Henryk Sienkiewicz

Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz


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werde. Aber dies war seine geringste Angst. Am meisten befürchtete Macko, man könne seinen Bruderssohn festnehmen. Sie nahmen Jurand und dessen Tochter gefangen, sie scheuten sich nicht, seiner Zeit sogar den Fürsten in Zlotorja festzunehmen, weshalb also sollten sie Zbyszko schonen?

      Hier stellte sich Macko unwillkürlich die Frage, wie es sein werde, wenn der Jüngling aus den Händen der Kreuzritter entkäme, aber sein Weib gar nicht finden würde. Wohl tröstete sich der alte Mann mit dem Gedanken, daß dann Spychow seinem Bruderssohn zufalle, aber das war nur ein schwacher Trost. Ihm lag viel am Wohlstand, doch nicht weniger an seinem Geschlecht, an Zbyszkos Nachkommen. »Falls Danuska verschwindet wie ein Stein im Wasser und niemand weiß, ob sie am Leben oder tot ist, kann sich Zbyszko nicht zum zweiten Mal verheiraten – und dann wird es zu Bogdaniec keine Herren mehr geben. Hei! Wie ganz anders wäre es, wenn er Jagienka geheiratet hätte! … Auch Mocyzdoly ist so groß, daß weder eine Gluckhenne es unter ihre Flügel, noch ein Hund unter seinen Schwanz nehmen könnte, und solch ein Mädchen würde zweifellos jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen, gerade wie der Apfelbaum im Garten jedes Jahr Früchte hervorbringt.« Demnach überwog Mackos Kummer die Freude über das Erbgut, und voll schmerzlicher Besorgnis begann er, den Böhmen abermals darüber auszufragen, welche Bewandtnis es mit jener Trauung habe, und wann sie vollzogen worden sei.

      Und der Böhme erwiderte: »Ich sagte Euch schon, ehrwürdiger Herr, daß ich nicht weiß, wann sie vollzogen ward, und was ich nur vermute, das vermag ich nicht zu beschwören.«

      »Teile mir Deine Mutmaßungen mit.«

      »Ich verließ den jungen Herrn doch nicht während seiner Krankheit und schlief in derselben Stube mit ihm. Einmal nun befahl er mir des Abends, mich zu entfernen, und dann sah ich, wie die allergnädigste Herrin und mit ihr die Jungfrau Danusia, Herr de Lorche und der Pater Wyszoniek bei ihm eintraten. Ich wunderte mich sogar, daß die Jungfrau einen Kranz auf dem Haupte trug, allein ich dachte, man werde meinem Herrn das Sakrament reichen … Vielleicht wurden sie in jener Nacht getraut … Ich erinnere mich, daß der Herr mir befahl, ihn schön zu kleiden, gerade wie zu einer Hochzeit, doch meinte ich, dies sei, weil er Christi Leib empfangen solle.«

      »Und was geschah dann? Blieben sie allein?«

      »Sie blieben nicht allein, und wenn sie auch allein geblieben wären … Damals konnte ja mein Herr nicht einmal ohne meine Hilfe essen. Auch waren Leute da, um die Jungfrau abzuholen, man glaubte, sie kämen von Jurand – und in der Frühe reiste sie ab …«

      »Und hat Zbyszko sie seitdem nicht mehr gesehen?«

      »Kein menschliches Auge hat sie mehr gesehen.«

      Ein kurzes Schweigen folgte.

      »Was glaubst Du,« fragte Macko nach einer Weile, »werden die Kreuzritter sie wieder freilassen oder nicht?«

      Der Böhme schüttelte den Kopf und machte eine abweisende Handbewegung.

      »Bei meinem Haupte,« sagte er langsam, »sie ist verschwunden für alle Ewigkeit.«

      »Weshalb meint Ihr das?« fragte Macko erschreckt.

      »Weil noch Hoffnung vorhanden wäre, wenn sie sagen würden, die Jungfrau befinde sich bei ihnen … Man könnte sich beklagen, entweder ein Lösegeld bezahlen oder das Mägdlein gewaltsam fortbringen. Aber sie sagen folgendes: ›Wir hatten eine Jungfrau aus Räuberhänden befreit und gaben dies Jurand kund, er aber wollte sie nicht als seine Tochter anerkennen und zum Dank für unsere Güte erschlug er uns so viele Leute, daß wir auch nach einem richtigen Treffen kaum mehr Verluste zu verzeichnen gehabt hätten‹.«

      »So haben sie Jurand thatsächlich ein Mägdlein vorgeführt?«

      »Sie sagen es. Gott allein weiß, ob es sich so verhält. Vielleicht ist es nicht wahr, vielleicht auch zeigten sie ihm eine andere Jungfrau statt seiner Tochter. Das nur ist wahr, daß er viele Leute totschlug, und daß die Kreuzritter bereit sind, es zu beschwören, Jurands Tochter sei nicht von ihnen entführt worden. Ja, es ist eine furchtbar schwierige Sache. Der Meister mag ihnen befehlen, was er will, sie werden ihm antworten, die Jungfrau befinde sich nicht bei ihnen, und wer kann ihnen das Gegenteil beweisen? Umsoweniger ist dies möglich, als unter den Hofherren in Ciechanow vielfach von einem Briefe Jurands gesprochen wurde, worin steht, seine Tochter sei nicht bei den Kreuzrittern.«

      »Vielleicht ist sie in der That nicht bei den Kreuzrittern?«

      »Ich bitte, allergnädigster Herr! … Wenn Räuber sie entführt hätten, wäre es doch aus keiner andern Ursache als des Lösegeldes wegen geschehen. Und zudem hätten Räuber weder jenen Brief schreiben, noch das Siegel des Herrn von Spychow nachmachen, noch ein großes Gefolge schicken können.«

      »Das ist richtig. Doch weshalb sollten die Kreuzritter das Mägdlein gewaltsam festhalten?«

      »Wollen sie denn Jurands Blutthaten nicht rächen? Ihnen gelüstet mehr nach Rache als nach Meth und Wein, und wenn sie einen Grund haben, so ist es dieser. Fürchterlich wütete der Herr aus Spychow gegen sie, und was er zuletzt that, das steigerte ihren Grimm aufs Aeußerste … Auch hat mein Herr, wie ich hörte, gegen Lichtenstein die Hand erhoben, Rotgier getötet … Und mir hat Gott beigestanden, daß ich jenem Hund den Arm ausrenken konnte. Hei! … Was glaubt Ihr wohl! Vier sind es gewesen, verflucht seien ihre Mütter, und jetzt lebt nur noch einer und der ist alt. Ja, wir können auch die Zähne zeigen, gnädigster Herr Ritter!«

      Wieder folgte ein langes Schweigen.

      »Du bist ein kluger Bursche,« sagte schließlich Macko. »Was aber glaubst Du, wird des Mägdleins Schicksal sein?«

      »Fürst Witold ist ein mächtiger Fürst, man sagt, daß auch der deutsche Kaiser sich bis zum Gürtel vor ihm neigte, und wie verfuhren die Kreuzritter mit Witolds Kindern? Haben sie nicht genug Burgen und unterirdische Gefängnisse? Nicht genug Brunnen, Stricke und Schlingen zum Erdrosseln?«

      »Allmächtiger Gott!« rief Macko aus.

      »Gott gebe nur, daß es ihnen nicht gelinge, meinen jungen Herrn in irgend ein Verließ zu werfen. Doch bringt er einen Brief des Fürsten Janusz mit, und Herr de Lorche, der sehr mächtig und vielen Fürsten verwandt ist, begleitet ihn. Ei, mein Wunsch war es nicht, mich hierher zu begeben, denn dort kann es leicht zu einem Treffen kommen, aber er befahl es mir. Ich hörte, wie er einmal zu dem alten Herrn aus Spychow sagte: ›Seid Ihr schlau? Ich bin es nicht, aber den Kreuzrittern gegenüber muß man es sein. Mein Oheim Macko‹, fügte er hinzu, ›ist der richtige Mann, es mit ihnen aufzunehmen.‹ Und aus diesem Grund sandte er mich hierher. Aber auch Ihr, Herr, könntet Jurands Tochter nicht finden, denn sie ist vielleicht jetzt schon in jener Welt, und gegen den Tod vermag selbst die größte Schlauheit nichts auszurichten …«

      Macko versank in Nachdenken, und erst nach langem Schweigen sagte er: »Ja! Da giebt es keinen Rat. Gegen den Tod vermag auch Schlauheit nichts auszurichten. Doch wenn ich hinginge und wenigstens in Erfahrung brächte, daß sie jenes Mägdlein aus dem Wege geräumt haben, dann würde Spychow an Zbyszko fallen, er könnte allein zurückkehren und ein anderes Weib nehmen.«

      Hier atmete Macko tief auf, wie wenn ihm eine Last von der Seele genommen wäre, und Glowacz fragte in schüchternem, leisem Tone: »Die Jungfrau aus Zgorzelic?«

      »Ja!« antwortete Macko, »es wäre umso besser, als sie Waise ist und Cztan aus Rogow sowie Wilk aus Brzozowa ihr immer mehr nachstellen.«

      »Eine Waise? Und Zych?«

      »So hast Du also nichts gehört?«

      »Beim ewigen Gott! Was ist vorgefallen?«

      »Fürwahr, wie könntest Du etwas wissen, Du bist ja geradewegs hierhergekommen, und wir haben ja bis jetzt nur von Zbyszko gesprochen! Sie ist eine Waise. Die Wahrheit zu sagen, hielt Zych den Platz an seinem Herde niemals warm, es sei denn, daß er Gäste bei sich hatte. Sonst ward ihm die Zeit lang in Zgorzelic. Nun schrieb der Abt an ihn, er werde den Fürsten Przemko von Oswiecim besuchen und bitte den Ritter, ihn zu begleiten. Und dieser Vorschlag gefiel Zych, denn er kannte den Fürsten wohl und hatte schon mehr als einen vergnügten Tag mit ihm verlebt. Daher kommt Zych zu mir und