Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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diesen äußerst energischen Worten war es zuerst einmal still.

      Dann fragte das Mädchen spöttisch: »Und was soll ich da – etwa das Gnadenbrot essen?«

      »Mein liebes Kind, den Ton wollen wir erst gar nicht zwischen uns aufkommen lassen!« entgegnete der Mann zwar ruhig, doch blitzte es in seinen Augen gefährlich auf. »Vergiß bitte nicht, daß ich als dein Vormund gewisse Erziehungsberechtigung über dich habe und Verantwortung zugleich. Also kann ich nicht dulden, daß du nach dem Nervenfieber – ja, sieh mich nur so groß an, ich weiß auch davon – in dieser scheußlichen Bude bleibst und so elend, wie du bist, womöglich die Jagd nach einer Arbeitsstelle beginnst. Um überhaupt arbeiten zu können, brauchst du zuerst einmal Pflege, die dir in meinem Hause zuteilwerden wird. Wenn du dann wieder auf der Höhe bist, werde ich dir zu einem Posten verhelfen – und zwar in meinem Betrieb – wo kein windiger Abteilungsleiter dich an die frische Luft setzen wird, weil du ihn bei seinen Belästigungen gehörig in die Schranken wiesest …«

      Jetzt mußte er über ihr verblüfftes Gesicht lachen.

      »Ja, ja, Kleine! Wie du siehst, bin ich über dich vollkommen im Bilde. Ich mußte mich doch schließlich vergewissern, über welch ein Persönchen ich, die Vormundschaft übernehmen sollte. Und nun Schluß mit der Debatte! Und keine Widerrede, bitte ich mir aus. Pack deine Sachen, damit wir abfahren und noch vor Dunkelwerden nach Hause kommen können.«

      Silje Berledes hätte sonst wohl nicht so ohne weiteres über sich bestimmen lassen – denn sie besaß eine ziemliche Portion Eigenwillen und vor allem einen stark ausgeprägten Stolz. Aber jetzt war sie durch die schwere Krankheit so sehr geschwächt, daß sie einfach nicht die Kraft hatte, sich einem so starken Willen widersetzen zu können.

      »So sei es …«, fügte sie sich gottergeben. »Ich komm ja jetzt doch nicht gegen dich auf. Dafür fühle ich mich zu elend.«

      »Nur gut, daß du das endlich einsiehst, mein Kind! Am besten ist, du packst jetzt einen Koffer mit dem Notwendigsten, alles andere kann deine Wirtin dir nachschicken. Oder traust du ihr nicht?«

      »Nein. Ich besitze zwar nicht viel, aber darunter doch einiges, woran ich hänge. Und das möchte ich nicht auch noch verlieren.«

      Müde erhob sie sich und trat an den Schrank, der so wurmstichig war, daß er in nächster Zeit wohl zusammenbrechen würde. Auf der Holzstange hingen fein säuberlich über Bügel getan einige Kleider, und oben auf dem Brett lag ein Hut.

      Aber danach griff Silje jetzt nicht. Sie holte vom Boden ein unförmiges Etwas hervor, legte es auf den Tisch und mußte nun doch über das verdutzte Gesicht des Mannes lachen.

      »Hierin befindet sich eben das, woran mein Herz noch hängt«, erklärte sie. »Ich habe es in eine Decke genäht, um es vor neugierigen Augen – und Habgier zu schützen.«

      »Raffiniert getarnt«, schmunzelte er. »Darf man fragen, was in dem Monstrum steckt?«

      »Die Geige von meinem – Paps …«

      Weiter ging es nicht, die Stimme brach.

      Hastig wandte Silje sich ab, zog zwei Koffer unterm Bett hervor und begann zu packen. Das fiel ihr nicht leicht. Sie mußte immer wieder einhalten, um sich auszuruhen.

      »Bitte, Onkel Philipp«, sagte sie zuletzt schon ganz nervös. »Fahre heute allein, ich komme morgen nach.«

      »Darauf werde ich mich nun nicht verlassen«, versetzte er trocken. »Da fasse ich mich lieber in etwas Geduld, bis du fertig bist.«

      »Du traust mir also nicht?«

      »Nein.«

      Da wandte sie sich brüsk ab und packte weiter. Zwei Bilder legte sie vorläufig zur Seite, auf die jetzt Hadebrechts Blick fiel. Das eine Bild zeigte ein klares, reines Frauenantlitz mit Madonnenaugen, das zweite ein Männerantlitz von bildhafter Schönheit. Was kostet die Welt? – schien der lachende Mund zu fragen. Ich kaufe sie und lege sie der Schönsten zu Füßen.

      »Deine Mutter?« fragte der Mann, auf das erste Bild zeigend.

      »Ja …«, kam es knapp zurück. Sie schloß die beiden Koffer und fühlte sich so matt, daß sie sich in den Korbsessel fallen lassen mußte, bevor sie noch umsank. Das Gesicht war todblaß, die geschlossenen Lider zuckten, der Atem ging rasch und schwer.

      »Mach um Himmels willen jetzt nicht schlapp!« drang eine grollende Männerstimme an ihr Ohr. »Hast du heute überhaupt schon was gegessen?«

      »Doch, morgens im Krankenhaus«, kam die Antwort müde, und er brummte: »Wird schon was Rechtes gewesen sein! Mit dir in ein Lokal zu gehen, wage ich deiner miserablen Verfassung wegen nicht. Also werde ich für einen Imbiß sorgen …«

      »Bitte nicht!« unterbrach sie ihn hastig. »Ich habe wirklich keinen Hunger.«

      »Natürlich nicht, wenn man die Absicht hat, sich als Hungerkünstlerin auszubilden. Mädchen, Mädchen, ich komm mir beinahe so vor, wie von unserem Herrgott persönlich zu dir geschickt. Rühre dich ja nicht von der Stelle, bis ich zurückkehre!«

      Damit ging er, und Silje duselte erschöpft vor sich hin.

      Erschrocken fuhr sie auf, als Laura Pfefferkorn vor ihr stand.

      »Ach, Sie haben bereits gepackt, Fräulein«, bemerkte sie hämisch. »Da ist es ja gut, daß ich die Rechnung schon geschrieben habe. Sie bezahlen natürlich die Miete nicht nur für den angebrochenen Monat, sondern auch für den nächsten …«

      »Und möglichst für das ganze Jahrzehnt«, ironisierte eine Stimme hinter ihr, die sie wie gestochen herumfahren ließ. Da sie mit dem Rücken nach der geöffneten Tür stand, hatte sie nicht gemerkt, daß Hadebrecht eingetreten war.

      Nun sah sie ihn fassungslos an, und er lachte.

      »Ja, ja, meine geehrte Pfefferkörnin, es wird einem leicht ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die Miete für den angebrochenen Monat November sei Ihnen zugebilligt, aber zum nächsten müssen Sie sich schon einen neuen Mieter für dieses komfortable Gemach suchen. Wieviel Zins erheben Sie denn monatlich dafür?«

      »Fünfundzwanzig Mark«, entgegnete Silje statt der verdatterten Laura, während sie das Geld hastig auf den Tisch zählte. Und siehe da, die ehrsame Jungfrau Pfefferkorn raffte die Scheine zusammen und entfloh.

      »Na also …«, schmunzelte der Mann hinter ihr her. »Man muß mit solchen Leuten nur patent reden, dann weicht ihre Unverschämtheit der Feigheit. Hättest du kleines Schaf ohne mein Dazwischenkommen wirklich den Wucherzins gezahlt?«

      »Wahrscheinlich. Können wir jetzt aufbrechen?«

      »Noch nicht, erst wirst du etwas essen. Der Chauffeur wird gleich mit einem Imbiß erscheinen.«

      Und tatsächlich trat der Mann schon wenig später ein, gefolgt von Laura Pfefferkorn, die zuerst nach Luft schnappte und dann giftig loslegte: »Dieser Mann ist einfach ein Flegel!«

      »Ungefähr so wie ich, nicht wahr?« warf Hadebrecht augenzwinkernd dazwischen. »Aber es kann ja nicht jeder den Anstand mit Löffeln gegessen haben. Und nun verfügen Sie sich, das Zimmer ist nämlich bis Ultimo bezahlt.«

      Wutentbrannt zog Laurachen ab, und der Chauffeur lachte über das ganze Gesicht.

      »Solche Kreuzspinnen habe ich gern. Sie wollte mir nämlich den Eintritt verwehren. Und ich mußte schon Gewalt anwenden – wenn auch immerhin noch sanfte.«

      Damit stellte er ein papierumhülltes etwas auf den Tisch, zog aus einer Tasche eine Flasche Wein, aus der anderen ein Glas und nahm dann Haltung an.

      »Befehl ausgeführt, Herr Hade­brecht!«

      »Danke, Schorlep. Nehmen Sie die beiden Koffer und verstauen Sie sie im Wagen. Dann warten Sie unten.«

      »Und dieses Monstrum auf dem Tisch?«

      »Das bringe ich!«

      Spielend hob der untersetzte Mann in der schlichten Chauffeurlivree