ich es gekannt habe. Das liebliche Hügelland, der herrliche Wald! Ich würde viel darum geben, es wiederzusehen!»
«Nichts wäre mir lieber, als deine Meinung über seine jetzige Gestalt zu hören», erwiderte Henry. «Ich fürchte nur, es würde deinen hohen Erwartungen nicht entsprechen. An Ausdehnung ist es so gut wie nichts – du wärest enttäuscht, wie klein es dir jetzt vorkommt. Was die Verschönerung betrifft, gab es für mich sehr wenig zu tun, viel zu wenig für meinen Geschmack. Ich hätte mich gern länger damit beschäftigt.»
«Tun Sie so etwas gerne?» fragte Julia.
«Über alle Maßen. Aber dank den natürlichen Vorzügen des Geländes, die sogar einem unerfahrenen Auge die wenigen notwendigen Veränderungen geradezu aufdrängten, und dank meiner Beharrlichkeit hat es nicht drei Monate gedauert, bis Everingham so aussah, wie es sich heute präsentiert. Den Plan dazu hatte ich in Westminster entworfen – in Cambridge etwas abgeändert – und mit einundzwanzig Jahren verwirklicht. Ich könnte Mr. Rushworth beinahe beneiden, daß dieses große Vergnügen noch vor ihm liegt. Ich habe meines allzu hastig genossen.»
«Rasch erfassen, rasch entscheiden und rasch handeln sind eins», sagte Julia. «Ihnen wird es nie an Beschäftigung mangeln. Anstatt Mr. Rushworth zu beneiden, sollten Sie ihm lieber mit Ihrem Rat beistehen.»
Mrs. Grant, die den letzten Teil dieser Rede gehört hatte, stimmte lebhaft zu, fest überzeugt, daß niemand ein so richtiges Urteil habe wie ihr Bruder. Da Miss Bertram ebenfalls die Idee aufgriff und mit großer Wärme erklärte, ihrer Meinung nach sei es unvergleichlich besser, sich vorerst mit Freunden und uneigennützigen Beratern zu besprechen, als die Arbeit gleich einem berufsmäßigen Architekten hinzuwerfen, war Mr. Rushworth durchaus bereit, Mr. Crawford um seine Unterstützung zu bitten; und nachdem Mr. Crawford seine eigenen Fähigkeiten mit gebührender Bescheidenheit herabgesetzt hatte, stellte er sich natürlich Mr. Rushworth vollkommen zur Verfügung. Mr. Rushworth begann umständlich vorzuschlagen, Mr. Crawford möge ihm die Ehre erweisen, nach Sotherton zu kommen und dort Quartier zu nehmen – bis Mrs. Norris, als hätte sie das Mißfallen ihrer Nichten an einem Plan erraten, der ihnen Mr. Crawford entreißen würde, ihn mit einem Gegenvorschlag unterbrach: «Mr. Crawford ist zweifellos gern dazu bereit, aber warum sollten wir uns nicht anschließen? Warum sollten wir nicht einen kleinen Ausflug arrangieren? Hier sitzen viele, die sich für ihre Pläne interessieren, lieber Mr. Rushworth, und gern Mr. Crawfords Meinung an Ort und Stelle vernehmen möchten; vielleicht dürfte sogar unsere bescheidene Meinung Ihnen gleichfalls von Nutzen sein. Ich für mein Teil sehne mich schon längst danach, Ihrer lieben Frau Mutter wieder einmal meine Aufwartung zu machen. Nur der Umstand, daß ich keine eigenen Pferde besitze, hat mich diese angenehme Pflicht so lange versäumen lassen. Aber jetzt könnte ich mitkommen und der lieben Mrs. Rushworth ein paar Stunden lang Gesellschaft leisten, während ihr jungen Leute herumstreift und alles besprecht, und dann könnten wir allesamt zu einem späten Mittagessen hierher zurückkommen oder auch in Sotherton speisen, wie es Ihrer Mutter am angenehmsten wäre, und dann eine schöne Mondscheinfahrt nach Hause machen. Mr. Crawford wird sicher so liebenswürdig sein, meine beiden Nichten und mich in seinem Wagen mitzunehmen, Edmund kann reiten, nicht wahr, Schwester, und Fanny bleibt bei dir zu Hause.»
Lady Bertram machte keine Einwendungen, und alle Beteiligten drückten ihre volle Bereitwilligkeit aus, bis auf Edmund, der alles mit anhörte und nichts dazu sagte.
7. Kapitel
«Nun, Fanny, wie gefällt dir Miss Crawford jetzt?» fragte Edmund am nächsten Tag, nachdem er selbst längere Zeit darüber nachgedacht hatte. «Wie hat sie dir gestern gefallen?»
«Sehr, sehr gut. Ich höre sie gern plaudern, sie ist so unterhaltsam. Und dabei ist sie so wunderhübsch, daß ich sie immerzu anschauen möchte.»
«Es ist ihr Mienenspiel, das ihr soviel Reiz verleiht. Sie hat ein unglaublich ausdrucksvolles Gesicht. Aber war in ihrem Reden nichts, was dir nicht ganz passend vorkam?»
«O doch! Sie hätte nicht in diesem Ton von ihrem Onkel sprechen dürfen. Ich war ganz erstaunt. Ein Onkel, bei dem sie jahrelang gelebt hat und der, was er auch für Fehler haben mag, zu ihrem Bruder so gut ist und ihn, so heißt es, wie einen
eigenen Sohn behandelt! Ich hätte es nicht geglaubt.» «Ich habe mir gedacht, daß es dich schockieren würde. Es war sehr unrecht von ihr – sehr unschicklich.»
«Und sehr undankbar, finde ich.»
«Undankbar ist ein starkes Wort. Ich weiß nicht, ob ihr Onkel gerade auf ihre Dankbarkeit Anspruch hat … Seine Frau zweifellos – und im Grunde ist es die Verehrung, mit der sie ihrer Tante gedenkt, die sie zu dieser Entgleisung verführt hat. Sie ist in einer schwierigen Lage. Bei ihrem warmen Empfinden und ihrem lebhaften Temperament muß es ihr schwerfallen, ihrer Liebe zu Mrs. Crawford gerecht zu werden, ohne den Admiral anzuklagen. Ich kann nicht beurteilen, wen mehr Schuld an dem Zerwürfnis trifft – obwohl die gegenwärtige Aufführung des Admirals einen dazu verleiten könnte, für seine Frau Partei zu nehmen. Aber es ist ein natürliches und liebenswürdiges Gefühl, das Miss Crawford bewegt, so rückhaltlos für ihre Tante einzutreten. Ich kritisiere nicht ihre Einstellung; aber sie öffentlich zu verkündigen – darin liegt die Unschicklichkeit.»
«Meinst du nicht», fragte Fanny nach einiger Überlegung, «daß diese Unschicklichkeit irgendwie auf Mrs. Crawford selbst zurückfällt? Sie hat ihre Nichte erzogen. Und wenn Miss Crawford es in diesem Punkt an Diskretion mangeln läßt …»
«Das ist eine sehr richtige Bemerkung. Ja, wir müssen annehmen, daß es die Fehler der Tante sind, die wir an der Nichte tadeln. Das läßt einen noch deutlicher empfinden, unter welch ungünstigen Umständen sie aufgewachsen ist. Aber ich glaube, ihre jetzige Umgebung wird Miss Crawford guttun, denn Mrs. Grant hat ganz die richtige Art. Es ist schön, mit welch inniger Liebe sie von ihrem Bruder spricht.»
«Bis auf den Vorwurf, daß er zu kurze Briefe schreibt. Sie hat mich fast zum Lachen gebracht. Aber gar so lieb und gut kann ich einen Bruder nicht finden, der sich nicht einmal die Mühe nimmt, seiner Schwester einen ordentlichen Brief zu schreiben, wenn sie nicht beisammen sind. William würde mich unter keinen Umständen so schlecht behandeln, das weiß ich bestimmt. Und mit welchem Recht nimmt sie an, daß du, Edmund, keine ausführlichen Briefe schreibst?»
«Mit dem Recht eines lebhaften Geistes, Fanny, der alles aufgreift, was zu seiner eigenen Unterhaltung oder zur Belustigung anderer beitragen kann. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn nicht Böswilligkeit oder Taktlosigkeit im Spiel ist, und davon ist bei Miss Crawford keine Spur zu entdecken. Sie hat nichts Scharfes, nichts Lautes, nichts Vulgäres an sich. Sie ist durch und durch von echt weiblichem Feingefühl, bis auf den einen Punkt, von dem wir gesprochen haben. Da ist sie allerdings nicht zu rechtfertigen. Ich freue mich, daß du es ebenso empfunden hast wie ich.»
Da Edmund ihre Anschauungen gebildet und ihre ganze Zuneigung gewonnen hatte, durfte er fast immer auf Fannys volle Zustimmung rechnen. Allerdings begann sich jetzt und hier die Gefahr der ersten Meinungsverschiedenheit abzuzeichnen, denn der Weg, den Edmund mit seiner Verehrung für Miss Crawford betrat, konnte ihn leicht zu einem Punkt führen, wohin Fanny ihm nicht mehr zu folgen vermochte. Miss Crawfords Anziehungskraft wurde nicht geringer. Die Harfe kam an und schien ihre Schönheit, ihren Geist und ihre Gutherzigkeit in ein noch helleres Licht zu setzen. Die Gefälligkeit, der Geschmack, das feine Empfinden, das sie beim Spiel bewies, kleideten sie vorzüglich, und zu jedem Musikstück gab es etwas Geistreiches zu sagen. Edmund verbrachte jetzt jeden Vormittag im Pfarrhaus, um sich an den Klängen seines Lieblingsinstruments zu ergötzen, und wenn er Abschied nahm, war er bereits für den nächsten Tag eingeladen. Seine Dame hatte nichts gegen einen andächtigen Zuhörer einzuwenden, und alles ging, wie es gehen mußte.
Ein hübsches, junges, temperamentvolles Frauenzimmer an der Harfe, deren anmutige Form ihre eigene Anmut voll zur Geltung brachte – dahinter die offene Glastür, die Ausblick auf einen kleinen Rasenplatz in seiner Umkränzung von sommerlich üppigem Gebüsch bot – das war genug, um jeden Mann gefangenzunehmen. Die Jahreszeit, die Szenerie, die milde Sommerluft, alles atmete Zärtlichkeit und Empfindung. Mrs. Grant und ihr Stickrahmen