schädlich und gefährlich werden kann.
Von E. Krull’s Besitzung bei — nach zurückgelegten vier Meilen — zunehmender Steigung lag rechts am Ufer des Oceans, tief unter mir der kleine Ort Moloá mit schmuckem, blendend weissem Kirchlein. Ueber die tiefe Schlucht hinweg, mir gegenüber, lag ein Schlachthaus, in dessen unmittelbarer Nähe zu meinem grossen Erstaunen und meiner Freude einmal wieder ein recht üppiger und gut erhaltener Wald zu sehen war.
Ein Schwindel erregender, schmaler, höchst beschwerlicher Pfad führte mich mit bedeutendem Umritt zum Schlachthaus. Das Bild der Verlassenheit, die leblose Stille desselben in Mitte unzähliger Schädel und Knochen machten mich glauben, dass ich meine Richtung verfehlt hatte. Somit ritt ich zum Dorfe hinab, einen halsbrecherischen, unbeschreiblich steilen Pfad, was mein wackeres Pferd mit erstaunlicher Gewandtheit bewerkstelligte. Zu meinem Schrecken fand ich auch das sumpfig liegende kleine Dorf in lebloser Stille, und nach Menschen suchend, nahm ich durch Sumpf und Gräben meinen Weg und fand endlich eine redende Seele, aber leider eine mir unverständliche. Durch Zeichen und Gebärden gelang es mir, den Weg nach Pelaá, Herrn Bertelmann’s Besitzung, zu erfahren und durch diese Nachricht die überraschende Kunde zu erlangen, dass das leblose Schlachthaus von der wahrscheinlich ebenfalls leblosen Besitzung des Herrn Bertelmann 100 Schritt entfernt liegt und nur durch einen Ausläufer des dichten Waldes von derselben getrennt sei.
Eine neue, breite und gute Fahrstrasse, obgleich etwas steil, führte mich im Zickzack wieder auf die Höhe von 228 Fuss, zum Schlachthaus, und um 4 Uhr erreichte ich das liebliche, im duftigen Walde gesund gelegene Haus des Herrn Bertelmann, den ich leider nicht zu Hause traf. Seine liebenswürdige Frau jedoch empfing mich und forderte mich gastlich auf, die Nacht in ihrem Hause zu bleiben. Bald kehrte auch Herr Bertelmann heim und zwar in Begleitung des katholischen Geistlichen aus Moloá, dem Pater Sylvester, einem Belgier. Wir unterhielten uns höchst gemüthlich bis 11 in die Nacht hinein, und Herr Bertelmann fand meine früher ausgesprochene Ansicht über den Betrieb der Viehzucht im Kleinen oder Grossen, nicht nur für diese Insel, sondern für das ganze Inselreich für richtig. Bei schönem Mondlicht und der hier so auffallenden Stille, sogar der nächtlichen Natur, kehrte der geistreiche Pater in sein Thal zurück, und ich begab mich in das mir angewiesene, nach dem ermüdenden Ritte höchst willkommene Bett.
Nach einer köstlich vollbrachten Nacht erwachte ich den 7. Juli Morgens, einem Sonntag. Nach dem Frühstück liess ich satteln und ritt um 10 Uhr, nachdem mich Bertelmann aufgefordert, ihn nach meiner Rückkehr zu besuchen, in scharfem Tempo ab.
Mein Weg führte mich durch krüppeliges Gehölz eines höchst verworrenen Waldes Kilauéa, der grossen Plantage des Herrn Titcomb zu, die 228 Fuss über dem Meeresspiegel liegt. Die Umgebung des Weges, der fast beständig sich bergauf bergab hinzieht, besteht aus vollständig grasloser Weide, auf der jammervoll magere Viehheerden zu sehen sind.
Wie sehr die Dürren der letzten Jahre gewirkt, beweisen die Verluste Bertelmann’s, der in diesem Jahre durchschnittlich 27 Stück Grossvieh wöchentlich verlor. Die Zahl seines damaligen Verlustes betrug 320 Stück, und zu bemerken ist, dass es im gleiche Massstabe allen übrigen hiesigen Viehzüchtern erging.
Von Moloá bis Kiloéa ist ungeachtet der dürren Weidestrecken die Gegend wild-pittoresk. Rechts in der Entfernung ist die Sicht des rauschenden Oceans; links krüppelige, meist niedrige, an mannigfaltigsten Früchten reiche Bäume des Waldes; in den Tiefen des Gebirges zahlreiche, absonderlich geformte, kahle Höhen, üppige Schluchten, Kesselthäler, Engthäler und zahlreiche Wasserfälle, die glitzernd gleich einem Silberband von der Höhe niederziehend etwas Leben den dürren, öden, steilen Abhängen geben und das Gebirge charakterisiren.
Ich liess — da Sonntag — die Plantage rechts in der weitsichtigen Fläche liegen, ohne daselbst einen Besuch zu machen und ritt der 6 Meilen entfernten Plantage des Hanaléi-Thales zu. Es folgt links die romantische Sicht des an Wasserfällen und Wald ziemlich reichen Kahiliwaí-Thales. Der Wald besteht nur aus niedrigem „kauhála“ und hin und wieder aus demselben hervorragend dem „hau“, „kukuï“, als auch hin und wieder Sandelbäumen, die jedoch meist krüppelig und selten erscheinen.
Nachdem ich 4 Meilen zurückgelegt und eine verhältnissmässig günstige Grasfläche traf, so liess ich mein Pferd, da es vergangene Nacht wenig Futter gehabt, zwei Stunden grasen und streckte mich selbst in das nichts weniger als weiche Gras.
Als ich wieder aufbrach, entfaltete sich bald vor mir der Ocean; links tauchten üppige Zuckerrohrfelder aus dem Thale hervor und wie ich die höchste Höhe des Hochplateaus erreichte, lag unmittelbar vor mir das Haus des Mr. Hackfield und unter mir in einer Thalschlucht die reizende Bai von Hanalei, in welche sich der tiefe, durch das „Hanalei“-Thal und dessen üppige Zuckerrohrfelder lieblich sich schlängelnde und in der Nähe seiner Mündung stark austretende „Hanalei“-Fluss ergiesst. Unmittelbar an der Mündung, d. h. auf dem durch die überschwemmende Mündung gebildeten Delta liegt das kleine unzusammenhängende Dorf Hanalei. — Im Thale selbst, glatt an der Bergwand, auf deren Plateau ich mich befinde, liegen romantisch die Gebäude der reichen „Princewille“-Plantage im üppigsten Grün schattiger Bäume.
Diese Plantage ist von R. C. Wyllie gegründet worden und ist Dank ihrer günstigen Lage, ihrem Wasserreichthum und auffallender Weise durch häufigeren Regen die vortrefflichste und ertragreichste des Inselreiches. Einen Uebelstand derselben bilden die häufigen Ueberschwemmungen des reissenden Hanalei.
Von Lehúa bis Hanalei war der höchste Punkt des Weges 450′ über dem Meeresspiegel.
Nachdem ich kurzweilig die schöne Sicht genossen, kehrte ich um und ritt der glücklich gefundenen Stelle einen höchst praktischen, jedoch steilen, schmalen Zickzack-Weg zur Plantage hinab, die circa 52′ über dem Niveau des Thales, umgeben von schönen und schattigen Bäumen, liegt. Magnolien — unter denen auch die Magnolia grandiflora — reichtragende Orangen-, Pomeranzen-, Citronen-, Pfirsich-, Aprikosen-, Oliven-, Mandeln-, gewaltige Mango-Bäume, Reben mit den verschiedenfarbigsten Trauben, Ananas, stämmige und sich schlingende Rosen, Erdbeeren, eine reiche Mannigfaltigkeit zierlicher Blumen, hochwüchsige Rohrpflanzen und Blattstauden zieren im üppigsten Durcheinander duftend die Umgebung des Wohnhauses. Vom Wohnhause aus entfaltet sich höchst praktisch für die Verwaltung der Plantage die volle Sicht des ganzen Thales, welches mit Ausnahme der Seeseite von vulkanisch wild zerworfenen, meist öden und dürren, jedoch an Färbung reichem, waldlosen Gebirge umschlossen ist.
Das Thal ist ein überaus üppiges und schönes, in welchem sich gemüthlich leben lässt und wo ein nach Ruhe sich Sehnender ein idyllisches und, wenn er will, zugleich thätiges und dem Lande Nutzen bringendes Heim sich gründen kann. Leider ist dieses Thal klein und untheilbar und glaube ich, dass kein zweites ihm ähnliches im Inselreiche zu finden ist. Viele Jahre hat der jetzt verstorbene Mr. Wyllie gebraucht und vieles Geld verbraucht, um dieses sein Kleinod zu seiner jetzigen Gestalt und seinem jetzigen Werthe zu erheben.
Um 3 Uhr hielt ich vor der Pforte des Hauses, wo eine zahlreiche Gesellschaft versammelt war. Ich band mein Pferd an den Zaun, trat ein, stellte mich vor und erhielt sofort von Herrn Konrad, Oberinspektor der Plantage, ein Zimmer und die Einladung, einige Tage bei ihm zu bleiben. Während ich mich säuberte, erhielt ich den Besuch des Oberzuckerkochers Herrn C. Killing, den ich aus Honolulu her kannte und der die weitere Versorgung meines Pferdes freundlichst übernahm.
Die Frau Konrad ist eine gebildete, liebenswürdige Kanakin, er ist ein Deutscher sowie auch seine Beamten meist Deutsche, daher verbrachte ich einen höchst gemüthlichen Abend auf der Veranda bei erfrischendem Getränk im hellen Mondlicht und erquickender Brise. Hin und wieder fiel ein kurzweiliger Strichregen, der hier so üblich sein soll, dass die Bewohner der Plantage denselben kaum mehr bemerken.
Den folgenden Tag, den 8. Juli, wanderte ich frühzeitig hinaus und folgte dem sich schlängelnden Fluss durch die üppigen Zuckerrohrfelder, besuchte den 3 Meilen von der Plantage entfernt wohnenden Missionär Mr. Johnson, dessen Kirche und Haus am Flusse, umgeben von einem Garten, gelegen. Ich fand nur die Damen zu Hause und wurde aufgefordert, wiederzukommen. Als ich zur Plantage zurückkehrte, nahm ich meinen Weg über das Schlachthaus derselben, wo ich Herrn Bertelmann in vollster Beschäftigung Ochsen zu schlachten, fand — eine Thätigkeit, die die ganze Gegend