wagens, der vor ihm dahinrollte. Das seltsame Gefühl eines großen Verlustes überkam ihn. Er fühlte, daß Dorian Gray nie wieder das für ihn sein würde, was er ihm früher gewesen war. Das Leben war zwischen sie getreten... Vor seinen Augen ward es dunkel, und die menschenvollen, erleuchteten Straßen verschwammen vor seinem Blick. Als seine Droschke am Theater vorfuhr, schien es ihm, als sei er um viele Jahre älter geworden.

       Inhaltsverzeichnis

      Aus irgendeinem Grunde war