von Verzeihen sprechen, Achim, bitte, nicht. Das kann ich nicht ertragen. Ich – ich liebe dich doch – ich liebe dich schon solange, seit ich dich kenne…«
»Bettina!«
Der freudige Schreck ist so groß, daß er wortlos die Arme um sie preßt und sie küßt. Es ist ein langer, langer Kuß voller Seligkeit und Glück.
Zitternd und weinend liegt sie an seinem Herzen.
*
Wenn Bettina später an die folgende Zeit zurückdachte, dann meint sie, es sei die glücklichste ihres jungen Lebens gewesen.
Alles ist schön und berauschend. Sie blüht unter seiner Liebe, seinen Zärtlichkeiten auf wie eine Rose. Die Liebe hat sie völlig gewandelt. Sie ist weich und anschmiegend. Sie erträgt alle Strapazen, denn er ist so glücklich, daß er Bettina nicht von seiner Seite läßt. Er reitet mit ihr durch das ganze Gelände. Er bringt sie auf das Gebiet der Öltürme, das Tag und Nacht bewacht wird und nachts von Scheinwerfern taghell beleuchtet wird.
Er macht mit ihr reihum Besuche. Überall findet sie offene Aufnahme. Die unverheirateten Ingenieure und Verwaltungsangestellten werden zu Bettinas glühenden Verehrern.
Unter ihnen ist Egon Clermont, ein junger Franzose, der unter Alexander Mortons Schutz steht. Er verfolgt Bettina mit heißen Blicken und taucht überall dort auf, wo sie weilt. Immer versteht er es, seinem Erscheinen einen harmlosen Grund zu geben. Morton allerdings kennt Egon genau und beobachtet ihn mit wachsender Sorge.
Noch wagt er nicht, ihn zu warnen. Noch beobachtet er nur. Auch gegenüber Wattenberg verliert er kein Wort. Aber auch er hat sein Herz sofort an Bettina verloren, er, der den Frauen bisher aus dem Weg gegangen ist. Doch nie, niemals würde er die Hand nach Achims Frau ausstrecken. Seine tiefe, ehrliche und tausendmal erprobte Freundschaft zu Wattenberg könnte er niemals verraten.
Also wacht er, ganz unabhängig von seinen eigenen Gefühlen, über das Glück des Freundes.
*
Es herrscht jedesmal großer Jubel, wenn das Flugzeug mit der Post eintrifft. Auch Bettina hat das Fieber der Erwartung gepackt.
Sie war es, die den ersten Brief an ihrer Mutter sandte und ihr ihr großes Glück mit Achim anvertraute. Und eines Tages hält sie die Antwort in Händen. Unter anderem schreibt Franziska:
… Das ist für mich nichts Neues, mein liebes Kind. Achim hat mir seine Liebe zu Dir schon gestanden, als Du noch nicht an eine Verbindung mit ihm dachtest. Achim ist es wert, daß Du ihm Kameradin und Geliebte zugleich bist. Und ich bin sehr beruhigt, bei ihm weiß ich Dich gut aufgehoben. Meine Sehnsucht nach Euch ist groß, da ich sehr einsam bin. So werden wir uns oft schreiben, und ich habe mich immer über etwas zu freuen. Wie gut, daß ich weiß, wo meine Gedanken Euch zu suchen haben. Du schilderst alles so anschaulich, daß ich dieses Eiland des Glücks fast greifbar vor mir sehe…
Wattenberg, der sich in Geschäftsbriefe vertieft hat, wirft hin und wieder einen Blick auf Bettinas süßes Gesicht. Er bemerkt auch die Träne, die über ihre Wange rollt.
»Sehnsucht, Kleines?«
Rasch reicht sie ihm den Brief. »Nein, Achim, solange du bei mir bist, habe ich keine Sehnsucht. Aber Mama ist sehr einsam. Bitte lies selbst.«
Nachdenklich faltet er darauf den Brief zusammen und legt ihn auf den Tisch.
»Sie schreibt zwar nichts von Sehnsucht, doch man kann es zwischen den Zeilen lesen. Schließlich bist du ihr einziges Kind.«
Und mehrmals an diesem Abend blickt er nachdenklich über den blühenden Garten. Sie sitzen auf der Veranda, eisgekühlte Getränke vor sich, und aus dem Haus, durch das geöffnete Fenster, dringt leise Musik.
Es ist einer der traulichen Abende, die sie häufig verbringen. Später kommt Alexander Morton hinzu. Mit seiner hohen, schlanken Gestalt und dem schmalen braungebrannten Gesicht ist er ein interessanter Mann.
Mit dem bescheidenen Lächeln, das ihm eigen ist, sagt er, als er die Verandastufen emporsteigt:
»Ein einsamer Mann kommt zu einer Plauderstunde.« Und küßt Bettina die Hand. »Ist es angenehm, gnädige Frau? Stören möchte ich nicht.«
Sie lächelt ihn an. »Sie stören uns gewiß nicht. Was möchten Sie trinken? Whisky mit einem Schuß Soda?«
»Sie kennen schon mein Lieblingsgetränk.« Er nimmt das gefüllte Glas aus ihrer Hand. »Vielen Dank.«
Sie trinken sich zu, und Wattenberg richtet das Wort an den Freund.
»Alles in Ordnung draußen? Da ich mit Bettina am Teufelsturm war, konnte ich nicht hinauskommen.«
Morton winkt ab. »Ist nicht nötig gewesen, Achim. Alles in Ordnung!«
Er sieht Bettina mit ruhiger Beherrschtheit an. Keiner merkt ihm an, daß sein Herz hart gegen die Rippen schlägt. »Sie haben sich gut akklimatisiert, gnädige Frau. Gefällt es Ihnen immer noch so gut bei uns?«
»Immer noch, Herr Morton«, lacht Bettina. Sie begegnet dem aufleuchtenden Blick Wattenbergs. »Wo Achim ist, fühle auch ich mich wohl.«
»Beneidenswerter Mann«, seufzt Morton. Jetzt lacht der Angeredete hellauf.
»Nachmachen, alter Junge.«
»Haben Sie nicht eine Schwester, Bettina? Die würde ich auf der Stelle heiraten. Wissen Sie, eine zweite Ausgabe von Ihnen.«
»Leider habe ich keine Schwester. Aber das dürfte doch kein Grund sein, um unverheiratet zu bleiben«, meint Bettina und betrachtet den Mann ernsthaft. »Für einen Mann in Ihrer Position und mit Ihrem Aussehen wird sich doch wohl eine Frau finden.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin zu schwerfällig, Bettina. Offen gesagt, von Frauen verstehe ich nicht viel. Meine Arbeit stand immer an erster Stelle. So wird es wohl auch immer bleiben, und auf die Dauer wird eine Frau nicht damit zufrieden sein.«
»Man kann auch gerecht verteilen, Herr Morton. Einen Teil geben Sie der Frau, der andere gehört Ihrer Arbeit.«
»Du solltest einmal ausspannen, Alex«, schlägt Wattenberg vor. »Komm doch für einige Zeit mit uns ins alte Europa. Wäre das nichts?«
Morton blickt mißtrauisch.
»Soll das ein Angebot sein?«
»Ja!«
»Du, Achim, es könnte möglich sein, daß ich dein Angebot annehme. Ich war schon Jahre nicht mehr in Urlaub.«
»Phantastisch! Überleg es dir. Bis zu unserer Abreise halte ich das Angebot aufrecht.«
Morton bekommt einen ordentlichen Schock. »Soll das heißen daß du bereits an die Heimkehr denkst?«
Wattenberg lacht. »Du siehst aus, als hätte ich dir einen Schreck eingejagt. Keine Angst, so schnell werdet ihr mich nicht los.«
»Dann ist es gut. Kaum habe ich mich an meinen Chef gewöhnt, wäre er imstande wieder abzubrausen.«
»Noch haben wir zuviel Arbeit zu bewältigen, alter Junge. Mit abbrausen wird es so schnell nichts.« Wattenberg reicht die Zigaretten, und Bettina schenkt die Gläser erneut voll. Sie selbst nippt an ihrem Eisgetränk. »Übrigens, Alex, was macht dein Schützling, Egon Clermont?«
Morton seufzt ein wenig. »Es ist so eine Sache mit dem Jungen, Augenblicklich kommt er mir etwas haltlos vor. Er trinkt zuviel, nein, er säuft schon.«
»Und wie ist er im Dienst?« forscht Wattenberg.
»Da ist er in Ordnung«, erwidert Morton. »Er muß irgendeinen Kummer haben, den er zu betäuben versucht.«
»Ist er verliebt?«
Morton schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung. Er geht mir in letzter Zeit aus dem Weg. Komisch!«
»Und bei uns taucht er alle Augenblicke auf in seiner Freizeit.« Wattenberg wechselt einen raschen Blick mit seiner jungen Frau.