lärmen und rauschen vor unseren Ohren. Aber auch das Entsetzen, der geheime Mord, die teuflische Intrigue, die unter parfümirten Manschetten versteckte blutige Mörderhand auch sie kommen zum Vorschein und füllen die Blätter unserer Familienchronik.
Der alte Marschall Königsmark ist der Ahnherr des Hauses, der Schöpfer des Reichthums und der Macht der Familie. Dieser alte Herr besteht vor dem Richterstuhl der Moral sehr schlecht. Er war im Kriege ein unermüdlicher Plünderer, ein nie rastender Beutemacher, ein schlauer und brutaler Degenknopf. Von Freiheit und Poesie, von dem chevaleresken Parfüm der Sitten, wodurch sich das Geschlecht auszeichnete, trifft man bei diesem alten Unheilstifter noch keine Spur. Es ist merkwürdig und zugleich betrübend zu sehen, wie er mit seinen zahllosen Feinden fertig wird. Er kommt nie zur Ruhe, und wenn auch die Fürsten, denen er dient, Frieden schließen, er fängt auf eigene Faust Krieg an.
Wir sehen ihn im Tumult des dreißigjährigen Kriegs sich herumtreiben. Welch ein Schauplatz für einen kecken und wenig scrupulösen Soldaten! Unter den berühmten schwedischen Helden, neben Horn, Wrangel, Banner und Torstensohn, nimmt er auch einen Platz ein, der Himmel weiß mit welchem Rechte; denn die Weisheit und Größe dieser Männer war ihm nicht zu Theil geworden, nur die soldateske Tapferkeit scheint er in hohem Grade besessen zu haben.
Im Jahre 1600 auf einem Familiengute in der Mark geboren, nimmt er noch in jungen Jahren kaiserliche Dienste unter dem Herzog Albrecht von Sachsen-Lauenburg, den das Gerücht den Mörder Gustav Adolphs nennt. Als dieser heldenmüthige König 1630 in Deutschland erscheint, verläßt Königsmark die kaiserlichen Dienste und geht zu den Schweden über. Hier fängt er nun an, seine Talente zu entwickeln. Mit selbstgeworbenen Heerhaufen durchzieht er Niederdeutschland, Böhmen und Schlesien, dergestalt plündernd, mordend und sengend, daß er den schwedischen Namen zum Schrecken der Welt macht. Böhmen blieb aber sein vorzüglicher Tummelplatz.
Der Abschluß des westphälischen Friedens kümmerte ihn wenig. So zog er vor die Reichsstadt Bremen und belagerte sie förmlich. Alle Welt schrie darüber, die Kabinette Frankreichs und Schwedens erhoben Klagen auf Klagen, und zu gleicher Zeit luden der Senat von Stockholm und das Reichskammergericht den Unruhstifter vor ihre Schranken. Er kam nicht. Der Uebermuth eines glücklichen Soldaten gegenüber den rechtlichen Einrichtungen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, diese bitterste Frucht, die uns die Kriege bringen, machte sich in seiner ganzen Schärfe schon bei unserm Helden geltend. Endlich begab er sich nach Stockholm und stimmte durch passende Geschenke, einen kleinen Theil seines Raubes, die Königin Christine zu seinen Gunsten um. 1650 wohnte er der Krönung dieser Fürstin bei, und sie machte ihn zum Statthalter des Fürstenthums Verden und des Herzogthums Bremen. Als Fürststatthalter schlug er seinen Sitz in Stade auf und baute ein prächtiges Schloß daselbst, das er zu Ehren seiner Gemahlin, eines deutschen Fräuleins, Agathenburg nannte.
Alles dieses misfiel am Hofe zu Stockholm sehr. Die schwedischen Großen konnten so viel Gunst und Glück einem Ausländer nicht vergeben, sie zettelten unaufhörlich Kabalen an, aber der alte Haudegen war der rechte Mann, um über Hofintriguen zu siegen. Er gab Geld her, wo er käufliche Naturen fand, er schlug zu, wenn er Schwächlinge vor sich sah, und so abwechselnd mit Degen und Ducaten schaffte er sich an dem gelehrten Hofe Christinens Platz und galt zuletzt, was das Befremdendste ist, sogar für einen Beschützer der Wissenschaften. Er, der die herrlichen Kirchen Prags mit wahrhaft vandalischer Wuth geplündert hatte, dessen Soldaten zerschlagen und zertrümmern mußten, was sie nicht fortführen oder verkaufen konnten, er saß in der Akademie zu Stockholm und vertheilte gnädig fürstliche Preise für Künstler und Gelehrte und sprach in den kleinen Abendgesellschaften Christinens ein Wort mit, wenn über die Verse Tibulls gestritten, oder ein alter classischer Autor citirt wurde.
Dergleichen wiederholt sich auch wohl jetzt, aber doch nicht mit dieser naiven Unverschämtheit. Die Wissenschaft, die sich damals noch nicht emancipirt hatte, bettelte an den Thüren der Großen um Gunst, und so kam es denn auch, daß rohe Krieger ihre Protectoren wurden und sich mit academischen Titeln schmücken durften. Dadurch suchten sich diese bedrängten Vereine vor Gewaltthätigkeiten zu schützen. Sie erreichten nicht immer ihren Zweck. Wenn ein brutaler Krieger Lust spürte, sich oder Anderen ein besonderes Schauspiel zu bereiten, so mußten jene armen Pedanten herhalten, und mehr als einmal geschah es in jenen Zeiten, daß gelehrte Männer, wenn sie wissenschaftliche Reisen antraten, von einem der kleinen Höfe eingefangen wurden, um an demselben als Hofnarren zu figuriren. Nur mit Zittern traten die gefährdeten Männer ihre Wanderungen an; immer mußten sie fürchten, daß die Locken ihrer majestätischen Perücken sich in Schellen verwandeln könnten. Sie riefen daher den Charlatanismus zu Hülfe, und versuchten es, durch einen erborgten Nimbus von übernatürlichen Kräften die rohe und spottsüchtige Gewalt im Zügel zu halten. Jetzt kam die Reihe, die Rolle der Narren zu spielen, an die Fürsten; Goldmacher und Sterndeuter betrogen sie und rächten die verfolgten Collegen.
In diesem Kriege, den die materielle Gewalt mit der Intelligenz führte, spielte unser alter Marschall ebenfalls eine Rolle, und er war schlau genug, es mit keiner dieser Mächte zu verderben. Die fruchtbringende Gesellschaft nahm ihn in ihren Schoos auf und er führt in ihren Registern den Namen des »Streitenden.«
So ging denn dieser alte Knabe mit Ruhm bedeckt zu Grabe. Er hinterließ der Familie ein jährliches Einkommen von 130,000 Thalern, ein colossales Vermögen für die damalige Zeit, er übergab ihr Landgüter und Schlösser und den Grafentitel. Das hieß nicht umsonst gelebt haben. Die Flüche, die an diesen zusammengeplünderten Schätzen hafteten, verhallten in die Luft, nur die Ehre, der Ruhm und das marmorne Denkmal blieben. Bei meinem Aufenthalte in Stockholm zeigte man mir sein Bild, und ich fand, daß es lebhaft an Peter den Großen erinnert. Ein kostbares Werk mit vielen Bildern und Documenten, das die Thaten dieses Mannes beschreibt und die Mythologie plündert, um Bezeichnungen und Vorbilder zu seinem Helden zu finden, erhielt sich noch lange in der Familie. Prag bewahrt ein anderes Denkmal; es bestand in Trümmerhaufen und Blutspuren. Man schreckte die Kinder mit dem Namen Königsmark wie in Deutschland mit dem Knecht Ruprecht. Das schwedische Document und das prager ergänzen einander.
Graf Karl Johann folgt jetzt, ein Enkel des Vorigen. Der alte Marschall hinterließ drei Söhne, von denen der jüngste, Otto Wilhelm, bei der Belagerung von Negroponte, der mittlere, Johann Christoph, in noch jungen Jahren durch einen Sturz vom Pferde, und der älteste, Curt Christoph, der Vater Karl Johanns, Philipp Christophs und der beiden Schwestern Aurora und Emilie, bei der Belagerung von Bonn starb. Die Familie hatte unterdeß ihr Ansehen noch erweitert. Dieser Vater Karl Johanns und unserer berühmten Aurora war mit Christina Wrangel vermählt, einer Tochter des Marschalls Hermann Wrangel, der seinerseits wieder eine Prinzessin von der Pfalz geheirathet hatte. Hierdurch war die Familie mütterlicher Seits mit Fürstenhäusern in Deutschland, väterlicher Seits fast mit dem ganzen Adel Schwedens verbündet. Man sieht, wie glänzend die Laufbahn sich geebnet zeigte, die diesem jungen Geschlecht beim Beginn seiner Lebenswanderung vom Schicksal vorgezeichnet war. Leider sollte jedoch von den Kindern Curt Christophs kein einziges das Ziel eines glücklichen und späten Alters erreichen, und es war bestimmt, daß der Stamm mit diesem so günstig Ausgestatteten aussterben sollte. Wir fassen für's Erste Karl Johann in's Auge.
War der alte Marschall nicht viel mehr als ein braver Soldat, ein kecker Beutemacher, so war sein Enkel schon mit der Poesie seines Standes bekleidet; er war ein vollkommener Ritter des siebzehnten Jahrhunderts, ein moderner Roland, unerschöpflich thätig in Liebes- und Waffenabenteuern, jung, schön, tapfer, verführerisch und ein übermüthiger Aristocrat. Der schwedische Hof, der sich damals in einer Krisis befand, an welchem sich die Parteien zankten und der Reichstag endlose Reden hielt, gab dem jungen Wildfang, der sehr früh den Schulbänken der Ritteracademie zu Stade entflohen war, wenig Aussicht zu glänzenden Thaten. Er ging nach Paris und dort, wo er seinen Oheim Otto Wilhelm fand, stürzten sich Oheim und Neffe in die galanten und gefährlichen Abenteuer der Hauptstadt. Der Oheim wurde dieses Lebens nicht überdrüssig, wol aber der Neffe. Ein kühner Geist waltete in dem jungen Körper, ein Ideal von Ruhm und Thatenglanz stand unverrückt vor seiner Seele.
So sehen wir denn den kaum achtzehnjährigen Jüngling nach Malta übersegeln, um seine Dienste dem Ordensmeister gegen die Barbaresken anzubieten. Auf einer der Ordensgaleeren zeigt er eine so verwegene Tapferkeit, einen so glänzenden Muth, daß der Orden, bestürzt und erfreut, sich bereit erklärt,