Bluse, einen breitrandigen Hut kühn auf das leuchtende Haar gedrückt, braune weiche Lederstiefel und die Reitpeitsche mit einem vergoldeten Knauf. An alles hat Achim gedacht.
Vor der Veranda hält Pedro die Pferde bereit. Es sind zwei edle Vollblüter. Bettina reicht ihrem Pferd ein Stück Apfel und ist schnell mit dem Tier vertraut.
Wattenberg hilft ihr beim Aufsteigen, und langsam traben sie nebeneinander den breiten Weg entlang. Sie stößt einen Ruf des Entzückens aus. Rund um den Bungalow sind prächtige Gartenanlagen, und die schönsten Pflanzen und Blumen, darunter solche, die Bettina noch niemals gesehen hat, blühen in üppiger Fülle.
Wattenberg weist mit der Hand in den Umkreis.
»Diese Anlagen habe ich überall anlegen lassen, habe die Pflanzen und tüchtige Gärtner kommen lassen, die sie pflegen und alles in Ordnung halten.«
»Es ist ein Paradies«, ruft Bettina bewundernd aus. »Ich habe nicht einmal geahnt, daß es so etwas gibt. In deinen Händen scheint sich alles zum Glück zu wandeln.«
Sehr nachdenklich sieht er zu ihr hinüber. »Ich kann nur glücklich sein, wenn andere es auch sind. Was ich dazu beitragen kann, geschieht. Wenn dann einer noch unzufrieden ist, liegt es an ihm selbst. Jeder hat sein Pfund mitbekommen, um damit zu wuchern.«
Sekundenlang legt sich ein Schatten über ihre Züge. »Dann gehöre ich wohl zu den letzteren. Ich habe bisher nicht viel aus meinem Leben machen können. Manchmal denke ich, ich bringe den Menschen kein Glück.«
Er schweigt eine Weile und meint dann mit Nachdruck:
»Das darfst du nicht von dir denken, Bettina. Jeder Mensch ist dazu fähig, einem anderen Glück zu geben. Er muß es nur ernsthaft wollen.«
»Meinst du mich damit?« wagt sie zu fragen.
»Ja, Bettina. Mir schenkst du schon Glück durch deine Anwesenheit. Ich bilde mir sogar ein, eines Tages wirst du mich liebenler-
nen.«
Schreckhaft zuckt es zu Bettinas Herzen. Verwirrt gleitet ihr Blick seitwärts. Sehr leise fragt sie:
»Legst du so viel Wert darauf?«
»Sehr viel.«
»Aber – aber du hast doch eine ungeliebte Frau an deine Seite gestellt.«
Ein zärtliches Lächeln umspielt seinen Mund.
»Bist du so sehr davon überzeugt?«
»Hast du es mir nicht einmal selbst gesagt?« Langsam wendet sie ihm das Gesicht wieder zu.
»Wie hätte ich dich erschrecken können, da du noch im Schatten standest? Erst wollte ich dich dem Licht entgegenführen…«
»Das – das kann nicht wahr sein.« Es zittert von ihren Lippen.
»Denke einmal genau über uns beide nach, Bettina.«
Das klingt rätselhaft. Er ist sehr ernst, aber in seinen Augen liegt so viel Zärtlichkeit, daß sie beschämt den Kopf senkt. Ist sie wirklich so gedankenlos, oder sogar so oberflächlich gewesen, daß sie seine Güte und Fürsorge hinnahm, ohne sich Gedanken darüber zu machen, aus welcher Quelle diese menschliche Güte rinnt?
Sollte es Liebe sein? Mein Gott, wie kommt sie sich dumm und kindisch vor!
Es steigt ihr heiß in die Kehle. Am liebsten hätte sie geweint über ihre Unzulänglichkeit, und auch ein wenig über das Glück, das in seinen rätselhaften Worten verborgen ist.
Sie drängt ihr Pferd dicht neben das seine und reicht ihm die Hand im ledernen Stulpenhandschuh.
»Verzeih, Achim«, stammelt sie. »Ich werde über uns nachdenken. Jedenfalls danke ich dir…«
»Ach was – Dankbarkeit…«, sagt er schroff, beinahe etwas verächtlich. Er läßt ihre Hand fallen und sprengt davon.
Ihr ist, als würde ihr das Herz aussetzen. Woher dieser plötzlich Umschwung? Sie ist todunglücklich über sich. Alles macht sie falsch. Sie wußte doch genau, wie sehr er das Wort »Dankbarkeit« haßt. Aus ihrem Mund mußte es wie eine Verhöhnung klingen, weil er, wie sie nun annimmt, etwas ganz anderes von ihr hören will.
Sie reißt ihr Pferd herum und reitet den Weg zurück zum Bungalow, und sie findet ihn auch. Pedro taucht auf und hilft ihr mit ängstlichen Augen aus dem Sattel. Ihr Gesicht wirkt wie versteinert.
Sie steigt rasch die Verandastufen empor. Jetzt kann sie keinen Menschen ertragen. Sie geht in ihr Zimmer und schließt sich ein.
Drinnen wirft sie Hut, Handschuhe und Peitsche in den nächsten Sessel und sich selbst auf ihr Bett. Gleich darauf aber schwingt sie sich wieder herunter und schließt die Tür zu Gretas Zimmer auch noch ab.
Sie ist wie gelähmt und vermag keinen Gedanken richtig zu Ende zu denken.
Herrgott, sie liebte ihn doch. Warum war sie blind und taub? Warum hat sie nicht längst erkannt, daß auch er sie liebt?
Und nun hat sie ihm weh getan, dem einzigen Menschen, dem sie alles Liebe und Gute hätte erweisen mögen, und nach dessen Liebe sie sich sehnt, wie nach Licht und Sonne. Und dieser erste Streit mußte auch noch an einem so wunderschönen Tag, der so vielversprechend begonnen hatte, ausbrechen. Ist es überhaupt ein Streit gewesen? Eigentlich nicht! Seine Worte haben ihr über so vieles die Augen geöffnet.
*
Wattenberg ist schnell weitergeritten. Er ist ärgerlich über sich, daß er so voller Zorn gewesen ist. Hatte er sich nicht vorgenommen, sehr viel Geduld mit ihr zu haben?
Er quält sich und wendet reuevoll sein Pferd. Die Stelle, an der er Bettina verlassen hat, ist leer. Jetzt greift die Angst nach seinem Herzen. Würde sie zurückfinden? Wenn sie sich verirrt? Er trägt die Verantwortung für sie.
Er prescht zurück zum Haus. Pedro kommt angelaufen. Er hat traurige Augen. Er sieht die Angst in den Augen seines Chefs, für den er schon Jahre arbeitet und der ihn genau kennt.
Noch ehe Wattenberg die Frage nach Bettina stellen kann, sagt er: »Ihre Frau ist zurückgekommen. Sie ist sofort ins Haus gegangen.«
»Danke, Pedro!« antwortet er mit einem stillen Aufatmen. Gott sei Dank! Bettina ist im Hause.
Sofort geht er zu ihr und steht vor verschlossener Tür.
»Bettina, bitte öffne! Ich möchte mit dir sprechen!«
Keine Antwort. Er meint, unterdrücktes Weinen zu hören. Er lauscht. Auf einmal ist es still. Er klopft noch mehrmals. Nichts regt sich hinter der Tür. Sie öffnet sich nicht, und es ist auch ganz still dahinter geworden.
»Bettina! Bettina!«
Ratlos wendet er sich um. Er ist ja wahnsinnig gewesen, sich und ihr diesen wunderschönen Tag zu verderben, wo er so viel mit ihr vorgehabt hatte. Nun weint sie – und er trägt die Schuld daran. Er kennt doch ihre Empfindsamkeit.
Mutlos geht er zurück in die Halle und aus dem Haus. Da sieht er das offenstehende Fenster zu Bettinas Badezimmer. Kurz entschlossen steigt er ein.
Er findet eine schweißüberströmte, schlafende Bettina vor. Das zarte Gesicht ist noch naß von Tränen.
Abseits setzt er sich in einen Sessel und raucht, sie keinen Moment aus den Augen lassend.
Es ist ein kurzer, unruhiger Schlummer, in den sie gefallen ist. Nach Minuten schlägt sie die Augen auf. Sie muß wohl gefühlt haben, daß sie nicht mehr allein im Zimmer ist. Langsam erhebt sich Wattenberg und tritt an ihr Bett heran.
»Bettina, verzeih mir, ich habe mich danebenbenommen«, sagt er, seine Stimme zur Ruhe zwingend.
Sie richtet sich auf und läßt die Füße, an denen sie noch die Stiefel trägt, auf den Boden gleiten. Er setzt sich neben sie.
Sie zittert.
Er bittet sie noch um Verzeihung. Dabei war es richtig gewesen, daß er sie aus ihrer Gedankenlosigkeit aufgerüttelt