Jagienka, denn ich weiß, daß Cztan und Wilk etwas Schlimmes im Schilde führen.« Und Ihr solltet doch wissen, daß der Abt aus Aerger über Zbyszko anfangs die Werbung von Wilk und von Cztan begünstigte; erst später, als er die beiden besser kannte, hat er sie mit seinem Stocke bearbeitet und aus Zgorzelic hinausgeworfen. Und dies war gut, aber auch wieder nicht gut, denn daraufhin waren sie furchtbar erbost. Jetzt waltet Frieden, denn sie sind auseinander losgegangen und können das Lager nicht verlassen, aber zuvor war man keinen Augenblick vor ihnen sicher. Gar viel lastet jetzt auf mir, ich soll alles verteidigen und unter meine Obhut nehmen. Und jetzt wünscht Zbyszko auch noch, daß ich fortgehe … Wie es dann hier mit Jagienka sein wird, weiß ich nicht, doch wollte ich Dir ja von Zych erzählen. Er achtete nicht auf meine Worte – er machte sich auf die Fahrt. Nun, sie veranstalteten Feste, sie ergötzten sich. Von Glewice begaben sie sich zu dem Vater des Fürsten Przemko, dem alten Nosak, der in Cieszyn herrscht. Da schickte Jasko, Fürst von Ratibor, aus Haß gegen den Fürsten Przemko, Räuber unter der Anführung des Böhmen Chrzan gegen sie aus. Fürst Przemko fiel und mit ihm auch Zych aus Zgorzelic, der von einem Pfeil in die Luftröhre getroffen ward, den Abt schlugen sie dermaßen mit einem eisernen Knüttel, daß sein Kopf jetzt noch zittert, daß er nichts von seiner Umgebung weiß und die Sprache vielleicht für immer verloren hat. Doch der alte Fürst Nosak kaufte Chrzan von dem Herrn auf Zampach und ließ ihn derart martern, daß die ältesten Leute sich nicht erinnerten, je von ähnlicher Tortur gehört zu haben – aber dadurch konnte er seinen Kummer um den Sohn nicht lindern, noch Zych vom Tode erwecken, noch Jagienkas Thränen trocknen. Auf diese Weise gingen ihre Vergnügungen zu Ende … Vor sechs Wochen wurde Zych hierhergebracht und bestattet.«
»Solch ein starker Mann!« sagte der Böhme traurig. – »Ich bin auch keiner der Schwächsten gewesen, damals als ich bei Boleslawice kämpfte, und er brauchte nicht soviele Zeit als nötig gewesen wäre, ein Vaterunser zu beten, um mich zum Gefangenen zu machen. Allein diese Gefangenschaft war derart, daß ich sie nicht für die Freiheit eingetauscht hätte. Ein guter, redlicher Edelmann! Gebe ihm Gott das ewige Heil! Ach, es thut mir leid um ihn! Aber am meisten der Jungfrau wegen, die Arme!«
»Eine Arme in der That! Gar manche liebt ihre Mutter nicht so sehr, wie sie ihren Vater liebte. Und zudem ist es gefährlich für sie, in Zgorzelic zu bleiben. Nach der Bestattung – noch lag kein Schnee auf Zychs Grabhügel – zogen Cztan und Wilk sofort gegen Zgorzelic aus. Glücklicherweise hatten meine Leute schon zuvor davon gehört, daher konnte ich dem Mägdlein mit einigen Mannen zu Hilfe kommen, und Gott gab, daß wir sie gründlich schlugen. Nach dem Kampfe umfaßte Jagienka meine Knie: »Zbyszko kann ich nicht angehören,« sagte sie, »und ich werde niemand angehören, doch rettet mich vor diesen beiden Menschen, denn lieber will ich sterben, als einem von ihnen angehören!« Und ich versichere Dich, Du würdest jetzt Zgorzelic nicht wieder erkennen, weil ein wahres Kastell daraus gemacht worden ist. Noch zweimal zogen sie dagegen aus, aber sie konnten nichts ausrichten, das darfst Du mir glauben. Jetzt herrscht für einige Zeit Ruhe, denn wie ich Dir schon sagte, sie haben sich gegenseitig derartig zugesetzt, daß keiner von ihnen Hand oder Fuß zu bewegen vermag.«
Glowacz erwiderte nichts, doch während er dem Berichte über Cztan und Wilk lauschte, knirschte er mit den Zähnen, sodaß es klang, wie wenn jemand eine knarrende Thüre öffne und wieder schließe. Dann rieb er seine Schenkel mit seinen mächtigen Händen, in denen er offenbar ein Zucken verspürte. Schließlich entrangen sich seinen Lippen mühsam die Worte: »Die Verruchten!«
In diesem Augenblick ließen sich Stimmen im Hausflur vernehmen, die Thüre öffnete sich plötzlich, und Jagienka stürzte mit ihrem ältesten Bruder, dem vierzehnjährigen Jasko herein, der ihr so ähnlich war wie ein Zwillingsbruder.
Die Jungfrau, welche durch Bauern aus Zgorzelic gehört hatte, daß ein Gefolge von Mannen auf der Landstraße gesehen worden sei und unter der Anführung des Böhmen Hlawa nach Bogdaniec ziehe, war von dem gleichen Schrecken erfaßt worden, wie Macko, und als sie weiter in Erfahrung gebracht hatte, daß Zbyszko sich nicht dabei befinde, glaubte sie, irgend ein Unglück müsse sich ereignet haben, und eilte unverzüglich nach Bogdaniec, um die Wahrheit zu erfahren.
»Was ist geschehen? Um Gottes willen!« rief sie schon an der Schwelle.
»Was soll geschehen sein?« antwortete Macko. »Zbyszko ist wohl und gesund.«
Der Böhme eilte seiner Gebieterin entgegen, und sich auf ein Knie niederlassend, küßte er den Saum ihres Gewandes, sie aber achtete gar nicht darauf, denn als sie die Antwort des alten Ritters vernommen hatte, wandte sie ihr Antlitz vom Feuer ab in den Schatten, und wie wenn sie sich plötzlich erinnere, daß sie niemand einen Gruß geboten, sagte sie erst nach einer Weile: »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In Ewigkeit, Amen!« erwiderte Macko.
Und sie, die jetzt den vor ihr knieenden Böhmen gewahrte, neigte sich zu ihm herab mit den Worten: »Ich freue mich von ganzem Herzen, Dich zu sehen, Hlawa, aber warum hast Du Deinen Herrn verlassen?«
»Er sandte mich hierher, gnädigste Herrin!«
»Wie lautete sein Befehl?«
»Er befahl mir, mich nach Bogdaniec zu begeben.«
»Nach Bogdaniec? Und was befahl er Dir weiter?«
»Er sandte mich ab, um Bericht zu erstatten … um seinen Gruß zu entbieten …«
»Nach Bogdaniec nur? Nun – gut! Und wo befindet er sich?«
»Zu den Kreuzrittern nach Marienburg begab er sich.«
Bestürzung malte sich auf Jagienkas Angesicht.
»So ist das Leben ihm nicht mehr lieb? Warum that er das?«
»Um das zu suchen, was er niemals finden wird, gnädigste Herrin!«
»Wahrlich, er wird es niemals finden!« warf Macko ein. »Wie Du keinen Nagel ohne Hammer einschlagen kannst, so vermag auch der menschliche Willen nichts ohne den göttlichen.«
»Was meint Ihr?« fragte Jagienka.
Macko beantwortete ihre Frage mit einer andern Frage: »Sprach Dir Zbyszko schon von Jurands Tochter? Ich meine, gehört zu haben, daß er schon von ihr sprach.«
Jagienka antwortete nicht sogleich, erst nach einiger Zeit erwiderte sie, einen Seufzer unterdrückend: »Ja, er sprach mir von ihr! Was hätte ihn daran hindern können?«
»Das ist gut, denn dadurch wird es mir auch leichter zu reden,« bemerkte der alte Ritter.
Und er erzählte ihr, was er von dem Böhmen gehört hatte, während er sich selbst dabei wunderte, daß seine Worte zuweilen etwas verworren waren und ihm nur mühsam über die Lippen kamen. Weil er indessen ein kluger Mann war, und weil er Jagienka keinenfalls täuschen wollte, hob er besonders hervor, daß – wie er selbst glaube – Zbyszko tatsächlich niemals Danusias Ehegemahl gewesen, und daß sie wohl für immer verschwunden sei.
Der Böhme bestätigte dann und wann seine Aussagen, indem er bald zustimmend mit dem Kopfe nickte, bald sagte: »Beim lebendigen Gott!« oder: »So ist es, nicht anders!« Das Mägdlein hingegen lauschte mit gesenkten Augenwimpern, ohne ein Wort zu fragen, und war so stille, daß Macko schließlich unruhig ward.
»Nun, und was sagst Du dazu?« fragte er, nachdem er seine Erzählung beendigt hatte.
Sie gab keine Antwort, aber zwei große Thränen drangen unter den gesenkten Lidern hervor und rollten langsam über ihre Wangen.
Nach einer Weile näherte sie sich Macko, und dessen Hand küssend, sagte sie: »Sein Name sei gepriesen!«
»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« entgegnete der alte Mann. »Hast Du so sehr Eile nach Hause zu kommen? Bleibe bei uns!«
Doch sie wollte nicht bleiben und erklärte, sie habe zu Hause das Abendbrot noch nicht zubereiten lassen.
Obwohl nun Macko wußte, daß eine alte Edelfrau, Sieciechowa genannt, in Zgorzelic weilte, welche Jagienka ganz gut hätte ersetzen können, drang er doch nicht weiter in diese, da er sich sagte, daß die Bekümmerten gern ihre Thränen verbergen, und daß die Menschen den Fischen