Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman


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lächelt sie amüsiert an. »So, nennt man mich so?«

      »Ja, man nennt Sie so«, sagt sie und steht damit tapfer zu ihren Worten.

      Bettina bewundert seine Ruhe, die in seinem inneren Gleichgewicht begründet liegt. Nur einen kleinen Teil hätte Jürgen davon haben müssen, und etwas von dem Pflichtbewußtsein, das aus jedem Wort dieses Mannes spricht. Es wäre wohl manches anders gewesen und gekommen.

      Sie weiß gar nicht, daß ihre Wangen Farbe und ihre Augen Glanz bekommen haben.

      Frau von Welling bemerkt es, und sie freut sich, daß Bettina Anteil nimmt. Das erst scheint ihr die richtige Gesundung.

      »Möchten Sie noch Kaffee, Herr Wattenberg?«

      »Sehr gern.«

      Wattenberg reicht Bettina seine Tasse. Er fühlt sich sehr wohl zwischen den beiden Damen. Jetzt trinkt er den letzten Schluck und wirft einen Blick auf die Uhr.

      »Es ist schade, leider muß ich fort.« Er wendet sich an Bettina. »Wann soll ich Sie abholen?«

      »Ich richte mich auf morgen vormittag ein. Sagen wir gegen elf

      Uhr. Einverstanden?« Bettina und Franziska erheben sich mit ihm, und sie verabschieden sich herzlich.

      *

      Pünktlich holt Wattenberg Bettina am nächsten Tag ab.

      Mit einem Aufleuchten der hellen Augen begrüßt er sie und hilft ihr behutsam in den Wagen. Dann schwingt er sich neben sie hinter das Lenkrad.

      Während der Fahrt fragt er: »Waren Sie schon öfters im Werk?«

      »Als mein Schwiegervater noch lebte, habe ich ihn öfter aus seinem Büro abgeholt.«

      Er nickt und lächelt vor sich hin. Das Kröger-Werk ist ein riesiger Komplex mit dem Verwaltungsgebäude und seinen Nebengebäuden. Auf dem weiten Fabrikgelände stehen hintereinandergereiht Lastwagen, die entladen und beladen werden. Überall sind fleißige Hände am Werk. Es ist der Rhythmus der Arbeit, der Bettina immer wieder fasziniert.

      Wattenberg bleibt neben ihr stehen und wartet, bis sie sich genau umgesehen hat, dann führt er sie über die vier breiten Stufen ins Verwaltungsgebäude hinein.

      Im hellen Treppenhaus kommt ihnen Heinrich, der verdienstvolle Prokurist, bereits entgegen. Rudolf Heinrich, der von Jürgen Kröger hinausgeworfen wurde und den sich Wattenberg wieder herangeholt hat.

      »Wie schön, gnädige Frau, Sie wieder einmal hier zu sehen«, sagt er erfreut.

      Bettina weist auf Wattenberg. »Das haben wir Herrn Wattenberg zu verdanken. Aber ich hätte Sie auch zurückgeholt, das wäre meine erste Entscheidung gewesen.«

      Wattenberg hat sich im Zimmer des Seniorchefs niedergelassen. Es stört Bettina keinesfalls, daß er von diesem Zimmer Besitz ergriffen hat. Es ist, als hätte er die Nachfolge des von ihr so sehr geliebten alten Mannes angetreten.

      Wattenberg hält seinen Vortrag, kühl, fast unpersönlich, und legt Bettina die passenden Unterlagen dazu vor. Verwirrt geht sie die Zahlenkolonnen entlang und sieht

      auf.

      »Schlimm, ja?« Ihre ernsten Augen wandern von einem zum anderen. »Werden Sie das Werk halten können?« Sie muß in ihrer Ohnmacht erkennen, daß sie nicht sehr viel von diesen Zahlen, überhaupt den geschäftlichen Dingen, versteht. Aber sie will es lernen. Nicht für sich, aber für ihr Kind. Was sie natürlich nicht weiß, ist, daß Wattenberg schon von seinem Geld eine größere Summe investiert hat. Darüber fällt jedoch kein Wort. Wenn das Werk wieder richtig auf Touren läuft, dann kann sie es erfahren, wenigstens will Wattenberg es so.

      »Warum die junge Frau beunruhigen?« hat er Heinrich erklärt. »Sie soll ohne Aufregung ihr Baby zur Welt bringen.«

      Wie aus einem Mund kommt daher die rasche Antwort:

      »Ja, das hoffen wir.« –

      Als Bettina Zeichen von Abgespanntheit zeigt, bricht Wattenberg sofort die Sitzung ab und bringt sie nach Hause.

      Nach dem Essen ruht sie etwas, und dann lassen sich die beiden Damen von dem Chauffeur Hermann zum Friedhof fahren.

      Bettina trägt den Arm voller Blumen. Der abseits liegende Friedhof ist eine Parkanlage mit sorgsam gepflegten Wegen, in voller Blüte stehenden Sträuchern, und der laue Sommerwind spielt in den Zweigen der Weiden und der schönen alten Bäume.

      Hier ist wirklich Friede, muß Bettina denken, hier kann auch ein ruheloser Geist wie Jürgen endlich in Frieden schlafen.

      Lange steht sie neben Franziska am Grab. Es sind nur noch versöhnende Gedanken, die sie in sich trägt. Er ist der Vater ihres zu erwartenden Babys. Sie kann nur noch Mitleid mit ihm empfinden.

      Ihr Gesichtsausdruck verrät nichts von ihren Gedanken, soviel Franziska auch in diesem blassen Frauenantlitz forscht. Überhaupt hat Bettina jetzt sehr oft diesen nach innen gerichteten Ausdruck. Man weiß nicht, was hinter der Stirn vorgeht.

      Nun dreht sie sich ihrer Mutter zu und lächelt. »Jetzt habe auch ich meinen Frieden, Mama.«

      Dann geht sie die wenigen Schritte zum Grab ihres Schwiegervaters und legt dort den Rest der Blumen nieder.

      »Er hätte noch leben müssen«, flüstert sie. »Er war einer der Besten. Er hat so gut für dich gesorgt, Mama. Wenn es dir einmal bei mir nicht mehr gefällt, kannst du jederzeit in dein kleines reizendes Haus im Grünen zurückgehen.«

      Franziska lächelte verschmitzt. »Wenn du mich fortschickst, Kind.«

      Bettina legt schnell den Arm um die zierliche Mutter. »In diesem Falle wirst du niemals dein Haus wiedersehen.«

      Langsam gehen sie dem Ausgang zu. Hermann hat inzwischen gewendet und ist ihnen beim Einsteigen behilflich.

      Mit einem Aufseufzen läßt sich Bettina in den Rücksitz sinken. Nun hat sie auch das hinter sich gebracht. Sie hat ihr seelisches Gleichgewicht zurückgewonnen. Klar scheint der Weg vor ihr zu liegen, den sie in Zukunft begehen wird.

      Aber das Schicksal hält doch noch einiges in Reserve…

      *

      Achim Wattenberg ist sofort ins Werk zurückgefahren und läßt Rudolf Heinrich zu sich bitten.

      »Wir haben einen Fehler gemacht, Heinrich«, empfängt er den Prokuristen, der sofort begreift.

      »Stimmt, wir haben vergessen, die monatlichen fünftausend Mark für – für diese Dame aus den Auszügen zu nehmen«, sagt er grimmig. »Gedenken Sie, das Geld weiterzuzahlen?«

      Wattenberg überlegt kurz. »Ich werde mir diese Frau, von deren Existenz Bettina Kröger bestimmt keine Ahnung hat, einmal ansehen. Danach werde ich meine Entscheidung treffen.«

      Alles für Bettina, denkt er. Der Schmutz darf nicht einmal an ihre Füße heranreichen.

      Und dann steht er Nana Wolters gegenüber.

      Sie erkennt in ihm sofort den Mann wieder, der schon bei der Beerdigung Jürgens ihre Aufmerksamkeit in hohem Maße gefesselt hat.

      »Sie wünschen mich zu sprechen?« Sie weist auf die Sesselgruppe.

      »Ja.« Wattenberg nimmt Platz, da auch Nana sich gesetzt hat. »Es handelt sich um das Geld…«

      Sie beugt sich etwas nach vorn. In diese kühlen Nixenaugen kommt etwas wie Wärme. »Ach, haben Sie es mitgebracht?«

      Mit einem Blick hat Wattenberg die Frau taxiert. Sie ist wirklich ungeheuer attraktiv mit ihren roten Haaren und diesen grünlich glitzernden Augen, die ihn keine Sekunde auslassen.

      »Leider nein«, sagt er ruhig und bemerkt, wie sich ihre Augen verengen.

      Gleich wird die Tünche wie Kalk von ihr abfallen, denkt er. Wider Erwarten verhält sie sich jedoch zurückhaltend.

      »Wollen Sie mir das wohl näher erklären, dieses ›leider nein‹?«