aus Ihrem Mund.«
»Wenn ich darf?« fragte sie leise.
»Gute Nacht, Angela!«
Er konnte nicht mehr länger an sich halten, sondern strich jetzt zart über ihr weiches, duftiges Haar.
»Gute Nacht – Peter!«
Das Tor klappte hinter der schmalen Gestalt ins Schloß. Er wartete, bis sie hinter dem Eingang verschwunden war und ein Schlüssel umgedreht wurde. Gleich darauf flammte es hinter einem Fenster im Giebel auf.
Da erst stieg er wieder ein und fuhr gemächlich nach der Klinik.
Bis jetzt hatte Bettina wach gelegen und auf die Heimkehr Angelas gewartet.
Auf Zehenspitzen wollte Angela vorübergehen, um in ihr Zimmer zu verschwinden. Da bemerkte sie den Lichtschein in der Mutter Schlafzimmer, und ganz vorsichtig öffnete sie dann die Tür.
Schnell ging sie an Bettinas Bett, glitt dort in die Knie und sagte fast feierlich:
»Ich hab’ ihn lieb, Mutti. sehr lieb – den Peter Heykens!«
*
Wochen waren vergangen.
Angela entfaltete sich täglich schöner und lieblicher. Wundersam war es Bettina zumute, die junge Liebe ihres Kindes wachsen zu sehen.
Nie tat sie eine Frage nach der Zukunft. Angela wußte genau, was sie wollte. Sie war auch nicht voller Ungeduld, wann Dr. Heykens endlich das erlösende Wort sprechen würde.
Dr. Heykens’ neues Heilverfahren, über das er schon in einer Reihe von Versammlungen vor Kapazitäten auf dem Gebiet der Krebsforschung gesprochen hatte, hatte den jungen Arzt mit einem Schlag zur Berühmtheit gemacht.
An dem Tag, wo er die Mitteilung erhielt, daß man die ersten Versuche damit machen wollte, zog es ihn zu Angela und er bat sie, ihm den Abend zu schenken.
Sie hatte glückerfüllt zugesagt.
Bevor Dr. Heykens Angela abholte, setzte er sich zu einem Bericht an seine Mutter nieder.
Zuerst teilte er ihr etwas über seinen letzten Erfolg mit und wie glücklich er darüber sei. Zum Schloß schrieb er:
»Du wirst ein wenig enttäuscht lächeln, liebste Mama, und vor Dich hinsagen: Wieder ein neuer Schritt zu Ruhm und Ehren, und an dich selbst denkst du nicht? Fehlgeschossen, Mama! Dein etwas verschrobener Ältester hat sich aufgerafft und hat wieder die nötige Spannkraft bekommen – durch ein liebes, herzensgutes Mädel.
Ich liebe, Mutter, aus vollem Herzen, und das Mädel, das mir Weggenossin sein wird, ist so recht eine Tochter nach Deinem Sinn. Natürlich ist sie das süßeste Geschöpf, das ich jemals kennengelernt habe, dazu rein und lauter und durchsichtig wie Glas. Ich habe sie lange geprüft, Sorgenmuttchen, aber nun kenne ich ihre Seele bis auf den Grund. Heute werde ich ihr endlich sagen, wie es um mich steht, und dann – dann bringe ich sie zu Dir – meine geliebte Angela.
Dein glücklicher Peter!«
Den Brief brachte er doch zur Post, dann holte er Angela ab, die ihn bereits ein Stück vom Hause entfernt, ganz in duftiges Weiß gehüllt, erwartete.
»Bitte, einsteigen!« rief er ihr in übermütiger Laune zu, und anmutig schwang sich Angela neben ihn.
»Ist Ihnen heute wieder etwas besonders Schönes begegnet?«
»Ja! Deshalb habe ich Sie ja eingeladen, Sie neugieriges – nein«, verbesserte er sich rasch, »Sie kluges, kleines Mädchen. Später verrate ich Ihnen alles, Angela.«
Angela legte die Hände in den Schoß zusammen und schaute sich aus großen Augen an.
Wunderschön war es, neben dem geliebten Mann zu sitzen, mitten hinein in den wundersamen Sommerabend zu fahren, über sich die Bäume des Waldes wie einen grünen Dom zu wissen und den würzigen Duft zu atmen.
Sie hätte aufjauchzen mögen vor Glück.
Wenn Peter Heykens einmal den Kopf zur Seite wandte, konnte er das stille, glücksverklärte Mädchengesicht betrachten.
Liebe, kleine Angela! dachte er dann zärtlich, und sein Herz tat einen freudigen Schlag.
In einer netten Wirtschaft am See suchten sie sich einen wind- und sonnengeschützten Platz, von wo aus die breite, silberglänzende Wasserfläche weithin zu übersehen war.
Und hier begann Dr. Heykens, von seinem Erfolg zu sprechen und der damit verbundenen Mehrarbeit. Angela lauschte mit glänzenden Augen seinen Ausführungen. So viel Vertrauen schenkte er ihr? Sie hätte am liebsten ihr Gesicht in die kräftigen Männerhände gedrückt, um ihm zu danken.
Als er geendet hatte und seine Brust ein tiefer Atemzug hob, da streckte sie ihm über den Tisch hinweg die Hand entgegen.
»Peter, dazu wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute! Mein Kopf ist viel zu klein, um das alles auf einmal aufzunehmen. Die ganze Welt steht Ihnen offen.«
Wehmut lag in ihren Worten. Vielleicht war mit dieser Nachricht, die gewiß ein großes Glück bedeutete, der Abschied von ihm verbunden?
Ach, sie wollte nicht klagen… »Angela!« rief er sie bestürzt an, als er sah, wie die Tränen aus ihren Augen stürzten und helle Bahnen über ihr vor Erregung blasses Gesicht zogen.
»Nicht auf mich achten, Peter!« bat sie unter Tränen lächelnd, die Stimme zur Festigkeit zwingend. »Glauben Sie mir doch, ich freue mich ganz selbstlos an Ihrem Erfolg.«
Da glaubte er den Grund ihrer Tränen zu kennen. Er lächelte recht spitzbübisch.
»Ich habe heute meiner Mutter endlich einmal wieder einen ausführlichen Bericht gegeben. Sie kommt immer sehr schlecht weg, die kleine besorgte Mama. Bei dieser Gelegenheit hat sie auch erfahren, daß ich mein Herz verloren habe an ein liebreizendes Menschenkind – und daß ich es aufgegeben habe, weiterhin allein zu bleiben.«
»Ach!« kam es wie ein leiser Hauch aus ihrem Mund.
»Weiter haben Sie mir nichts zu sagen, kleine Angela?«
Seine Stimme klang weich und zärtlich, so daß Angela sich in einem Anfall von Schwäche mit geschlossenen Augen zurücklehnte.
»Ich – ich wünsche Ihnen noch einmal – von ganzem Herzen Glück, Peter!« rang sie sich diesen Glückwunsch ab.
»Dann beglückwünsche dich mal selbst, Angela! Dich liebe ich doch, dich nur ganz allein!«
»Peter!«
Angela riß die Augen auf, weit, unnatürlich weit. Wie ein Schluchzen hörte sich sein Name an.
»Gib mir deine Hände, Angela!« bat er zärtlich, und benommen streckte sie sie ihm entgegen, die er abwechselnd an die Lippen führte. Dann gab er sie jäh frei.
»Komm, Angela!« Seine Stimme klang rauh vor innerer Erregung. »Ich kann nicht mehr stillsitzen. Laß uns ein wenig am Wasser spazierengehen.«
Es war ein seliges Schreiten zu zweien am Rand des Wassers hin, das geheimnisvoll gluckste und plätscherte und über dem die Abendsonne ihr purpurnes Licht goß.
Hier nahm Dr. Heykens Angela in seine Arme und preßte seine Lippen auf ihren Mund. Alle Liebe, die er für sie empfand, strömte in diesem Kuß aus, und als er sie endlich aufatmend freigab, da glühten ihre Lippen tiefrot.
*
Frau Bettina Martens hatte den Abendbrottisch abräumen lassen und war im Begriff, sich auf der offenen Terrasse mit einer Handarbeit niederzusetzen. Da hörte sie den Wagen zurückkommen, der ihr Angela bringen mußte.
Angela kam – aber nicht allein. Bettina wußte sofort, das war Peter Heykens.
Da ging sie ihnen entgegen. Angela riß sich von Peter los und stürmte vorwärts, warf sich mit einem hellen Freudenlaut der Mutter in die ausgebreiteten Arme.
»Ich bin Peters Braut, Mutti, hörst du, Peters Braut!«