Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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      Inhalt

       Wo du bist, kann ich nicht sein

       Aber das Herz irrte nicht

       Das hässliche Entlein

       Und hat die Lieb´ gelogen

       Die gekaufte Frau

       Viel Leid um Heimat und Liebe

       Dort, wo die weiße Möwe zieht

       Die Ehe auf Abbruch

       Ein widerspenstiges Mädchen

       Die Familie wünscht es

Leni Behrendt – Staffel 4 –
Wo du bist, kann ich nicht sein

      Vor sich hin brummend, stieg der Mann die langen Treppen des großen Mietshauses empor. Du lieber Himmel, wo bekamen die Menschen, die hier im vierten Stock wohnten, bloß die Puste her, um diese unbequemen, ausgetretenen Stiegen tagtäglich erklimmen zu können! Die mußten ja Lungen wie die Rennpferde und Herzen wie die Büffel haben.

      Endlich war das schwere Werk geschafft, und der Mann stand erst einmal still, um zu verschnaufen. Indes ließ er seine Augen, die blauleuchtend unter buschigen, weißen Brauen lagen, über die vier Türen schweifen, die diese Etage aufwies – zwei geradeaus, eine rechts, eine links. Namen waren daran vermerkt, fast ein Dutzend an der Zahl. Größtenteils waren es Visitenkarten, bescheiden mit Reißzwecken an das braune Holz geheftet. Und auf solch einer Karte stand auch der Name, den er suchte.

      »Na, denn man zu!« brummte er verdrießlich, drückte den Finger auf den Klingelknopf und zuckte zusammen bei dem durchdringenden Ton, der die Stille zerriß.

      Unbehaglich starrte er auf die braune Tür, die sich bald darauf öffnete. Vor ihm stand eine hagere, grobknochige Person mit einem verkniffenen Mund. Neugierig musterten ihn die Augen hinter scharfen Brillengläsern.

      »Sie wünschen?« fragte eine unangenehm krächzende Stimme kurzangebunden.

      Und ebenso erfolgte die Antwort: »Fräulein Berledes zu sprechen.«

      »In welcher Angelegenheit?«

      »Das geht Sie nichts an, verehrte Dame!«

      »Mein Herr, ich muß doch sehr bitten …!«

      »Und ich auch«, unterbrach er sie schroff. »Ich bin es nicht gewohnt, meine Angelegenheiten auf neugierige Nasen zu binden. Ist Fräulein Berledes nun anwesend oder nicht?«

      Dieser Ton schüchterte die impertinente Laura Pfefferkorn denn doch ein. Es klang beinahe höflich, als sie jetzt sagte: »Das Fräulein ist eben aus dem Krankenhaus gekommen und daher sehr elend. Ich weiß nicht, ob ich Sie vorlassen darf, mein Herr.«

      »Bei mir als Vormund der jungen Dame können Sie es ruhig tun.«

      Nun war Laura Pfefferkorn doch überrascht. In ihren Augen brannte die Neugierde, die sie jedoch wohlweislich unterdrückte, weil sie nun ihrerseits der Ansicht war, daß mit diesem Herrenmenschen nicht gut Kirschen essen wäre. Sie bat ihn, näherzutreten und öffnete dann eine Tür, steckte den Kopf durch den Spalt und krächzte: »Fräulein, ein Herr möchte Sie sprechen. Er gibt an, Ihr Vormund zu sein. Kann das stimmen?«

      »Und wie das stimmt!« schob der Mann sie energisch zur Seite und betrat einen dürftig möblierten Raum, in dem ein junges Mädchen angekleidet auf dem Bett lag, nun hastig aufsprang und vor dem Eindringling stand. Doch ehe sie etwas sagen konnte, sprach er bereits, während er der vor Neugierde fast platzenden Laura Pfefferkorn die Tür vor der spitzen Nase zuschlug: »Ich bitte um Entschuldigung, daß ich so formlos hier eindringe. Aber anders wäre ich bei dem Zerberus da draußen nicht vorangekommen! Aber setz dich ja rasch hin, mein Kind. Du siehst mir nämlich so aus, als ob du gleich vor Schwäche zusammensinken müßtest.«

      Damit drückte er sie in den alten Sessel aus Weidengeflecht, der wie unwillig ächzte, und nahm dann selbst auf einem Stuhl so vorsichtig Platz, als hieße es, sich in Nesseln zu setzen.

      Denn der Hüne mit dem robusten Knochenbau wog immerhin seine guten zwei Zentner bei einer Größe von 1,85. Und in dieser dürftigen Bude war alles wackelig und morsch.

      Doch der Stuhl hielt, und der Mann sah zu dem Mädchen hin, das ihn unfreundlich musterte.

      »Wie kommen Sie überhaupt dazu, mich so ohne weiteres zu duzen?« fragte es ungehalten, was den Mann jedoch nicht zu beeindrucken schien.

      »Na, man immer hübsch friedlich, Kindchen!« meinte er nachsichtig. »Mit falschem Stolz, Trotz oder anderen Mätzchen imponierst du mir gar nicht. Ich vertrete als dein jetziger Vormund Vaterstelle an dir, und da wäre es ja lächerlich, wollte ich dich siezen. Zu deiner Orientierung: Ich heiße Onkel Philipp, merke dir das bitte. Warum hast du auf meinen Brief nicht geantwortet?«

      »Weil ich im Krankenhaus lag, als er hier eintraf«, entgegnete sie immer noch abweisend. »Ich fand ihn heute bei meiner Rückkehr erst vor.«

      »Nun, dann hast du ja darin lesen können, daß man mich zu deinem Vormund bestimmte. Ist es dir bekannt, daß man mir kurz nach dem Tode meines Sohnes einen Brief von ihm zustellte?«

      »Ja. Ich fand ihn in seinem Nachlaß und schickte ihn ab. Hat mein Stiefvater Sie etwa in dem Schreiben gebeten, mein Vormund zu werden?«

      »Ganz recht. Es war ein langer, sehr ausführlicher Brief, der mich genau über alles orientierte – auch darüber, daß mein Sohn deine Mutter und somit auch dich durch seinen Leichtsinn an den Bettelstab brachte – und daß du zuletzt gar deinen Stiefvater mit deinem kleinen Stenotypistinnengehalt mit unterhieltest …«

      »Bitte, Herr Hadebrecht …«

      »Onkel Philipp, wenn ich bitten darf.«

      »Aber ich kann doch einen Menschen, den ich zum ersten Mal sehe, nicht gleich duzen!« begehrte sie auf, doch er winkte gemütlich ab.

      »Warum denn nicht? Ich kann es ja auch.«

      Da gab sie es auf. War ja viel zu müde und matt, um sich gegen den Willen dieses Hünen aufzulehnen, der starr wie ein Fels zu sein schien.

      »Na schön – dann Onkel Philipp«, resignierte sie. »Es ist ja auch alles egal. Was ich für meinen Stiefvater tat, geht niemand etwas an, will ich meinen.«

      »Oho, mein Kind, und wie mich das etwas angeht!« grollte sein Baß jetzt auf. »Alles geht mich an, was dich betrifft. Auch daß du noch das Letzte für deinen leichtsinnigen Stiefvater hingabst – nämlich die kleine Wohnung, die dir noch geblieben war. Die verkauftest du einem jungen Ehepaar, um dem Toten ein anständiges Begräbnis geben zu können. Du selbst krochst dann in dieser scheußlichen Bude unter und aßest dich nicht satt, weil du schon seit zwei Monaten arbeitslos bist und weil die Arbeitslosenunterstützung zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig ist, wie man so sagt. Kein Wunder, daß du nach alledem zusammenbrachst und ins Krankenhaus gebracht werden mußtest …«

      »Woher weißt du denn das alles?« lachte sie nervös dazwischen. »Das kann dir dein Sohn doch unmöglich auch noch geschrieben haben.«

      »Natürlich nicht. Denn bei den letzten Geschehnissen war er ja bereits tot. Aber man kann ja Erkundigungen einziehen,