zusammen in den Vorhof. Hlawa aber führte sein Pferd aus dem Stalle, bestieg es und ritt hinter dem Mägdlein her.
In die Stube zurückgekehrt, seufzte Macko tief auf und murmelte kopfschüttelnd vor sich hin: »Ein rechter Thor, dieser Zbyszko! … Es ist, als ob dies Mädchen einen Duft von Jugendfrische zurückgelassen habe.«
Und dem alten Kämpen ward recht wehmütig zu Mute. Er sagte sich, wenn Zbyszko sie sogleich nach seiner Rückkehr zum Weibe genommen hätte, würde jetzt nur eitel Freude und Wonne bei ihnen herrschen. Aber wie ist es jetzt? So oft sie an ihn denkt, kommen ihr die Thränen in die Augen, dachte er, und dieser Bursche wandert in der weiten Welt umher und wird sich noch seinen Schädel an den Mauern Marienburgs einrennen. Aber in unserm Hause ist es leer, und die Wände starren von alten Rüstungen. Was nützt denn die Bewirtschaftung des Gutes, was nützt meine Thätigkeit, was nützt der Besitz von Spychow und Bogdaniec, wenn niemand da ist, der uns beerben wird?
Hier begann es förmlich in Mackos Seele zu stürmen.
»Warte, Du Landstreicher!« sagte er laut, »nachlaufen werde ich Dir nicht, Deinem Schicksale werde ich Dich überlassen.«
Doch wie zum Hohn überkam ihn in demselben Augenblick eine tiefe Sehnsucht nach Zbyszko. »O nein, ich werde ihm nicht nachlaufen,« dachte er, »aber soll ich hier still sitzen? Eine Strafe Gottes ist all dies! … Denn daß ich den Bösewicht in meinem ganzen Leben nicht mehr sehen soll – das vermag ich mir nicht vorzustellen! Wieder hat er einen solchen Lotterbuben zerhauen – und Beute gewonnen. Ein anderer wäre grau geworden, bevor er den Rittergürtel erworben hätte, und ihn hat der Fürst schon gegürtet … und mit Fug und Recht, denn es giebt zwar viele lobenswerte Männer unter den Edelleuten, aber einen zweiten wie Zbyszko giebt es nicht!«
Und allgemach vollständig von Rührung übermannt, untersuchte er die Rüstungen, Schwerter und Beile, die im Rauch schwarz geworden waren, wie wenn er erwäge, was er mit sich nehmen, was er zurücklassen solle. Dann verließ er die Stube, zuvörderst, weil es ihm zu enge darin ward, und zweitens, weil er die Wagen schmieren und den Pferden eine doppelte Portion Hafer geben lassen wollte.
Im Hofe schon gedachte er wieder Jagienkas, welche hier kurz zuvor ihr Pferd bestiegen hatte, und plötzlich ward er tief traurig.
»Wenn es sein muß, so gehe ich,« sagte er sich, »aber wer wird das Mägdlein vor Cztan und Wilk schützen? Gott gebe, daß ein Blitzstrahl die beiden erschlüge!«
Indessen ritt Jagienka mit ihrem Bruder auf dem Waldwege gen Zgorzelic, und der Böhme folgte ihnen schweigend, das Herz von Liebe und Leid erfüllt. Er hatte der Jungfrau Thränen wohl gesehen, jetzt schaute er unablässig nach ihrer dunklen Gestalt aus, deren Umrisse in der Dämmerung, inmitten des Waldes, kaum sichtbar waren, und er erriet ihre Pein und ihren Schmerz. Ihn dünkte, jeden Augenblick könnten sich die Räuberhände Wilks oder Cztans aus dem finsteren Dickicht nach ihr ausstrecken –und bei diesem Gedanken ergriff ihn eine wilde Kampfgier. Diese Kampfgier ward zuweilen so groß, daß ihn die Lust anwandelte, sein Beil oder Schwert zu ergreifen und irgend eine Fichte am Wege zu fällen. Fühlte er doch, daß es ihm Erleichterung bringen würde, wenn er zu einem Schlage ausholte. Schließlich wäre er froh gewesen, sein Pferd wenigstens zum Galopp anspornen zu können, aber Jagienka und ihr Bruder ritten langsam weiter. Schritt für Schritt, fast ohne ein Wort zu sprechen, denn auch Jasko, der sonst sehr gerne plauderte, war nach einigen vergeblichen Versuchen, die Schwester zum Reden zu bringen, in Schweigen versunken.
Als sie Zgorzelic näher kamen, gewann das Leid in des Böhmen Herzen die Oberhand über den Groll gegen Cztan und Wilk.
»Ich würde mich nicht scheuen, um Deinetwillen auch Blut zu vergießen, wenn ich Dir dadurch Trost bringen könnte,« dachte er, »aber was vermag ich Unglücklicher zu thun? Was soll ich Dir sagen? Doch wissen mußt Du wenigstens, daß Zbyszko mir befahl, mich vor Dir zu neigen, und Gott gebe, daß Dir dies Trost gewähre!«
Nach diesen Erwägungen drängte er sein Pferd zu dem Jagienkas heran.
»Gnädigste Herrin!« begann er.
»So bist Du hinter mir hergeritten?« fragte das Mädchen, wie aus einem Traume erwachend. »Und hast Du mir etwas mitzuteilen?«
»Ja, ich vergaß, Euch mitzuteilen, was mir der Herr befohlen hat. Bevor ich Spychow verließ, rief er mich zu sich und sagte: ›Umfasse die Knie der Jungfrau in Zgorzelic, denn wie sich mein Schicksal auch gestalten mag, ich werde sie niemals wiedersehen, und für das‹, sagte er, ›was sie an dem Oheim und mir gethan hat, möge Gott ihr lohnen und ihr Gesundheit verleihen‹!«
»Gott lohne auch ihn für die guten Worte!« antwortete Jagienka.
Dann fügte sie in einem so eigentümlichen Tone, daß des Böhmen Herz vollständig schmolz, hinzu:
»Und Dir, Hlawa!«
Für eine Weile stockte das Gespräch, aber der Knappe freute sich über sich selbst und über das, was er der Jungfrau berichtet hatte, denn im Innern sagte er sich: »Wenigstens denkt sie jetzt nicht, daß ihr mit Undankbarkeit gelohnt wird!« In seinem redlichen Sinne suchte er nun noch etwas ausfindig zu machen, was er ihr erzählen könne, um sie zu trösten, und nach einiger Zeit begann er abermals: »Gnädigste Herrin!«
»Was ist Dein Begehr?«
»Dies … nun … ich wollte sagen, was ich schon dem alten Herrn in Bogdaniec sagte: daß jene andere ihm für alle Ewigkeit verloren ist, und daß er sie niemals finden wird, selbst wenn der Großmeister ihm behilflich wäre.«
»Sie ist sein Weib!« entgegnete Jagienka.
Der Böhme schüttelte den Kopf.
»Wohl, sie ist sein Weib, und doch auch nicht …«
Jagienka gab keine Antwort, aber zu Hause, nach der Abendmahlzeit, als Jasko und der jüngere Bruder schlafen gegangen waren, ließ sie einen Krug Met bringen und sagte zu dem Böhmen gewendet: »Vielleicht möchtest Du lieber schlafen, ich aber würde gerne noch ein wenig plaudern.«
Trotz seiner Müdigkeit war Hlawa bereit, sogar bis zum Morgen zu plaudern. Daher unterhielten sie sich noch lange miteinander, oder vielmehr er erzählte abermals ausführlich von den Schicksalen Zbyszkos, Jurands, Danusias und von seinen eigenen Erlebnissen.
Zweites Kapitel.
Macko rüstete sich für die Fahrt. Während zweier Tage ließ sich Jagienka nicht in Bogdaniec sehen, hatte sie doch beständig Beratungen mit dem Böhmen. Erst am dritten Tage, an einem Sonntag, traf der alte Ritter auf dem Wege zur Kirche mit ihr zusammen. Mit ihrem Bruder Jasko und mit einem beträchtlichen Gefolge bewaffneter Knechte begab sie sich nach Krzesnia, denn sie fürchtete, Cztan und Wilk, die wohl wieder gesund sein mochten, könnten vielleicht einen Ueberfall auf sie planen.
»Ich wollte Euch nach der Messe in Bogdaniec aufsuchen,« erklärte Jagienka, Macko begrüßend, »denn ich möchte etwas mit Euch bereden, allein wir können auch jetzt gleich darüber sprechen.«
Nach diesen Worten schickte sie das Gefolge voraus, offenbar damit die Knechte das Gespräch nicht mitanhören sollten, und sich Macko nähernd, fragte sie: »Es ist also gewiß, daß Ihr Euch auf die Fahrt macht?«
»Ja, und zwar schon morgen, nicht später, Gott gebe dies.«
»Und Ihr zieht nach Marienburg?«
»Nach Marienburg oder wohin mich das Geschick führt.«
»So hört nun auch mich. Gar lange schon habe ich überlegt, was mir zu thun obliegt, und jetzt möchte ich von Euch einen Rat haben. Früher freilich, als der Vater noch lebte und der Abt noch bei Kräften war, da lag alles anders. Außerdem hielten sich Cztan und Wilk, so lange sie glaubten, ich würde einen von ihnen wählen, gegenseitig im Zaume. Jetzt aber stehe ich schutzlos da. Wie in einem Gefängnis muß ich innerhalb der Pfähle von Zgorzelic bleiben, wenn ich mich nicht allen möglichen Kränkungen