Fingern klopfte Gucky gegen den Zahn. »Bei Sonnenaufgang. Kurz bevor wir hier an den See teleportiert sind.«
»Und? Was genau hast du mitbekommen?«
Der Mausbiber lachte hell. »Es geht los!«
»So ist es«, bestätigte Perry Rhodan, als der Ilt und Tschubai ihm zwanzig Minuten später in der Kommandozentrale der SEDAR gegenüberstanden. »Die Suche nach den in M 82 verstreuten Einheiten unserer Flotte ist in vollem Gang. Ich hoffe, dass sich die meisten Schiffe bald hier über Basis-One sammeln werden.«
»Sofern uns die Armadaschmiede nicht dazwischenfunken.« Ras Tschubai verzog das Gesicht.
»Geplant sind zwei Einsätze«, fuhr Rhodan fort, ohne auf den Kommentar des Teleporters einzugehen. »Die Expedition I hat das Synchrodrom zum Ziel. Aufgabe ist die Eroberung der Station sowie die Vernichtung aller Synchroniten. Daran beteiligt sein sollen fünf Großraumschiffe der PHARAO-Klasse, zwanzig Leichte Kreuzer und zwanzig Korvetten.«
»Eine richtige Armada«, spöttelte Gucky. »In Ordnung, wann soll ich zuschlagen? Ich meine, es ist doch keine Frage, dass du mich zum Kommandanten ernennst? Wer außer mir hat die nötige Erfahrung und den erforderlichen Mumm?«
Rhodan lächelte. »Ich zum Beispiel, Kleiner. Zumal diese Angelegenheit mich persönlich angeht. Ich leite die Expedition. Clifton Callamon, Gesil und Taurec begleiten mich.«
»Und wer hat die Ehre und das Vergnügen, dich währenddessen auf Basis-One zu vertreten?«
»Roi. Er hat sich schon über Langeweile beklagt. Die Arbeit im Stützpunkt wird ihn in Bewegung halten.«
»Pft«, machte Gucky. »Anders ausgedrückt, dein bester Mann – also ich, um jedem Missverständnis vorzubeugen – wird weiter auf Eis gelegt. So werden die wertvollsten Talente verschwendet.«
»Ich sprach von zwei Einsätzen«, erinnerte Rhodan. »Das Eingreifen auf der Welt der Nandiren war nicht nur im Hinblick auf die Position des Synchrodroms ein Erfolg. Nach den Auswertungen aller Daten verfügen wir auch über die Flugroute eines Armadafloßes. Die Flöße übernehmen den Rohstofftransport von den Abbauplaneten zu den verarbeitenden Schmieden.«
Tschubai sah auf. »Du hoffst, eine der Armadaschmieden zu finden?«
»Genau das«, bestätigte Rhodan. »Bis auf die Route und einige Vermutungen der Hamiller-Tube haben wir bislang wenig. Wir kennen weder die Größe noch die Bewaffnung der Flöße, nicht einmal ihre ungefähre Anzahl. Möglicherweise fliegen Armadaeinheiten als Eskorte mit. Es könnte gefährlich werden – so gefährlich, dass ich gezwungen bin, dieser Expedition meinen besten Mann zuzuteilen.« Rhodan lächelte. »Ras, du wirst ebenfalls dabei sein.«
»Wie viele Schiffe?«, fragte Tschubai knapp.
»Nur die SEDAR. Kommandant ist Jen Salik. Der Ritter der Tiefe wird dem Kurs des Floßes folgen. Das ist keine unmögliche Aufgabe, wenn ihr euch vor den Armadaeinheiten in acht nehmt. Sobald die SEDAR das Floß aufgespürt hat, werden Gucky und du ein Team aus Einsatzspezialisten aufs Floß teleportieren und den Flug bis zur Armadaschmiede mitmachen. Und dann ...« Perry Rhodan ließ den Satz offen.
»Improvisieren«, sagte der Ilt. »Das ist unsere Stärke.«
»Eine unserer Stärken«, berichtigte Tschubai. »Wir sind bereit.«
»Wisst ihr, was ein Trümmerreiter ist?«, fragte Enklich Fain. »Was es heißt, mit Tausenden anderer Männer und Frauen die Sicherheit der Raumschiffe zu verlassen und in die Kälte des Alls zu springen? Könnt ihr euch Myriaden teils riesiger Trümmerbrocken vorstellen und Menschen, die an ihnen kleben wie Fliegen an einem Brocken Käse? Natürlich könnt ihr das nicht. Man muss es erlebt haben.«
Oder besser nicht!, dachte Fain fröstelnd.
»Es spielt auch keine Rolle, wie viele wir waren, denn in jenen Minuten war jeder auf sich gestellt«, fuhr er heiser fort. »Das rotierende Nichts war nah, und vor uns lauerten die fremden Raumschiffe. Wie alle anderen hockte ich auf einem der Brocken und näherte mich der gigantischen Flotte. Wir sollten einen Ausbruchsversuch vortäuschen. Schließlich schossen sie auf die Trümmer, aber da hatten wir die Felsbrocken schon verlassen. Unbemerkt näherten wir uns den Schiffen, um ihre Aufbauten zu demontieren und ihnen Nadelstiche zu versetzen.«
Wieder machte Fain eine Pause. Halbdunkel herrschte in dem gewölbten Raum, der zum Kontrollkomplex des hinteren Goon-Blocks gehörte. Ankbhor-Vuul und Dameniszer hatten ihre Anzüge abgelegt, denn in dem Raum gab es eine atembare Sauerstoffatmosphäre.
»Ich trieb auf eine stählerne Kugel mit zwei kastenförmigen Seitenteilen zu, als es geschah. Ein Energieschuss verfehlte mich, trotzdem war er so nah, dass ich einen Schock erlitt und bewusstlos wurde. Als ich wieder zu mir kam, war die Schlacht vorbei und ich war allein. Die anderen Trümmerreiter verschwunden, die Funkfeuer unserer Schiffe erloschen. Ringsum wogte ein Meer von Armadaschiffen, und sie hatten nur ein Ziel: das rotierende Nichts, den Frostrubin, den die Armadaleute TRIICLE-9 nennen. Ich begriff. Die Galaktische Flotte hatte ihr Heil im Sturz in den Frostrubin gesucht, und die Endlose Armada folgte ihr. Ich schaltete mein Funkgerät ein und bat die Fremden um Hilfe. Aber eine Antwort blieb aus, und mein Sauerstoffvorrat ging zur Neige. ›Du wirst sterben, Enklich Fain‹, sagte ich mir. ›Zwischen den Trümmern einer Galaxis, die der Frostrubin zerstört hat, dreißig Millionen Lichtjahre von der Heimat entfernt.‹ Doch dann tauchte dieses seltsame Objekt auf – das Armadafloß.« Fain schnitt eine Grimasse. »Crduun hatte die Hilferufe empfangen und holte mich an Bord. Den Rest kennt ihr.«
Ankbhor-Vuul stemmte die kurzen, feisten Arme in seinen aufgedunsenen Leib. Außerdem drehte er den sichelförmigen Kopf, der auf einem kurzen, extrem beweglichen Hals saß. »Keine brauchbare Geschichte«, dröhnte es aus der Sprechmembran an der Frontseite seines plumpen Leibes. »Nicht ein erschlagener Gegner, Enklich Fain. Und warum erzählst du jetzt Geschichten? Das soll man erst tun, wenn der Feind am Bratspieß gart. Aber Crduun ist noch nicht besiegt.«
Fain lächelte verzerrt. »Hoffentlich, wilder Freund, verdirbst du dir an dem Flößer nicht den Magen.« Er sah zu Dameniszer hinüber. Der Säulenbeinige hatte seine Mahlzeit aus den mitgebrachten Vorräten verzehrt und betastete neugierig mit den Schlingarmen das Gebilde, das sich wie eine surreale Skulptur in der Mitte des Raumes erhob.
»Wie kann das nur funktionieren?«, brummte Dameniszer. »Es sieht nach ... nach sehr wenig aus.«
Nach Schrott, überlegte Fain. Das ist es auch. Aber der Holoprojektor funktioniert trotzdem. Crduun musste höllisch überrascht gewesen sein, als sich seine Kaufsöhne in Wohlgefallen auflösten.
Der Hologrammprojektor hatte den Flößer aus der Steuerzentrale am Floßkopf gelockt. Eine gute Gelegenheit, die lästigen Armadamonteure an Bord auszuschalten und mit der Demontage der Essenzenhaken zu beginnen. Fain schob die Schüssel mit dem Proteinbrei zur Seite und stützte die Ellbogen auf die Deckplatte des Rechnerblocks. Zu schade, dass die Steuerzentrale des Goon-Blocks am Floßschwanz abgeschaltet war. Das erschwerte vieles. Selbst der Bastler hatte keine Möglichkeit gesehen, die Sperre zu beseitigen, und der Bastler war ihr stärkster Verbündeter auf dem Floß.
»Vielleicht benötigen wir den Holoprojektor später wieder«, sagte Fain. »Falls Crduun hier auftaucht. Ohne Zweiwegübertragung ist der Projektor vorerst nutzlos, und ohne Armadamonteure gibt es keine entsprechende Übertragung.«
Ankbhor-Vuul stimmte ein durchdringendes Tuten an. Es war so laut, dass Enklich Fain vor Schmerz beide Hände auf die Ohren presste.
Dameniszer machte zwei schnelle Schritte und schlug dem Barbaren die Schlingarme auf den Ballonleib. Das laute Dröhnen brach ab.
»Heilige Sterne!«, ächzte Fain. »Hast du den Verstand verloren, Vuul? Was soll der Lärm?« Die stumpfen Facettenaugen an den beiden spitz zulaufenden Enden des Sichelkopfs starrten ihn an; traurig, wie Fain fand.
»Der Geist des Holo-Holos ist gestorben.« Der Barbar seufzte. »Wer stirbt und nicht durch den Magen seines Bezwingers ins Reich der Lebenden zurückkehren kann, der muss sein Leben im beschwörenden Wehelied wiederfinden.«