bestimmter Absichten verdächtigt. Mit einer verlobten jungen Dame fühlt man sich sicher. Es kann nichts passieren.»
«Nun, was das betrifft … Mr. Rushworth ist ein sehr braver junger Mann und eine ausgezeichnete Partie für sie.»
«Und seiner Braut liegt nicht soviel an ihm! So urteilst du über deine gute Freundin! Aber ich schließe mich deinem Urteil nicht an. Ich bin überzeugt, daß Miss Bertram ihren Mr. Rushworth zärtlich liebt. Das habe ich in ihren Augen gelesen, als die Rede auf ihn kam. Ich habe eine zu hohe Meinung von Miss Bertram, um anzunehmen, daß sie ihre Hand ohne ihr Herz verschenken würde.»
«Mary, was sollen wir nur mit ihm anfangen?» «Ich fürchte, wir müssen ihn aufgeben. Alles Reden nützt nichts. Zum Schluß wird auch er hineinfallen.» «Aber ich möchte nicht, daß er hineinfällt, ich möchte nicht, daß er sich düpieren läßt! Er soll sich ehrlich und ehrbar verlieben!»
«Ach, du lieber Himmel! Überlaß ihn ruhig seinem Schicksal. Es kommt auf dasselbe heraus. Früher oder später fällt doch jeder hinein.»
«Nicht wenn es zum Heiraten kommt, liebste Mary.» «Gerade wenn es zum Heiraten kommt. Mit allem gebührenden Respekt für allfällig verheiratete Anwesende sei es gesagt, daß kaum eines von hundert Männlein oder Weiblein beim Heiraten nicht hineinfällt. Wohin ich auch blicke, sehe ich das gleiche. Und wenn ich es recht bedenke, kann es gar nicht anders sein, denn eine Heirat ist von allen Transaktionen diejenige, bei der man die größten Erwartungen in einen anderen Menschen setzt und sich selber der größten Unaufrichtigkeit befleißigt.»
«Was die Ehe betrifft, warst du in Hill Street in einer schlechten Schule, Mary.»
«Meine arme Tante hatte gewiß wenig Grund, den Ehestand zu loben. Aber auch wenn ich nur nach meinen eigenen Beobachtungen urteile, ist es eine trügerische Sache. Ich kenne so viele, die geheiratet haben, weil sie von einem bestimmten Vorteil der Verbindung oder einem bestimmten Vorzug der betreffenden Person fest überzeugt waren – um nachträglich zu erkennen, daß sie sich gründlich getäuscht hatten und mit dem genauen Gegenteil von dem, was sie erhofften, fertig werden mußten. Kann man das anders nennen als hineinfallen?»
«Mein liebes Kind, deine Phantasie geht ein bißchen mit dir durch. Verzeih mir, wenn ich dir nicht rechtgeben kann. Du siehst nur das halbe Bild, verlaß dich darauf. Du siehst das Schlechte, aber nicht das Gute, durch das es aufgewogen wird.
Es gibt überall kleine Schwierigkeiten und Enttäuschungen, und wir neigen allesamt dazu, allzuviel zu erwarten. Aber wenn die eine Glückshoffnung sich nicht erfüllt, wendet sich die menschliche Natur einer anderen zu, wenn unsere erste Rechnung falsch war, machen wir eine zweite, die besser stimmt; irgendwie klappt es zum Schluß. Und die hämischen Zuschauer, die aus jeder Kleinigkeit so gern eine große Affäre machen, sind letztlich weit eher die Betrogenen als die Beteiligten selber.»
«Wacker gesprochen, Schwester! Ich ehre deinen esprit de corps, und wenn ich selbst erst eine Ehefrau bin, sollst du mich ebenso standhaft sehen. Ich wünschte nur, ganz im allgemeinen, meine Bekannten dächten auch so. Das würde mir manchen Kummer ersparen.»
«Du bist um kein Haar besser als dein Bruder, Mary, aber wir werden euch beide kurieren. Mansfield wird euch beide kurieren – und niemand wird dabei hineinfallen. Bleibt bei uns, und wir werden euch kurieren.»
Auch wenn sie nicht kuriert werden wollten, waren die Crawfords gern zum Bleiben bereit. Mary war mit ihrem neuen Heim zufrieden, und Henry hatte nichts dagegen, seinen Besuch zu verlängern. Er hatte ursprünglich die Absicht, nur ein paar Tage zu bleiben, doch Mansfield schien einiges zu versprechen, und es gab nichts, was ihn anderswohin zog. Mrs. Grant war glücklich, die beiden bei sich zu behalten, und Dr. Grant zeigte sich mehr als einverstanden; für einen behäbigen Mann, der sich nicht gern aus dem Haus rührt, ist eine hübsche, plauderhafte junge Dame immer die angenehmste Gesellschaft, und Mr. Crawfords Besuch bot einen ausgezeichneten Vorwand, täglich Rotwein zu trinken.
Die Bewunderung, die die Fräulein Bertram Henry Crawford zollten, war ungehemmter als die Gefühle, die Miss Crawford sich zu gestatten pflegte. Sie gestand sich jedoch ein, daß die jungen Herren Bertram sehr sympathische junge Männer wären, wie man sie selbst in London nicht oft beisammen sähe, und daß sie ausgezeichnete Manieren besäßen. Dies galt besonders für Tom, der sich viel in London aufhielt und sich durch größere Lebhaftigkeit und Galanterie auszeichnete als Edmund. Daß er der Ältere war, sprach natürlich besonders zu seinen Gunsten. Mary Crawford hatte von Anfang an geahnt, daß der Ältere ihr besser gefallen würde. Sie kannte sich.
Tom Bertram mußte aber unter allen Umständen gefallen. Er gehörte zu den jungen Leuten, die allgemein beliebt sind. Seine Liebenswürdigkeit war von der Art, die man häufiger liebenswürdig findet als manche Gabe höherer Prägung, denn er hatte eine unbefangene Art, war stets guter Dinge, besaß einen großen Bekanntenkreis und fand immer eine Menge zu erzählen; die Anwartschaft auf Mansfield Park und den Baronet-Titel machte ihn um nichts unsympathischer. Miss Crawford hatte bald das Gefühl, daß er der Richtige für sie sein könnte. Sie sah sich mit löblicher Besonnenheit um und stellte fest, daß so gut wie alles zu seinen Gunsten sprach: der Park, ein wirklicher Park von fünf Meilen im Umkreis, das geräumige, modern gebaute Haus, das dank seiner malerischen Lage einen Ehrenplatz in jeder Sammlung von Abbildungen englischer Landsitze verdient hätte und nur neu möbliert zu werden brauchte – sympathische Schwestern – eine unaufdringliche Mutter – und er selbst war ein angenehmer Mensch mit dem besonderen Vorzug, daß er sich gegenwärtig durch ein Versprechen seinem Vater gegenüber verpflichtet hatte, nicht hoch zu spielen, und daß er später einmal selbst Sir Thomas heißen würde. Ja, es war nichts gegen ihn einzuwenden. Sie würde wohl recht daran tun, ihn zu nehmen. Und dementsprechend begann sie sich ein wenig für das Pferd zu interessieren, das beim Rennen in B. für ihn laufen sollte.
Dieses Rennen sollte Tom bald nach dem Beginn ihrer Bekanntschaft hinwegrufen, und da es sich zeigte, daß seine Familie auf Grund seiner sonstigen Gepflogenheiten ihn nicht vor Ablauf vieler Wochen zurückerwartete, schien dies eine erwünschte Gelegenheit, die Stärke seiner Leidenschaft in diesem frühen Stadium auf die Probe zu stellen. Er seinerseits suchte sie beredt zur Teilnahme am Rennen zu bewegen, und es wurden alle möglichen Pläne geschmiedet, daß die ganze Gesellschaft mittun sollte – doch es blieb beim Reden.
Und Fanny? Was trieb sie, was dachte sie während dieser ganzen Zeit? Was hielt sie von den neuen Freunden? Es gab wohl wenige achtzehnjährige Mädchen, die seltener aufgefordert wurden, ihre Meinung zu äußern, als Fanny. Auf ihre stille Art und ohne viel beachtet zu werden, zollte auch sie Miss Crawfords Anmut ihre Bewunderung. Doch da sie Mr. Crawford noch immer häßlich fand, obwohl ihre Cousinen ihr mehr als einmal das Gegenteil bewiesen hatten, sprach sie niemals von ihm. Miss Crawford ihrerseits richtete ihre Aufmerksamkeit auch auf Fanny. «Jetzt beginne ich Sie alle richtig zu verstehen», sagte sie, als sie eines Tages mit den beiden jungen Herren im Garten spazierte, «bis auf Miss Price. Sagen Sie bitte, ist sie eingeführt oder nicht? Ich kenne mich nicht mehr aus. Sie war mit der ganzen Familie beim Dinner im Pfarrhaus, was dafür sprechen würde, daß sie eingeführt ist; andererseits tut sie so selten den Mund auf, daß ich es kaum annehmen kann.»
Edmund, an den diese Worte hauptsächlich gerichtet waren, erwiderte: «Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen – aber ich nehme es nicht auf mich, Ihre Frage zu beantworten. Meine Cousine ist ihrem Alter und ihrem Verstand nach ein erwachsenes Mädchen, aber eingeführt oder nicht eingeführt, das geht über meinen Horizont.»
«Und dabei ist im allgemeinen nichts leichter festzustellen. Der Unterschied im Auftreten, in der Kleidung, in der ganzen Erscheinung ist so groß. Bis jetzt hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß man sich in diesem Punkt irren kann. Ein junges Mädchen, das noch nicht eingeführt ist, kleidet sich immer auf die gleiche Art – ein knappes, schmuckloses Hütchen zum Beispiel wirkt sehr züchtig – und spricht kein Wort. Sie lachen – aber ich versichere Ihnen, so ist es, und abgesehen davon, daß es manchmal zu weit getrieben wird, ist es ganz in der Ordnung. Junge Mädchen sollen still und bescheiden sein. Allenfalls könnte man einwenden, daß ihr Betragen, sobald sie in die Gesellschaft eingeführt sind, sich oft gar zu abrupt ändert. Es schlägt manchmal in der kürzesten Zeit von äußerster