»Ich weiß Bescheid.«
»Sie wissen?« Ist denn dieser Frau nicht beizukommen? denkt Nana innerlich bebend.
»Sicher weiß ich Bescheid. Ich habe den immer wiederkehrenden Betrag wohl in den Büchern gelesen.«
Nana senkt die Lider etwas. »Und Sie haben Herrn Watten-
berg wirklich nicht zu mir geschickt?«
Diese Frage kommt unverhofft. Bettina ist verwirrt. Aber schnell hat sie ihre Haltung wiedergefunden.
»Nein«, erwidert sie wahrheitsgemäß. »Aber vielleicht hätte ich ihn noch um diesen Gefallen bitten müssen.« Sie bringt sogar ein belustigtes Lächeln zustande. »Er wird Ihnen wahrscheinlich gesagt haben, daß diese Gelder nicht mehr an Sie gezahlt werden können. Das Werk verträgt es einfach nicht.«
Ungläubig starrt Nana auf die Frau, die, sie fühlt es selbst, ihr turmhoch überlegen ist.
»Sie sind doch eine reiche Frau«, stößt Nana empört hervor. »Diese lumpigen fünftausend Mark…«
»Sie irren, Frau Wolters, ich bin nicht reich. Ich fühle mich aber mitverantwortlich für die Arbeiter und Angestellten, denen muß ihr Arbeitsplatz erhalten werden. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
»Nicht ganz«, fährt Nana auf. »Ich muß auch leben«, trumpft sie auf.
Bettina lächelt ihr mit ruhiger Sicherheit ins Gesicht.
»Wie wäre es denn, wenn Sie es einmal mit ehrlicher Arbeit versuchten?«
Nanas Stimme wird laut und schrill.
Unten hat Frau von Welling Wattenbergs Wagen vorfahren hören. Sie eilt ihm entgegen. Gefahr für Bettina! hämmert es in ihr.
»Gut, daß Sie kommen.« Sie weist auf die Salontür. »Hören Sie sich das an. Jetzt fängt die unmögliche Person auch noch an zu schreien. Sie müssen Bettina beistehen!« Sie schiebt ihn einfach dem Salon zu, öffnet die Tür und gibt ihm einen kleinen Stoß in den Rücken. Wattenberg hört gerade noch die schrille Stimme.
»Nicht jede Frau hat einen so reichen Freund wie den Wattenberg.«
Bettina hat Wattenberg noch nicht gesehen. Sie richtet sich steif in ihrem Sessel auf. »Ich bin in der Wahl meiner Freunde wähleri-scher. Zudem ist Herr Wattenberg viel mehr als nur ein Freund für mich.«
»Also stimmt es doch, was die Spatzen von den Dächern pfeifen?«
»Schluß jetzt!« fährt seine Stimme dazwischen, die Nana einen Schauer über den Rücken treibt. »Ich wünsche, daß Sie sofort das Haus verlassen und sich nie wieder vor meiner zukünftigen Frau sehen lassen.«
Ohne sich weiter um Nana zu kümmern, die langsam zurückweicht, neigt er sich zu Bettina, fängt ihre Hände ein und sagt zärtlich: »Wie geht es dir, Liebling?«
Erst jetzt klappt die Tür. Wattenberg hat es genau gehört. Er bläst die Luft aus und setzt sich Bettina gegenüber. Ihre Augen hängen verständnislos an seinem Mund. Er empfindet die Situation als tragikomisch.
»Verzeihen Sie, Bettina. Wir haben uns beide in die Nesseln gesetzt und fahren beide im selben Boot.«
Um ihren Mund zuckt es. »Sie haben dem Mädchen eine Komödie vorgeführt.«
»Und Sie?« Ihre Augen liegen ineinander. Hat sie denn etwas anderes von Wattenberg erwartet? Hat sie geglaubt, er würde sie lieben? Der ganze heitere Sonnentag versinkt vor ihren Augen. Ihr ist elend, sterbenselend zumute.
»Ja«, gibt sie leise zu. »Ein wenig habe ich auch Komödie gespielt. Sie dürfen das nicht so wörtlich nehmen, als ich sagte, daß Sie mir mehr als nur ein Freund seien. Ich wollte der Frau eine Lektion erteilen.«
Bettina hat nicht gewußt, was für eine gute Schauspielerin sie sein kann. Groß und ernst sieht sie Wattenberg an. Ihr Gesicht ist verschlossen, kein Muskel zuckt darin.
»Ich verstehe.« Mühsam verbirgt er seine grenzenlose Enttäuschung. Er hätte so gern gehört, daß er ihr wirklich mehr als ein Freund ist.
Die Unruhe treibt ihn umher, ihre tiefblauen Augen verfolgen ihn. Mit einem Ruck verhält er jetzt vor ihr den Schritt.
»Bettina«, gesteht er, sich immer noch mit der Enttäuschung herumschlagend.
»Ich bin sogar noch weiter gegangen. Ich habe gestern auf Robert Listners Gartenparty von Ihnen als meiner zukünftigen Frau gesprochen, nicht nur vor dem dummen Mädel, das Geld erpressen will. Wie ich soeben gehört habe, müssen es noch ein paar andere vernommen haben. Es tut mir aufrichtig leid, daß ich zu spät gekommen bin. Mit der kleinen Erpresserin, die nicht einmal Format hat, hätte ich gern allein gesprochen und Sie damit verschont. Sehen Sie nun ein, daß wir beide in derselben Patsche sitzen?«
Sie sieht ihn nur an. Etwas in diesem Blick erinnert ihn an ein verängstigtes Reh.
Er setzt sich neben sie und nimmt ihre Hand auf.
»Bettina, wir müssen das bittere Spiel bis zum Ende durchhalten. Sehen Sie das ein?«
Ihr kommt es vor, als ob sie die Plätze gewechselt hätten und sie säße jetzt da, wo vorhin Nana Wolters gesessen hat.
Er dringt noch einmal in sie: »Ich mache Ihnen das Leben an meiner Seite bestimmt leicht, das verspreche ich Ihnen. Aber noch ist es ja gar nicht soweit. Erst bringen Sie Ihr Kindchen zur Welt.«
Sie fühlt es heiß in sich aufsteigen. Wie verworren das alles ist! Keiner findet mehr hindurch.
Sie schluckt ein paarmal. »Und – und warum tun Sie das alles für mich? Wollen Sie wegen einiger Klatschmäuler Ihr ganzes Leben neben einer ungeliebten Frau verbringen?«
»Haben Sie nicht selbst gesagt, ich sei Ihr guter Freund?«
Sie senkt den Kopf. Leise sagt sie: »Das stimmt.« Und dann blickt sie ihn offen an. »Sie sollen sich aber zu nichts verpflichtet fühlen, und Sie können jederzeit wieder frei sein, wenn Ihnen einmal die Frau über den Weg läuft, der Ihr ganzes Herz gehört.«
Oh, du heilige Einfalt, denkt er voll Rührung, du bist ja diese eine, einzige Frau. Laut sagt er aber: »Ich werde mich melden, wenn es mein Herz nicht mehr aushält.« Diesen Doppelsinn versteht sie nicht. Sie ahnt noch nicht einmal den tieferen Sinn seiner Worte.
»Aber zu Mama darf ich ehrlich sein?«
»Was wollen Sie ihr sagen? Daß wir einen Pakt geschlossen haben? Daß Sie gerade dabei sind, ehe Ehe ohne Liebe einzugehen? Mei-
nen Sie nicht, daß sich Ihre Frau Mutter nur sorgen würde und keine Nacht mehr ruhig schlafen könnte?«
»Ja, das geht nicht«, sagt sie leise, aber sie sehnt sich danach, sich mit einem Menschen darüber aussprechen zu können.
Wie auf ein Stichwort steckt Franziska den Kopf zur Tür herein und kommt in ihrer behutsamen Art näher.
»Haben Sie gehört, wie diese – diese Person die Tür zugefeuert hat?« Sie ist ganz aufgeregt. Auch die kleinen Hände ballt sie dazu. »Wenn wir das in meinem Elternhaus taten, wurden wir zurückgerufen und mußten die Tür noch einmal leise ins Schloß ziehen.«
Trotz des Ernstes der Stunde muß Bettina lachen, und Wattenberg stimmt in dieses Lachen mit ein.
»Mama, ich kenne dich nicht wieder…«
»Na ja, Kind, man muß schon mal seinem Herzen Luft machen. Das ist übrigens sehr gesund. Man hat nirgends mehr Druck.« Sie tastet nach ihrem Kopf. »Hier nicht und hier auch nicht.« Sie faßt nach dem Herzen.
»Mama, ich habe gar nicht gewußt, wieviel Humor du hast.«
»Hatten wir denn bisher viel zu lachen?«
Zu Wattenberg sagt sie herzlich: »Seitdem Sie dieses Haus betreten haben, ist Sonnenschein in unser Leben gekommen. Wir müssen Ihnen wirklich sehr dankbar sein, wenn Sie auch nichts davon hören wollen.«
Wattenberg