Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman


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Soweit sind wir beiden noch nicht. Aber in wenigen Minuten wirst du einen äußerst temperamentvollen am Halse haben«, verkündet er dem Freund unheilvoll.

      »Auf die Dinge, die meiner harren«, erwidert Wattenberg ergeben. Er reicht ihm das Glas zu. »Gib mir darauf noch einen.«

      »Tsch! Tsch!« macht Kersting nur, und Wattenberg weiß nicht, soll das eine Warnung oder eine Ermunterung sein. Da der Freund aber die Gläser füllt, muß es wohl eine Aufmunterung sein. »Hier bliebe zunächst erst einmal festzustellen, wer wen verführt«, meint er dabei seelenruhig. »Es ist genau wie früher. Beim Aushecken der Streiche hielten wir uns die Waage, auf der Uni haben wir versucht, uns gegenseitig unter den Tisch zu saufen. Ich kann es dir noch nicht verzeihen, daß du immer viel länger auf den Beinen standest als ich. Meistens hast du mich heimgeschleppt und wie einen Sack auf mein Bett geworfen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr, wie ich dir dennoch die ganzen Jahre über treue Freundschaft habe halten können.«

      Wattenberg sieht den Freund fast liebevoll an. »Du willst mich doch nicht etwa zu Tränen rühren? Also los, sag mir, worum es geht. Du spannst mich ja mächtig auf die Folter.«

      Kersting beginnt in seinem Gesetzbüchlein zu wühlen. »Apropos Folter, Daumenschrauben…«

      »War es dir heute vielleicht zu heiß, mein Lieber?« fragt Wattenberg vorsichtig an. »Hast du vielleicht einen kleinen…« Er zeigt nach seinem Kopf.

      »Nee, Achim, ich bin ganz klar um meinen Gehirnkasten.«

      »Also dann sag schon, worum es sich handelt!«

      »Um eine niedliche kleine Erpresserin. Folter – Daumenschrauben«, trompetet fröhlich Kersting. »Kapiert?«

      Wattenberg lacht schallend auf. »Und dazu brauchst du einen solchen Anlauf. Mein Gott, Bert, bin ich denn ein Baby, dem man es wie mit der Milchflasche tropfenweise beibringen muß…«

      »Eingeben, mein Lieber, eingeben, nicht beibringen«, fällt Kersting dem Freund triumphierend ins Wort. »Ist es mir tatsächlich gelungen, mir, dem kleinen Würstchen, den großen Wattenberg verbessern zu dürfen.«

      Wattenberg schüttelt nur den Kopf. »Nun ja, im Umgang mit Babys bin ich nicht geschult genug. Ich gebe mich in dieser Beziehung geschlagen.«

      »Die erste Runde an mich.« Er verbeugt sich leicht. »Danke«, schnarrt er.

      »Also die Nana Wolters hat sich an dich gewandt«, fährt Wattenberg belustigt fort.

      Kersting stutzt. »Wie kommst du denn auf diesen Namen?«

      Wattenberg ist ganz unbefangen. »Sprachst du nicht von einer kleinen Erpresserin? Das ist sie.«

      »Ach nee«, staunt Kersting. »Das hat mir nicht mal mein Kollege verraten. Menschenskind, was hast du denn da ausgefressen? Seit wann bist du unter die Weiberhelden gegangen? Handelt es sich um eine – um eine sitzengelassene Geliebte?«

      »So ähnlich, Bert…«

      »Warst du wirklich so dämlich und hast etwas schriftlich gegeben?« Kersting mißt Wattenberg mit einem langen, zweifelnden Blick.

      Der neigt sich zu ihm. »Paß auf, Bert. Wie ist die rechtliche Lage, wenn dieses Schriftstück unter ganz anderen Verhältnissen gegeben worden ist? Wenn kein Geld mehr da ist? Wenn also bei allem guten Willen nichts mehr gezahlt werden kann – und wenn…«

      »Bist du denn pleite?« entfährt es Kersting ganz entsetzt. »Gibt es kein Öl mehr?«

      »Wer spricht denn von mir.« Wattenbergs Gesicht trägt einen ärgerlichen Ausdruck. »Ich sehe schon, ich muß dir alles der Reihe nach erzählen…«

      »Das mußt du auch, mein Lieber«, unterbricht Kersting ihn abermals, aber er bringt Wattenberg damit nicht aus der Ruhe. »Ich bin so etwas wie ein Beichtvater.«

      »Paß auf, Bert. Bei dieser Dame handelt es sich tatsächlich um so etwas wie eine sitzengelassene Geliebte, nur mit dem Unterschied, Jürgen Kröger hätte sie niemals sitzengelassen, wenn er nicht…«

      »… verunglückt wäre«, vollendet Kersting.

      »Richtig, Bert. Nun, du kennst Jürgen Kröger so gut wie ich. Schwamm drüber. Man soll Toten nichts Schlechtes nachsagen.«

      »Also hältst du deinen Kopf buchstäblich für einen anderen hin?«

      »Kennst du Bettina Kröger, die junge Frau Jürgens?«

      »Nein, Achim. Er hat sie ja unter eine Glasglocke gesetzt. Die wenigsten werden sie kennen.« Kersting ist sehr ernst geworden. »Und wie bist du in die Sache geschlid-

      dert?«

      Wattenberg drückt seine Zigarette aus. Ein Schatten liegt auf seinen Zügen. »Das weiß ich selbst nicht, Bert. Ich weiß nur, daß ich mittendrin stecke, weil ich zwei ratlosen und hilflosen Frauen zur Seite gesprungen bin. Jürgen ist von der Schaubühne des Lebens abgetreten und hat ein heilloses Durcheinander zurückgelassen. Da habe ich eingegriffen und mit einer nicht unbeträchtlichen Summe das Werk wieder flott gemacht. Und ich liebe Bettina Kröger – und sie wird meine Frau werden. Wann, das steht vorläufig noch in den Sternen. Jürgen hat dieser Nana Wolters wirklich etwas Schriftliches gegeben, wonach fünftausend Mark monatlich aus seinem Guthaben zu zahlen wären. Es gibt aber kein Guthaben mehr. Und aus dem Werk hat sie keinen Anspruch, aus vorgenannten Gründen.«

      Kersting hat aufmerksam zugehört. »Und du mußt nun die Sache ausbaden, ja?«

      »Das macht mir gar nichts aus, Bert. Die Rechtslage ist doch völlig klar. Ich hätte nie gedacht, daß diese Frau so dämlich – oder sagen wir, so zäh ist. Sie kämpft – und nicht einmal mit schönen Mitteln – wie eine Besessene um Geld, das praktisch nicht da ist. Ich bin sogar noch einen Schritt weitergegangen, um sie zu zwingen, die Stadt zu verlassen, und habe ihr von mir aus eine einmalige Summe angeboten. Das hat sie ironisch lächelnd abgelehnt. Ich befürchte nur, sie wird es auf einen Skandal ankommen lassen. Die Frau hat nichts zu verlieren – und viel zu gewinnen. Das kann weder ich mir leisten noch Bettina. Verstehst du? Sprich mit Dr. Meyer und leg ihm alles auseinander. Wer weiß, was ihm die schöne Nana vorgekohlt hat. Und als Reserve, denke daran, daß ich immer noch bereit bin, eine Summe von mir aus zu zahlen. Nur, damit Bettina Kröger ihre Ruhe bekommt.«

      »So ist das?« sagt Kersting nach einer Weile des Nachdenkens. »Ja, da kann sie nicht viel machen. Das werde ich meinem Kollegen klarlegen. Wart mal, den kann ich gleich anrufen.«

      Er drückt auf einen Knopf und spricht in den Apparat.

      »Verbinden Sie mich bitte mit Rechtsanwalt Dr. Meyer.« Er schaltet ab und wendet sich Wattenberg wieder zu. »So, alter Junge, das wäre eingeleitet. Mal sehen, was der Bursche mir zu sagen hat. Ich kann mir gar nicht denken, daß sich Meyer in nicht ganz einwandfreie Dinge einläßt…«

      Da klingelt das Telefon. Kersting geht zum Schreibtisch und nimmt den Hörer ab. Wattenberg hört die Begrüßung, wie sie unter Kollegen üblich ist. Die Unterhaltung verläuft durchaus freundschaftlich. Tropfenweise, wie es Kerstings Art ist, bringt er Dr. Meyer den wahren Sachverhalt bei.

      Wattenbergs Mund umspielt ein flüchtiges Lächeln. Dieses verrückte Weib wirbelt immer mehr Staub auf, gerade das, was er unter allen Umständen vermeiden wollte.

      Kersting hat aufgelegt. »Das geht in Ordnung. Er will mit seiner Mandantin sprechen. Er ist überzeugt, daß sie nichts machen kann. Aber ich bin einen fetten Brocken los.«

      »Welchen fetten Brocken?«

      »Nun, dich, mein Lieber. Die Sache wird im Sande verlaufen. Morgen werde ich mehr wissen und dich anrufen.«

      Wattenberg blickt auf seine Uhr am Handgelenk. »Ein wenig möchte ich dich entschädigen, Bert. Wann bist du hier fertig?«

      »Ein paar Unterschriften noch.«

      »Gut, Bert. Ich lade dich zu einem opulenten Abendessen in den Ratskeller ein. Ich warte, bis du hier alles erledigt hast.«

      »Schön, Achim,