Anrep-Elmpt Reinhold

Die Sandwich-Inseln, oder das Inselreich von Hawaii


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Strecke mit ausdauerndem Fleiss cultivirt werden kann.

      Es ist demnach gleichsam das treue Bild der unmittelbaren Verknüpfung von 3 Formationen des vulkanischen Grundelementes: der geognostischen, der vegetabilischen und der des Ueberganges von einem zum andern. Das Produkt der ersten trägt das Gepräge der unveränderlichen Starrheit, das der zweiten das Gepräge der mächtigen Naturkräfte des organischen Lebens und das der dritten endlich das Gepräge der Erweckung aus der Starrheit zum wandelbaren organischen Leben durch die Kraft der Natur und den Fleiss des Menschen. Kurz gesagt, vor uns liegt hier in kleinem Raum zu einer Kette oder richtiger gesagt, zu einem Ringe mit der Tiefe des gewaltigen Oceans geschlossen ein klares Bild der vulkanischen Entwicklungskraft, d. h. der Entwicklung des vulkanischen Urelementes in seiner starren Produktion und der der mächtigen organischen Naturkraft mit Beihülfe des menschlichen Fleisses aus und auf einer vulkanischen Grundlage, ein Bild der Produktion, des Entstehens des grünenden organischen Lebens.

      Nach einer recht stürmischen Fahrt hielten wir um zwei Uhr in der Nacht vor dem lieblich gelegenen, von den Bergen eng umschlossenen Hauptstädtchen der Insel Maui, dem saubern Lahaïna, und um 5 Uhr landeten wir in der zugigen, unruhigen „Maalaéa“-Bai. Gelandet, bestiegen wir einen offnen uralten Rüttelkasten, mit 2 Pferden bespannt, den man Wagen nennen sollte, und auf fast spurlosem Wege über Steingeröll, bald hügelauf, bald hügelab, durch Gräben, über Wälle, gerüttelt und geschüttelt, jedoch in überraschend kurzer Zeit erreichten wir das 5 englische Meilen von der Bai entfernte Städtchen Waìlúku.

      In der „Masonic-Hall“ fand ich, Dank meinem Reisebegleiter Mr. Bryant, einem Freimaurer, in seinem Zimmer ziemlich gute Unterkunft. Mr. Bryant, ein richtiger englischer Gentleman war aus Europa hierher mit dem Vorhaben gekommen, sich anzukaufen, und mit Zuckerplantagen sein Glück zu versuchen. Den nächsten Tag beschloss ich mit ihm einige derselben zu besuchen.

      Die Strecke vom Hafen bis Waìlúka ist die stürmische Sandfläche oder dünenreiche Landenge Kóla — eine schmale hügelige Fläche, die Ost-Maui von West-Maui trennt und deren Lavageröllunterlage und dünenartige Lavabildung der Oberfläche das treue Bild der Vereinigung von 2 vulkanischen Inseln durch gewaltige Lavaausströmungen gibt.

      Die jetzt durch die Fläche von Kóla vereinigte Doppelinsel Maui bestand früher aus 2 Inseln: 1) Der östlichen und grösseren mit ihrem gewaltigen, breit bis an das Ufer auslaufenden 10,300 Fuss hohen, öden, starren aber auffallend glänzenden Vulkan „Hale-a-Kála,“ dessen Uferkante oder allmählich steigende an Schluchten reiche Sohle von Zuckerrohr und Kaffeeplantagen fast rundherum besetzt ist, 2) der westlichen, kleineren, sehr wild gebirgigen und an Zahl der Krater reichen Insel, an deren westlicher Seite Lahaïna, der Sitz des Gouverneurs von Maui und seiner Regierungsorgane liegt und wo der romantische, in der hiesigen Geschichte berühmte „Wailuku“-Pass die Stadt Wailuku resp. durch die Landenge von Kóla, Ost-Maui mit Lahaina über Land verbindet und, wie man sagt, einen höchst beschwerlichen jedoch interessanten, an Vegetation üppigen Weg bietet. Zu diesem Pass führt der Weg durch das enge „Wailuku“-Thal, welches ein wilder Gebirgsbach, der ursprüngliche Jao, jetzt Wailúku genannt, mit starken Windungen seiner Bahn reissend durchzieht und der einen dem Lande unvergesslichen geschichtlichen Ruf hat, da 1780 Kamehámehá I., der Grosse, in diesem Engthal das tapfere Heer des Königs Kahekili von Maui in einer blutigen Schlacht vernichtete. Seitdem wurde dem Flusse der Name „Wai-lúku“ gegeben, d. h. „Wasser der Vernichtung.“ Seinem Hauptniedersturze wurde der Name „Keh-poni-wai“ d. h. „Dämmung des Wassers“ gegeben, weil hier die Ansammlung von Leichen während der Schlacht die Strömung hemmte. Die Schlacht wurde „luku“, d. h. die der Vernichtung benannt. Die Plantage, zu der Wailúku gehört, ist die sogenannte „Brewer“-Plantage, deren Verwalter der liebenswürdige Mr. Baylay ist. Die reich tragenden Felder derselben umgeben den Ort. Die Zuckermühle, sämmtliche Gebäude der Plantage, bilden den hauptsächlichsten Theil des recht freundlich mit Gärten und Alleen versehenen zu einer Stadt angelegten Fleckens.

      Den folgenden Tag, nachdem ich mich durch ein vorzügliches Douche-Bad erfrischt, im chinesischen in der Nähe der Mühle am Jao in der Hauptstrasse gelegenen Restaurant gefrühstückt hatte, besuchte ich die Plantage und wanderte später, nach Besichtigung der Fabrik, die ausserordentlich vollständig eingerichtet ist, durch die ausgedehnten Felder derselben. Ich fand lange nicht die Ueppigkeit der Plantagen der Insel Kauai; demungeachtet soll aber, wie man mir sagt, das hiesige Rohr sehr ertragreich und saftigerer Qualität als das der Insel Kauai sein.

      Die Lage des Ortes ist eine schöne. Von einer Seite, d. h. links erhebt sich romantisch das vulkanisch wildzerrissene Gebirge von West-Maui, welches wie die meisten Gebirge des Inselreiches durch die zahlreich hervorragenden, scharfen Spitzen, tiefen Engschluchten, scharfen Einschnitte oder Spalten, die gefüllt mit üppigster Vegetation sind, charakteristisch ist. —

      Das Gebirge ist meist in einen dunstartigen Nebel gehüllt, während die Küste und die Niederungen stets sonnig erscheinen und selten Niederschläge oder Nebel haben, d. h. es scheint, sozusagen, als ob das Gebirge die Feuchtigkeit der Atmosphäre an sich ziehen würde.

      Von der entgegengesetzten Seite, rechts über die beständig rothen Staub wirbelnde Enge von Kóla hinweg, erhebt sich der mit seinen dunkelgrünen Zuckerrohr- und Kaffee-Plantagen, kleinen idyllischen Hainen, sowie üppig bepflanzten Abhängen ganz Ost-Maui einnehmende gewaltige „Háleakála“. Derselbe im beständigen Sonnenschein, in der Höhe vollständig waldlos, durch seine intensiven Schattenflecken seiner stets glänzend schimmernden Spitze wird der „Palast der Sonne“ genannt.

      Die beiden andern Richtungen liefern das Bild der gelungenen Resultate menschlichen Fleisses und der Kraft der zeugenden Natur.

      Der Eindruck der Bevölkerung des Ortes ist ein eigenthümlicher durch die Mannigfaltigkeit der Nationalitäten, namentlich der Chinesen, die hier zahlreich vertreten sind, und der Südsee-Insulaner, die höchst geeignet für das Land man progressiv in das Inselreich einzubringen gedenkt. Man ist hier oft im Zweifel, ob man noch im Königreiche Hawaii sich befindet, da namentlich die Hauptstrasse des Ortes von Chinesen derart überfüllt ist, dass die Laute ihrer dem Europäer unverständlichen und daher unharmonisch erscheinenden Sprache die anderen übertönen. Dieser im Allgemeinen dem Europäer antipathischen Nation verdankt man jedoch die Möglichkeit, hier verhältnissmässig gut zu speisen, wenn erforderlich auch Unterkommen und zwar für sehr humane Preise zu finden.

      Den folgenden Tag ritt ich zur grossen „Waikapú“-Plantage der Mr. Cornwell & Co., die auf dem Wege zur „Malaéa“-Bay überaus malerisch liegt. Rechts hat dieselbe eine überaus prachtvolle Sicht auf den glänzenden Hallea-kála und den ebenfalls glänzenden Ocean, links auf die üppigen Zuckerrohrfelder, durch die der Weg nach Wailúku über ein stark hügeliges Terrain führt. Den Hintergrund der Plantage bilden die zahlreichen Wohn- und Fabrikgebäude derselben und, diesen wiederum anschliessend, als Hintergrund das das Centrum West-Mauis durchziehende, schwachgrünliche, bunt durchworfene, an intensiven Schattirungen reiche Gebirge.

      Das Wohnhaus des Mr. Cornwell liegt auf einer Central-Anhöhe, die die hügelige Plantage im Umkreise beherrscht und die von einer schattigen, an Diversität der Pflanzen und duftender Blüthen reichen Gartenanlage umgeben ist. Das Ganze trägt im Innern gleichwie im Aeussern den Ausdruck eines bedeutenden Wohlstandes, Anstandes und gediegenen Geschmackes.

      Ich fand nur die Damen zu Hause, die mich mit britischernster Steifheit, jedoch mit der ihrer Nation angeborenen Liebenswürdigkeit auf der kühlen Veranda des Hauses empfingen.

      Um 1 Uhr war ich zu Mittag wieder in Wailúku. Nach beendeter Mahlzeit bei dem Chinesen, wo die unverheiratheten Beamten der Plantage täglich speisen und unter denen angenehme Männer zu finden waren, unternahm ich einen Gang in das „Wailúku“- oder richtiger „Jáo“-Thal, dem reissenden Bach aufwärts folgend, dem „Wailúku“-Passe zu.

      Anfangs münden zahlreiche Entwässerungsgräben der hochliegenden Zuckerrohrfelder in den Bach, und zahlreiche Ausflüsse desselben ziehen sich in die Bewässerungsgräben der tiefer liegenden Felder. Je höher, desto mehr nimmt das wilde Geröll des Bachbettes zu und um desto rauschender und plätschernder wird der an scharfen Biegungen und Stürzen so reiche Jáo.

      Das romantische,