von einem rührenden und schuldlosen Liebesangedenken erfüllt, sah in der Nacht des Kerkers keine Nacht, in der Einsamkeit keine trostlose Oede. Die Perfidie der Welt, der uralte Treubruch, die ewig siegende Gemeinheit, die vergoldete Kette der Sclaverei hatten mit allzuheftigen Eindrücken ihre reine Seele gefoltert; sie wollte in die Gemächer nicht mehr zurück, die von Gold gleißen und an denen Blutflecke haften. Königsmark verdiente nicht durch seinen Leichtsinn, wohl aber durch seinen sühnenden, alle Schuld tilgenden, schreckenvollen Tod, in einem solchen Herzen zu wohnen.
Nächst dem tragischen Ausgange dieses Dramas fesseln uns auch anmuthige Episoden desselben. Die Aufsätze, die sich im Nachlaß Aurora's finden, sind theils von ungenannten Berichterstattern, denn es war sicherlich gar gefährlich, über diese Dinge im damaligen Deutschland laut zu sprechen, theils von Aurora's Hand geschrieben. So erfahren wir, daß Watteau in seinen berühmten Gemälden nur die Natur copirte, denn es werden hier ländliche Feste geschildert, wo im Garten oder auf der Wiese junge Männer und Frauen im Schäfercostüm Tänze aufführen und Spiele spielen, gerade wie Watteau sie gemalt hat. Aurora schreibt: »Wenn sie (nämlich die Gräfin Platen) mit ihm (mit Königsmark) zufrieden war, wußte sie nicht, wie freundlich sie mit ihm sein sollte. Einesmals zu Linzburg (ein kurfürstliches Jagdschloß) aßen der Kurprinz, die Kurprinzessin, Gräfin Knesebeck und Andere das Frühstück im Holze. Da war sie so contente, daß sie ihre Hautbois blasen ließ, den Grafen Königsmark bei der Hand nahm, eine gute Viertelstunde mit ihm herumtanzte, ihn immer in ihre Arme laufen ließ und sich so ridicülement dabei anstellte, daß die Kurprinzessin sich todt lachen wollte.«– Ein anderes Document, eine Aussage, von fremder Hand geschrieben, enthält das Bekenntniß eines Künstlers, der in Wachs modellirte, eine Kunst, die die Prinzessin lernen wollte, wie damals viele vornehme Damen. Dieser junge Mann erzählte, er sei gerade in dem Moment, als der Graf von den Vermummten überfallen und gebunden worden, im Zimmer der Prinzessin beschäftigt gewesen und habe sich beim Tumult hinter einen Fenstervorhang versteckt. Dieser selbe Zeuge will denn auch die Mordscene unten im Gewölbe mit angesehen haben, und zwar beschreibt er zugleich, wie man den Leichnam in einer Grube im Gewölbe verscharrt. Dieser Aussage widersprechen jedoch, wie wir schon oben bemerkt, andere Berichte. Ein unbestreitbares Factum bleibt, daß man die Leiche nicht fand, und daß trotz aller Reclamationen von Seiten des sächsischen Hofes, an dem damals Aurora allmächtig war, vom Kurfürsten keine gerichtliche Untersuchung und Bestrafung der Thäter zu erhalten war.
So starb der letzte der Grafen Königsmark; ein gräßliches Ende bei einem so stralenden Anfang. Sein Wappen und sein Schwert haben nicht, wie es beim Aussterben einer Familie gebräuchlich war, über seiner Gruft zerbrochen werden können. Er büßte für den Hochmuth und die Eitelkeit seiner Vorfahren.
Wir gehen jetzt zu dem Hauptgegenstande unserer Aufmerksamkeit über, zu dem Bilde Aurora's von Königsmark. Auf die Schwelle der geöffneten Pforten des achtzehnten Jahrhunderts, dieses Jahrhunderts voll Glanz und Frivolität, tritt sie als eine Gestalt, die unsere Blicke sogleich auf sich zieht, denn mit ihrer Schönheit kann keine wetteifern, ihre Anmuth hat nicht ihres Gleichen, und was ihren Geist betrifft, so ist er von jener köstlichen Frische und jener süßen, duftenden Fülle, wie er unter den Frauen aller Jahrhunderte nur in seltenen Beispielen vorkommt; vor allem aber war er in jener Zeit eine wundersame Erscheinung, wo noch die Nachstürme der barbarischen Sittenzerstörung des dreißigjährigen Krieges über das civilisirte Europa hinwehten. Wenn man diese junge Frau betrachtet, so erscheint sie wie eine Blume, mild und anmuthig, und dann wieder wie der Diamant scharf und blitzend. Das damalige Deutschland war nicht reif für ein Weib dieser Art, für einen eminenten schöpferischen Geist, den die Natur, wie im absichtlichen Contrast, in die weichste, schönste, weiblichste Körperform gekleidet hatte. Frankreich hätte diese Tochter des Genies und der Schönheit besser zu stellen, ihre Eigenschaften besser zu nützen gewußt. Friedrich August sah in ihr nichts als eine reizende Geliebte, während er in ihr einen Freund, einen Minister hätte sehen sollen. Er suchte bei ihr nur das Weib, während er bei ihr den Mann, den rettenden und kühnen Geist, den Genius seiner Krone hätte finden können. Dies Alles konnte Aurora sein; daß sie es nicht war, daß auch sie unter dem Fluche litt, der auf einem feigen und schwankenden Scepter ruhte, darf ihr nicht zur Last fallen. Dieser Satz darf jedoch nicht misverstanden werden. Wir wollen keineswegs einem Weiberregiment dieser Gattung das Wort reden, indem wir Aurora's Stellung als ihrer nicht würdig bezeichnen.
Ein Weib zu bewundern, blos weil es schön ist, kann in manchen Fällen zur Beleidigung werden. Immer nur die Eigenschaften des Geschlechts mit Bewunderung herauszuheben, wo der Geist nach Anerkennung dürstet, kann einer Frau so seltener Art wie Aurora eine fast tödtliche Kränkung bereiten. Sie hat Worte der Weisheit auf den Lippen, und man verlangt von diesen Lippen – nur einen Kuß; der Geist leuchtet aus ihrem dunkeln, sinnenden Auge, und man verlangt von diesem Auge nichts, als daß es Liebe blinzle. Gemeine Künste, alltägliche Plauderei der Liebe, zärtliche Gemeinplätze des Boudoirs, das Schmollen einer Grisette, Affensprünge der Koketterie, kurz der ganze Apparat eines Tete - a -Tete, wie sie der gewöhnliche Mann beim gewöhnlichen Weibe sucht, alles das dünkt der ungewöhnlichen Frau Verrath an sich selbst und der Liebe. Aurora war eine solche ungewöhnliche Frau, Friedrich August aber war ein solcher gewöhnlicher Mann, und trotz seines affectirten Ritterthums nie im Stande, der wahre Ritter einer edlen Frau zu sein. Aurora litt am meisten darunter, denn sie mochte wol gehofft haben, in Sachsen zu herrschen, so zu herrschen, wie das Genie immer herrscht, das heißt, Alles veredelnd, vergrößernd, verschönernd. Aber obgleich sie sich in ihrem innersten Wesen verkannt fühlte, hat sich doch nie Bitterkeit in Aurora's Gemüth festgesetzt; sie blieb anmuthig, heiter bis zu ihren letzten Augenblicken, die sie unter zänkischen alten Stiftsdamen verbrachte, in weicher Liebenswürdigkeit um die Neigung und das Wohlwollen ihrer Umgebung werbend. Sie wußte nicht, was Haß, was Neid, was Rachsucht war. In ihren guten Tagen war sie allerdings eitel und hochmüthig, aber sie war es wie ein Kind, harmlos, mit Muthwillen, über sich selbst scherzend. Diese wunderbare Frau hat keine eigentlichen Feinde gehabt; es ist dies ein Beweis, wie kindlich sie war, wie alle ihre großen Eigenschaften auch darin den Stempel des Genies trugen, daß das Feuer nie verbrannte, nur leuchtete und wärmte. Wie großer Kummer ihr Herz traf, wie die verlassene Geliebte weinte, wie die gebeugte Mutter heimlich mit ihrem Schmerze rang, da tauchten Stimmen auf, die nach Aurora von Königsmark fragten, und diese Stimmen gehörten den Frauen und Männern an, die einst von der allmächtigen Gebieterin vom Platze gestoßen worden, die also nach dem Lauf der Welt ihre erbittertsten Feinde und hocherfreut über ihr Unglück hätten sein müssen, wenn Aurora eine Maintenon oder Pompadour gewesen wäre. Aber gerade diese Stimmen legten ehrenvoll Zeugniß für sie ab. Unter den gemeinen Geliebten Augusts, die er sich überall zusammenlas, selbst da, wo der Fuß eines Königs nie hindringen sollte, steht sie da mit der höchsten Würde des Edelsinns bekleidet. Voltaire, der die Frauen eben nicht hoch stellte, sieht in ihr das Ideal eines Weibes, die merkwürdigste Frau zweier Jahrhunderte. – Wir wollen jetzt etwas näher auf ihr Schicksal und ihren Charakter eingehen.
Von ihren Brüdern glich sie am meisten dem ritterlichen Karl Johann, der auch ihr Lieblingsbruder war; an körperlichen Vorzügen kam ihr der jüngste Bruder am nächsten, der auch die Kunst, die Herzen zu gewinnen und den Geist durch Anmuth und Frohsinn zu beleben, mit ihr gemein hatte. Die schöpferische Intelligenz, die selbstständige kühne und kluge Lebensansicht war jedoch ihr allein eigen, hierin erreichte sie keine Frau, kein Mann ihrer Familie. – Es zeugt nicht eben von gutem Geschmack und ist für die Phantasie nicht sehr erbaulich, die Reize eines schönen Gesichts herzuerzählen; dennoch müssen wir bemerken, daß ihr Auge von einem in Deutschland und im Norden überhaupt seltenen Schnitt, lang und ziemlich weit gespalten, das Email vom reinsten, schönsten Weiß war, und der Stern in jenem braunen Lichte schimmerte, das am meisten geeignet ist, die Süßigkeiten einer zärtlichen Seele in sich aufzunehmen, ohne dabei dem Stral des Geistes Eintrag zu thun. Wenn sie lächelte, so hob sich das untere Augenlied und gab dem Auge einen sanften, schimmernden Glanz, durch den das Feuer des Geistes wie durch einen Schleier blickte. Die Nase war schön geformt, der Mund graziös und unendlich beredt, in jeder Wendung durch neue Reize überraschend. Es war ein Uebelstand, daß sie nach damaliger Mode Roth auflegte; dadurch wurden die natürlichen Rosen ihrer Wangen in ihrem Farbenspiel gehemmt. Ihr Gang war stolz, ihre Gestalt biegsam, ihre Schultern, ihr Rücken von einer Reinheit der Form und Schönheit der Färbung, wie sie überall unter den